In der Elsteraue geht es um viel Kies

Sächsische Dörfer wehren sich gegen Pläne, südlich von Leipzig großflächig Baumaterialien abzubauen

  • Harald Lachmann, Leipzig
  • Lesedauer: 4 Min.
Kiesabbau im Nassverfahren - in der Elsteraue wehren sich Einwohner gegen Pläne einer Baustofffirma. Sie fürchten, dass dort, wo schon Kohletagebaue große Löcher rissen, weitere Äcker verloren gehen.

Zitzschen hat Zukunft - so befanden jüngst die Juroren im Leipziger Land, die die 450-Seelen-Gemeinde im Landkreiswettbewerb um die zukunftsträchtigsten Dörfer zu einem der drei Sieger kürten. Doch inzwischen tun sich über Zitzschen dunkle Wolken auf, die gerade die Zukunft der hier Lebenden »heftig beeinträchtigen«. So sagt es Anja Becker, die hier in der Elsteraue mit Ehemann Gert einen Agrarbetrieb führt. Ein Zehntel ihrer 250 Hektar Ackerfläche würde das Paar einbüßen, wenn in ihrer Region der geplante großflächige Kiesabbau startete. Auch andere Einwohner rebellieren. »Wir lassen unsere Auen nicht versauen!« liest man etwa an Gartenzäunen. Oder: »Zitzschen sagt NEIN zur Kiesgrube!«

Indes sei die Sache für die Anrainer der Elsteraue verdammt vertrackt, räumen die Beckers ein. Denn bereits seit 2004 ist der Kiesabbau in der Region genehmigt. Doch damals ging es noch um hundert Hektar und vor allem »um Trockenabbau, so dass die Äcker danach wieder rekultiviert worden wären«, so Anja Becker. Nun aber will die Mitteldeutsche Baustoffe GmbH (MDB) aus Petersberg bei Halle die Abbaufläche über ein neues Raumordnungsverfahren nicht nur auf 174 Hektar erweitern - alles solle jetzt »auch noch im Nassabbau stattfinden!«

Das macht die 43-Jährige wütend. Es könne nicht angehen, dass in der über Jahrzehnte geschundenen Bergbauregion, wo die millionenschwere Rekultivierung noch nicht einmal abgeschlossen ist, »bereits neue Tagebaue und weitere Seen, die keiner mehr braucht«, entstünden. Und alles zu Lasten von fruchtbarem Ackerland. Denn der geplante Nassabbau solle sich über 40 Jahre erstrecken, würde dauerhaft die Böden zerstören und drei weitere Seen hinterlassen.

Die MDB hat, so sieht man es in der Region, die Kiesgewinnung so lange hinausgezögert, bis der Anstieg des Grundwassers eine Trockenförderung unrentabel machte. Dies nun aber »auf dem Rücken der Landeigentümer und Bauern auszutragen«, geht auch Georg-Ludwig von Breitenbuch gegen den Strich. Der Landwirt aus Kohren-Sahlis, der auch für die CDU im Sächsischen Landtag sitzt, verweist ausdrücklich auf den Landesentwicklungsplan: Darin sei »gerade in dieser Bergbaugegend darauf geachtet worden, das fruchtbare Ackerland hervorzuheben und als schützenswert einzuordnen«.

Dennoch steht den Kiesgegnern ein schwerer Kampf bevor. Gegen jene alten Genehmigungen sind sie im Grunde chancenlos, nur die Methode, also der Nassabbau, ließe sich wohl noch verhindern.

Anders als bei der Braunkohle, für die die Betreiber »energiepolitische Notwendigkeiten« ins Feld führen können, steht hier »privates Gewerbe gegen privates Gewerbe«, sagt Gert Becker. »Wieso darf sich der eine zu Lasten des anderen ausbreiten und dessen Existenz gefährden?« Und dass der Baurohstoff später nicht nur in der Region verbleibe, belege doch die »im Rahmen des Abbauprojektes geplante Bahnstation«, fügt Anja Becker hinzu: Er solle wohl vor allem ins Ausland rollen.

Inzwischen lehnte auch der Stadtrat von Zwenkau, wozu Zitzschen gehört, den Verkauf von vier Flurstücken an die MDB ab. Bürgermeister Holger Schulz begründet dies unter anderem mit der »Missachtung öffentlicher Interessen«.

Doch damit ist die Sache nicht geklärt. Denn durch eine tückische Klausel im Einigungsvertrag stehen solche Kiesvorkommen nicht - wie im Altbundesgebiet üblich - den Bodeneigentümern zu. Im Osten gilt weiter DDR-Bergrecht. Fünf Verfassungsbeschwerden dagegen liefen bereits ins Leere. Und doch geben sich die Landwirte optimistisch: »Wir zögen nicht in den Kampf, wäre es chancenlos …«

Praktische Hilfe kam nun auch aus Pödelwitz bei Groitzsch. Jens Hausner, der sich hier in einer Bürgerinitiative gegen das Abbaggern seines Dorfes zugunsten von Braunkohle wehrt, riet den von Enteignung bedrohten Zitzschener Landbesitzern: »Werden Sie jetzt zügig aktiv! Klagen Sie nicht erst nach dem Grundabtretungsverfahren, dann sind alle Messen gesungen!«

Hoffnung ziehen die Landwirte aus dem »Garzweiler II«-Urteil. Darin stärkte Karlsruhe 2013 die Rechte jener, die wegen großer Bergbauprojekte von Enteignung und Umsiedlung bedroht sind. So müssen deren private Belange fortan bereits im Zulassungsverfahren ausreichend berücksichtigt werden. Es gelte, den Betroffenen so rechtzeitig Klagemöglichkeiten einzuräumen, dass eine »ergebnisoffene Prüfung noch realistisch« sei.

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