Bruchlandung vor Gericht
Billigairline Ryanair darf in Dänemark bestreikt werden, wenn sie sich weiter einem Tarifvertrag verweigert
Ryanair und die dänischen Luftfahrtgewerkschaften sind seit Langem auf Konfrontationskurs. Die kategorische Ablehnung eines von den Gewerkschaften vehement geforderten Rahmentarifvertrages durch die irische Billigfluglinie ließ von vorn herein wenig Platz für Kompromisse. Schon das erste Ryanair-Flugzeug, das am Flughafen von Kopenhagen landete, wurde für mehrere Stunden durch Aktivisten auf der Landebahn blockiert. Dem verbalen Schlagaustausch folgte die Ankündigung von Warnstreiks und Blockaden. Ryanair bezweifelte deren Rechtmäßigkeit und kündigte juristische Schritte einschließlich eventueller Schadenersatzforderungen an.
Um die rechtliche Lage klären zu lassen, wandte sich der Gewerkschaftsbund LO an das dänische Arbeitsgericht. Nach wochenlanger Prüfung entschied dieses in der vergangenen Woche zu Gunsten der Gewerkschaften. Das Urteil löste Jubel bei den Gewerkschaften aus, die sogleich Warnstreiks und Blockaden ankündigten, sobald die gesetzlich festgelegte Friedenszeit abgelaufen ist. In dieser Periode haben die Konfliktpartner nochmals die Möglichkeit, einen beiderseits akzeptablen Kompromiss zu erzielen.
Ryanair-Chef Michael O’Leary bezeichnete hingegen den Gerichtsbeschluss als bizarr und nicht akzeptabel für sein Unternehmen. Bereits im Vorfeld hatte er das sogenannte Dänische Modell, laut dem Unternehmen mit den Gewerkschaften einen Tarifvertrag aushandeln müssen, als veraltet und obskur bezeichnet.
So war es auch keine große Überraschung, dass Ryanair nur zwei Tage nach dem Urteil ankündigte, die Kopenhagener Basis schnellstmöglich zu schließen. »Gut bezahlte Jobs verschwinden aus Dänemark, aber Ryanair erwartet dafür weitaus bessere Bedingungen in Litauen«, drohte O’Leary bei der Verkündung der Entscheidung. Er war dafür eigens nach Dänemark gereist. Auch blies Ryanair eine gerade erst begonnene große Werbekampagne in Dänemark ab.
Wie gut bezahlt die Arbeit der Piloten und des Kabinenpersonals wirklich ist, bleibt jedoch Ryanairs Geheimnis. Der Billigflieger hatte sich bisher geweigert, Grundmodelle seiner Arbeitsverträge zu veröffentlichen. Die klagenden Gewerkschaften machten indes öffentlich, dass es zu den Arbeitsbedingungen bei Ryanair und anderen Billigairlines gehört, das Personal selbst für seine Uniformen und ID-Karten bezahlen zu lassen. Auch müsse es damit rechnen, das ihr Arbeitsland nach sehr kurzer Ankündigung geändert werde.
Den Gewerkschaften ging es vor Gericht um weit mehr als diese spezielle Tarifauseinandersetzung. Da sie auch weiterhin die wichtigste Kraft auf Seiten der Beschäftigten beim Aushandeln von Arbeitsbedingungen sein wollen, war ein Zurückweichen vor Ryanair keine Option. Dies machte sich jetzt bezahlt.
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