Zwei wie »Milch und Honig«
Bundeskanzlerin Merkel ermutigt EU-Beitrittskandidaten auf dem Balkan
Angela Merkel kam, sah - und verteilte eifrig Zuckerbrot. Ob in Albanien, Serbien oder Bosnien und Herzegowina: Die angespannten Mienen der nervösen Gastgeber sollten auf der zweitägigen Balkantour der deutschen Kanzlerin bald einem zufriedenen Lächeln weichen.
Überall werde anerkannt, dass Albanien auf dem Weg zum EU-Beitritt »große Fortschritte« mache, beschied sie in Tirana Regierungschef Edi Rama. Berlin wisse die Reformen und »große Kompromissbereitschaft« Belgrads im stockenden Kosovo-Dialog zu würdigen, sagte Merkel und stellte Serbiens Premier Aleksander Vucic die baldige Eröffnung der ersten Verhandlungskapitel beim EU-Beitrittsmarathon in Aussicht. Die Zukunft Bosniens liege Deutschland »am Herzen«, fand sie selbst in Sarajevo noch höfliche Ermunterungsfloskeln für Bosniens selbstblockiertes Politlabyrinth: Von der Entwicklung des Landes könnte »die ganze Region profitieren«.
Statt auf die übliche Knute der Reformermahnungen schien die Kanzlerin dieses Mal bewusst auf das Manna der warmen Worte zu setzen. Ihre frohen Botschaften kamen an. Strahlend sprach Vucic überschwänglich vom »Gipfel meiner politischen Karriere«. Auch die Presse zeigte sich am Donnerstag vom Süßholzraspeleinsatz der als »Europas Königin« gepriesenen Merkel berührt. Die Kanzlerin sei von Serbiens Reformen und Cevapcici »begeistert«, titelte aufgeregt das Boulevardblatt »Alo!«: »Serbien hat die Unterstützung Deutschlands!« Merkel und Vucic seien wie »Milch und Honig«, dichtete prosaisch die Zeitung »Blic«: »Auf Serbien prasselten die Lobeshymnen«.
Zwischen zwei Griechenlandgipfeln hatte sich die Kanzlerin auf ihre schon lange geplante Reise zu den gebeutelten Beitrittskandidaten aufgemacht. Neben der Botschaft des Festhaltens an der EU-Erweiterung schien sie mitten in der schwersten Krise des angeschlagenen Zweck- und Wohlstandsbündnisses auch das Signal aussenden zu wollen, dass sich die Welt keineswegs nur um das widerspenstige Athen drehe: Ausdrücklich war dem mitreisenden Pressetross aus Berlin beschieden worden, keine lästigen Fragen zu Griechenland zu stellen.
Doch die Griechenlandkrise reiste immer mit. Sicher sei Griechenland ein Freund Serbiens, so Vucic, der sich als gelehriger Musterschüler von Europas mächtigster Politikerin zu profilieren suchte: »Aber wir haben einen anderen wirtschaftlichen Weg gewählt, einen der uns zum Erfolg führt.« Er kenne Menschen, die sich fragten, »warum zum Teufel« man Mitglied der EU werden solle, wenn man Griechenland sehe, gestand Rama, bevor er sich nachdrücklich zum eingeschlagenen Weg der EU-Annäherung bekannte.
Ganz konnte sich auch die von ihren Gastgebern kräftig beweihräucherte Bundeskanzlerin einen Seitenhieb in Richtung Athen nicht verkneifen. Die Dinge in Griechenland liefen »ja nicht so erfolgreich«, bemerkte sie spitz in Belgrad: Der Pfad, den Serbien gewählt habe, sei nicht leicht, aber werde wie in Irland, Portugal oder Spanien »Früchte tragen«.
Ob die zur Freude Serbiens mit dem russischen Einsatz eines Vetos verhinderte Resolution des UN-Sicherheitsrates über »Völkermord« in Srebrenica oder die neuen Verwerfungen in Bosniens hoffnungslos zerstrittener Politiklandschaft: Dass es trotz der eifrig ausgetauschten Höflichkeitsfloskeln auch im darbenden EU-Wartesaal an allen Ecken und Enden kräftig knirscht, wurde von der Kanzlerin öffentlich kaum thematisiert. Vor allem frohe Botschaften waren bei Merkels Mission in Europas verarmten Vorhof angesagt. Denn neue schlechte Nachrichten aus Griechenland kommen bestimmt.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!