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Böse Überraschung am Badesee

Wie sich Seeburg erst eine Bombe einfing, dann mehrere und schließlich eine satte Rechnung

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Granaten haben seit 1945 in einem niedersächsischen Badesee gelegen. Dem Schreck über den Fund folgte ein weiterer: Die betroffenen Kommunen sollen für's Aufspüren der Munition 50 000 Euro zahlen.

Gehofft hatten die Angler am Seeburger See auf Hechte, Forellen oder Brassen für eine leckere Mahlzeit. Doch ins Netz ging den Sportfischern am Pfingstmontag ein höchst unwillkommener Fang: ein rostiges Stück Metall, das sich als scharfe Mörsergranate aus dem zweiten Weltkrieg entpuppte, seinerzeit wohl von irgendwem ins Wasser geworfen.

Der Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes wurde alarmiert, der 86 Hektar große, im südlichen Niedersachsen nahe Göttingen gelegene See gesperrt. »Schlimm für eine Region, die vom Tourismus lebt«, bekräftigt Arne Behre, Bürgermeister der zuständigen Samtgemeinde Radolfshausen. Aber: Es war nicht auszuschließen, dass noch mehr Munition im Wasser vor sich hin rostete.

Wie berechtigt diese Sorge war, bestätigten Experten einer Fachfirma. Sie entdeckten beim Suchen im See weitere Granaten. Weil deren Transport zu gefährlich gewesen wäre, wurden sie an Ort und Stelle gesprengt. Dies wiederum erledigten die amtlichen Kampfmittelbeseitiger. In ihren Aufgabenbereich gehören Abtransport und Entsorgung des Kriegsmaterials, nicht aber dessen Aufspüren.

Diese Kompetenztrennung hat den Eigentümern des Sees, den kleinen Realgemeinden Seeburg und Bernshausen, eine böse Überraschung beschert. Sie sollen die Munitionssuche bezahlen: rund 50 000 Euro an das Unternehmen.

Die Suche wird vom Land nicht finanziert, erklärte Niedersachsens Innenministerium auf Anfrage. Nach geltender Rechtslage müssten die Realgemeinden eigentlich sogar sämtliche Kosten für die Beseitigung der Granaten tragen, also auch jene für den Einsatz des Kampfmittelbeseitigungsdienstes. Doch hier gibt sich Niedersachsen großzügig: Um die Belastung der Eigentümer möglichst gering zu halten, würden sie für Bergung, Transport und Vernichtung des Kampfmittels »nicht herangezogen«.

Bürgermeister Behre hatte mehr Unterstützung vom »oben« erhofft, meint, Bund und Land machten es sich zu einfach: Der wohl teuerste Akt der ganzen Aktion, die Suche, werde den Kommunen überlassen. Weder Seeburg noch Bernshausen sind mit Geld gesegnet, erläutert Behre im Gespräch mit »nd«. Die beiden Realgemeinden müssten Kredite aufnehmen, um die 50 000 Euro überweisen zu können.

Er habe auch daran gedacht, die Bundeswehr um Hilfe zu bitten, sagt der Bürgermeister. Immerhin seien dort Ausrüstung und Fachleute für solch einen Munitionseinsatz vorhanden. Doch das Militär dürfe nicht als Konkurrenz zu Unternehmen auftreten. Die Samtgemeinde wolle den beiden kleinen Kommunen aber unter die Arme greifen, kündigt Behre an. Auch ein kommunaler Zweckverband werde das wohl tun, darüber hinaus hoffe man auf finanzielle Unterstützung seitens örtlicher Vereine. Drohen unerwartete Kosten auch einem Hausbesitzer, der beim Umgraben seines Gemüsegartens eine alte Granate entdeckt? Nein, heißt es aus dem Landesinnenministerium. Der Gartenfreund sollte bei solch einem Fund getrost die Polizei verständigen. Sie informiert dann die Kampfmittelbeseitiger. Von ihnen werde der Bürger, da es nur ums Abholen und Entsorgen geht, keine Rechnung bekommen - aus »Billigkeitsgründen«. Lässt der Kleingärtner jedoch sein Gelände auf weitere Munition untersuchen, muss auch er dies bezahlen - wie die Kommunen am Seeburger See.

Dort kann wieder gesegelt, gerudert, geschwommen und auch geangelt werden. Die Sperrung ist aufgehoben - es wurde keine weitere Munition entdeckt.

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