Paramilitärs haben staatliche Komplizen

Der Jurist Gustavo Gallón Giraldo über die Notwendigkeit, den Justizapparat zu säubern, damit der Friedensprozess eine echte Chance hat

  • Lesedauer: 3 Min.

Was hat der Friedensprozess bisher gebracht - ist Kolumbien sicherer geworden?

Ja, es ist sicherer im Land. Das belegen alle Indikatoren, auch wenn es eine Zunahme der Gewalt in den letzten Wochen gab. Wichtiger ist jedoch, dass es eine Perspektive gibt, dass ein Ende der Kampfhandlungen näher rückt, dass ein Ende der Menschenrechtskrise, ein Ende der latenten Straflosigkeit realistisch ist.

Wo sehen Sie die höchsten Hürden auf dem Weg zur Befriedung des Landes?

Die Existenz des Paramilitarismus ist eine entscheidende Hürde. Die hat von der Regierung einen neuen Namen verpasst bekommen, bandas criminales, kriminelle Banden. Die Umetikettierung geht noch auf die rechte Regierung von Álvaro Uribe Vélez zurück, der die Bevölkerung Glauben machen wollte, dass der Paramilitarismus Geschichte sei. Es hat allerdings nur eine große Personalfluktuation gegeben, an den Strukturen hat sich nichts geändert, auch wenn es je nach Zahlen heute nicht mehr 10 000 sein sollen, sondern 4000 bis 6000. Das ist jedoch ein kaum zu unterschätzender Faktor und es ist notwendig, ihnen entgegenzutreten. Das hätte eigentlich schon längst passieren müssen, aber die Prozesse gegen die paramilitärischen Comandantes und auch die Parapolítica-Prozesse haben gezeigt, dass die Paramilitärs Tausende von Komplizen in den staatlichen Strukturen haben - beim Militär, aber auch in den zivilen Strukturen wie der Staatsanwaltschaft, in den Behörden, den Bildungsreinrichtungen, der Verwaltung. Da ist ein Prozess der Säuberung unerlässlich.

Der Justiz kommt dabei eine Schlüsselrolle zu - hat sie denn auch den politischen Rückhalt?

Aus meiner Perspektive benötigen wir eine Strategie zur Bekämpfung der Paramilitärs, ein Konzept zur Säuberung der Institutionen von den Paramilitärs und eine Stärkung des Justizapparats. Es gibt Schwierigkeiten im Justizsektor, es fehlt an Personal, an Mitteln, um zu Ermitteln und am politischen Rückhalt, das ist richtig. Gleichwohl hat die Justiz durchaus Erfolge vorzuweisen wie die Prozesse am Obersten Gericht gegen die Politiker mit Verbindungen zu den Paramilitärs. Das sind wichtige Signale, auch wenn die Aktivitäten zuletzt zurückgingen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass in der kolumbianischen Justiz versierte Spezialisten arbeiten. Was fehlt, ist eine konsolidierte Strategie, ein Konzept für die Anforderungen der derzeitigen Situation des Landes und für die Zukunft und dazu brauchen wir mehr Personal, mehr Mittel und mehr politischen Rückhalt.

Politiker wie Iván Cepeda monieren zugleich, dass der Zugang zur Justiz für die einfachen Kolumbianer immer schwieriger wird und das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigt ist. Sind Reformen nötig?

Ja, wir haben das Problem, dass die Opfer in den Prozessen zu kurz kommen. Es gibt zwar Normen, die den Opfern alles Mögliche wie Opfer- und Zeugenschutzmechanismen garantieren, aber dafür stehen oft keine Ressourcen zur Verfügung. Folgerichtig muss der Staatsanwalt entscheiden, ob und wann die Opfer oder Zeugen was erhalten. Das ist ein Dilemma und es hat zur Folge, dass Opferentschädigung, Reparation und lückenlose Aufklärung in Kolumbien oft nicht gegeben sind. Es fehlt an Reformen, um den Opfern ein stärkeres Gewicht zu geben.

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