Milliarden-Einkaufstour bei Airbus
Premier Li Keqiang revanchierte sich für erstklassige Behandlung mit Umweltbewusstsein und einem Großauftrag für die Flugzeugbauer
Wie ein Staatsoberhaupt wurde der chinesische Premierminister Li Keqiang bei seinem dreitägigen offiziellen Besuch in Frankreich behandelt. Der chinesische Regierungschef kam seinerseits aber auch demonstrativ dem französischen Präsidenten François Hollande entgegen, dem sehr an einem Erfolg des Klimagipfels im kommenden Dezember in Paris gelegen ist. Einen wichtigen Schritt dahin dürfte die Volksrepublik China mit ihrer in der französischen Hauptstadt abgegebenen Selbstverpflichtung zum Abbau klimaschädlicher Emissionen getan haben.
Auch ein Teil der mehr als 50 Verträge und Kooperationsabkommen, die im Verlauf des Besuchs von Li Keqiang mit französischen Konzernen unterzeichnet wurden, betreffen das hochaktuelle Thema Klimaschutz und Nachhaltigkeit. So vereinbarten beispielsweise der französische Suez-Konzern und die chinesische Großstadt Chongqing die Bildung eines gemeinsamen Unternehmens für die Trinkwasserversorgung und die Abwasseraufbereitung., Daran ist die Stadt aber zu 75 Prozent beteiligt und Suez nur zu 25 Prozent. Das zeugt vom Bestreben der chinesischen Seite, auch bei solchen technischen Vorhaben das Heft des Handelns in der Hand zu behalten.
Als spektakulär erwies sich der Aufenthalt des Staatsgastes in Toulouse. Bei Airbus wurde ein Vertrag über die Lieferung von mindestens 45 Maschinen vom Typ A330 im Wert von 16 Milliarden Euro signiert. Das sichert bei Airbus bis 2018 rund 10 000 Arbeitsplätze, beeilte sich die französische Regierung zu unterstreichen. In diesem Zusammenhang kündigte der Konzern die Eröffnung eines dritten Werks in China an. Dorthin werden Teile der Produktion verlagert - nicht zuletzt um Kosten zu sparen.
Vor allem aber kommt die Verlagerung dem chinesischen Wunsch nach Technologietransfer entgegen. So werden beispielsweise die Langstreckenflugzeuge A330 das Werk in Toulouse als flugfähige »Rohbauten« verlassen. Auf dem Luftweg gelangen sie nach Tianjin , wo der Innenausbau der Kabine erfolgt. Im Airbus-Werk von Tianjin werden heute schon Maschinen vom Typ A320 montiert, die für China bestimmt sind und mit denen Airbus bereits 20 Prozent des nationalen Marktes für Mittelstreckenmaschinen erobern konnte.
Auch an dem chinesischen Großvorhaben »Neue Seidenstraßen« wollen sich französische Unternehmen in großem Umfang beteiligen. Die Verkehrswege sollen das Land mit Europa verbinden. Vorgesehen sind dafür rund 300 Infrastrukturprojekte für den Gütertransport per Straße, Bahn oder über das Meer, für Gas- und Ölpipelines, aber auch für Hochspannungsleitungen und den Informationsaustausch per Internet.
In diesem Zusammenhang weilte der chinesische Premier am Mittwoch in Marseille am Sitz der führenden französischen und international drittgrößten Containerreederei CMA CGM, die maßgeblich für den Verkehr mit China tätig ist. Die Reederei legte zu Ehren des hohen Besuches extra ihren erst kürzlich in China gebauten Frachter »Orfeo«, der 10 000 Container befördern kann, vor Marseille auf Reede. Von ihrer fast 300 Schiffe umfassenden Flotte macht alle drei Stunden eins in einem chinesischen Hafen fest. Das Unternehmen ist dort bereits an zahlreichen Umschlagterminals beteiligt. Im Rahmen des Großprojekts Neue Seidenstraßen hat die Reederei jetzt ein Kooperationsabkommen unterzeichnet, das den Bau von neuen Containerterminals und Hafeninfrastrukturen in China im Gesamtwert von einer Milliarde Euro vorsieht.
Vorrangig politische Themen wurden bei den Begegnungen mit den Gastgebern - von Präsident François Hollande über Premier Manuel Valls bis zu Fachministern - nur am Rande behandelt. Heikle Fragen wie Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen in China wurden zumindest offiziell gar nicht angesprochen. In jedem Fall war der Besuch eine erfolgreiche Einkaufstour.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!