Leerstellen bei Lehrlingen

Noch 12 000 Ausbildungsplätze unbesetzt / Unternehmerverband wirbt um Azubis

Der Unternehmerverband Berlin-Brandenburg macht sich ernsthafte Sorgen um den Nachwuchs. Die klassische Ausbildung ist für viele unattraktiv. Eine Werbeoffensive für das duale System soll helfen.

Amina Kavuk ist der personifizierte Lebensplanungstrend. Sie ist jung und hat nie darüber nachgedacht, ihren Studienplatz gegen eine Ausbildung einzutauschen. Auch, dass sie Geld verdienen würde, während all ihre Freunde noch vom Taschengeld der Eltern leben, war ihr egal. Amina Kavuk studiert an der Freien Universität im sechsten Semester Chemie, bald muss sie ihre Bachelorarbeit abgeben. »Die Karrieremöglichkeiten sind mit einem abgeschlossenen Studium viel besser. Natürlich hat mich auch gereizt, dass in der Branche schon das Einstiegsgehalt relativ hoch ist.«

Amina Kavuk ist damit Teil einer Entwicklung, die sich seit Jahren abzeichnet. Im vergangenen Semester starteten rund 15 000 Erstsemester an den drei großen Berliner Unis. Insgesamt füllten im Wintersemester über 166 000 Studierende die Hörsäle und Seminare. Ein neuer Rekord. Bundesweit gab es 2014 erstmals mehr Studienanfänger als neue Auszubildende. Den Innungen und Kammern der Unternehmen gehen nun langsam die potenziellen Außenhandelskauffrauen oder Zerspanungsmechaniker aus. »Wir sind uns der Konkurrenz zum Studium sehr wohl bewusst«, sagt Christian Amsinck, Geschäftsführer des Unternehmerverbandes Berlin-Brandenburg (UVB) am Montag bei der Vorstellung einer neuen Broschüre, die zeigen soll, wie sehr sich die 60 Mitglieder des Verbandes ins Zeug legen, um die duale Ausbildung bei den Berliner Schulabgängern wieder beliebter zu machen. »Wir müssen dieses Ausbildungskonzept, um das wir in der ganzen Welt beneidet werden, zukunftsfähiger machen«, sagt Amsinck, »anspruchsvoller, spannender, technikorientierter.« In dem Heft tauchen dann auch auf Jugendsprache getrimmte Kampagnen wie »Rock Stars gesucht« des Unternehmerverbandes Mineralische Baustoffe oder die »Born2beTischler«-Initiative der Tischler-Innung Berlin auf. Hinter den spaßigen Slogans stecken jedoch ernsthafte Nachwuchssorgen. Allein in der Metall- und Elektroindustrie wird in Berlin zum Jahr 2020 jeder fünfte Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Zusätzlich klafft nach wie vor eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Noch bleiben sieben Wochen bis zum Beginn der neuen Ausbildungssaison und laut UVB sind 12 721 Stellen unbesetzt. Auf der Unbeliebtheitsskala ganz oben landen kaufmännische Berufe, Köche, das Hotelgewerbe oder Friseure und Gebäudereiniger. Dabei wirbt der UVB mit seit Jahren steigenden Vergütungszahlen. So bekommt ein Azubi laut IHK in Ostdeutschland aktuell im ersten Ausbildungsjahr im Schnitt 661 Euro monatlich, eine Erhöhung um 4,1 Prozent im Vergleich zu 2014. Eigentlich ist die Vergütung nicht als Gehalt gedacht, da viele Azubis in Berlin aber immer älter werden (im Schnitt sind sie zu Ausbildungsbeginn 21 Jahre), lässt sich damit schwer auskommen. »Eine alleinerziehende 28-Jährige hat andere Ansprüche als ein 16-jähriger Schulabgänger. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen«, sagt Julia Gustavus, Geschäftsführerin der Maler- und Lackiererinnung Berlin. Hinzu kommt, dass die Ausbildung nach wie vor ein schlechtes Image hat. Laut Studie des DGB machen 41 Prozent der Berliner Azubis regelmäßig Überstunden, müssen oft nachts und am Wochenende arbeiten und nur 27 Prozent können sicher sein, dass sie auch übernommen werden.

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