Bundesrat beschließt umstrittene Änderungen im Bleiberecht
Pro Asyl befürchtet Ausweitung der Abschiebehaft / Freie Fahr im Paternoste bleibt erlaubt / Länder dringen mit eigenem Entwurf auf Genpflanzen-Verbot / Antrag für Öffnung der Ehe für Alle
Update 12.50 Uhr: Länderkammer fordert erneut Ehe für Alle
Die Bundesländer haben ein Gesetz der großen Koalition zur weiteren Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften gebilligt. Die Regelungen stellen in rund 30 Gesetzen und Verordnungen, darunter im Güter- und Namensrecht sowie bei Schenkungen und Pfändungen klar, dass Rechte und Pflichten für Ehegatten auch für schwule und lesbische Lebenspartner gelten. Die Länder machten mit einem zusätzlichen Antrag jedoch nochmals deutlich, dass ihnen diese Regelungen nicht ausreichen und sie eine völlige Gleichstellung der eingetragenen Partnerschaft mit der Ehe wollen.
Im Antrag kritisiert die Länderkammer, dass das Gesetz der Koalition die Gleichstellung »in wesentlichen Rechtsgebieten, wie dem Adoptionsrecht, ausspart«. Im Zuge der Debatte um eine Gleichstellung der Homo-Ehe mit der Ehe zwischen Mann und Frau hatte sich Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) zwar für eine komplette Angleichung ausgesprochen. Der Koalitionspartner Union ist aber dagegen.
Länder mit Regierungsbeteiligung von SPD, Grünen und Linken hatten daraufhin im Bundesrat eine Initiative zur kompletten Gleichstellung gestartet. Ein entsprechendes Gesetz wird derzeit in den Ausschüssen beraten und soll nach der Sommerpause wieder auf die Tagesordnung kommen.
Der Bundesrat verabschiedete am Freitag zudem eine vom Land Berlin vorgelegte Entschließung, die den Bundestag zu einer Rehabilitierung und Entschädigung von nach 1945 aufgrund ihrer Homosexualität Verurteilten ausspricht. »Homosexuelle Handlungen« standen in der Bundesrepublik nach dem Paragrafen 175 noch bis 1969 unter Strafe, in der DDR bis 1968. Komplett abgeschafft wurde der Paragraf in der Bundesrepublik erst 1994.
2002 entschied der Bundestag, die unter den Nationalsozialisten gefällten Urteile gegen Homosexuelle pauschal aufzuheben. Seit 2004 stehen den Betroffenen auch Entschädigungen zu. Eine Rehabilitierung der nach 1945 Verurteilten ist politisch und auch juristisch umstritten.
Update 12.40 Uhr: Bundesrat fordert Verbot von Pelzfarmen
Der Bundesrat will Pelztierhaltung in Deutschland langfristig verbieten. Am Freitag beschloss die Länderkammer in Berlin einen entsprechenden Gesetzesentwurf. Der Antrag geht auf eine Initiative des Landes Schleswig-Holstein zurück, Landesumweltminister Robert Habeck (Grüne) forderte eine Änderung des Tierschutzgesetzes: Das Züchten und Töten von Tieren wie Füchsen, Nerzen oder Chinchillas für die Pelzgewinnung sei nicht für die Sicherung elementarer Grundbedürfnisse des Menschen nötig und daher auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
»Wir wollen, dass kein Tier mehr in Nerzfarmen getötet werden darf«, sagte Habeck dem Online-Portal heute.de. »Es wird Zeit, dem Elend ein Ende zu setzen.«
Ein mögliches Verbot von Pelzfarmen wird darauf gestützt, dass das Töten von Tieren zur reinen Fellgewinnung keinen vernünftigen Grund gemäß Paragraph 1 des Tierschutzgesetzes darstellt. Allerdings sollen die verbliebenen Nerzfarmen in Deutschland eine Übergangsfrist von zehn Jahren bekommen. Laut Angaben des Deutschen Tierschutzbunds gibt es noch acht Nerzfarmen hierzulande.
Der Tierschutzbund begrüßte die Entscheidung des Bundesrats: »Wir loben den politischen Vorstoß«, erklärte Präsident Thomas Schröder. Er forderte den Bundestag auf, »nun ebenso schnell zu handeln, damit nicht weitere hunderttausende Pelztiere ihr Leben für den Luxuswahn mancher Menschen lassen müssen«. Nach dem Beschluss im Bundesrat muss der Gesetzentwurf noch im Bundestag beraten und verabschiedet werden.
Update 12.10 Uhr: Zuschuss für Elektroautos
Beim Kauf eines Elektroautos sollen Privatpersonen nach dem Willen des Bundesrats einen Zuschuss von 5000 Euro bekommen. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung mehrheitlich auf, eine solche Umweltprämie zu prüfen. Zudem sollen Elektrofahrzeuge steuerlich stärker gefördert werden. Ein diesbezüglicher Gesetzentwurf aus Hessen wird in den Bundestag eingebracht. Er sieht unter anderem eine Sonderabschreibung für gewerblich genutzte Autos und die Förderung von Ladestationen im betrieblichen Bereich vor. Dies soll Unternehmen zu entsprechenden Investitionen bewegen. Mittelfristig soll so auch ein Gebrauchtwagenmarkt für Elektrofahrzeuge geschaffen werden.
Update 11.50 Uhr: Freie Fahrt im Paternoster
Die Fahrt mit Paternoster-Aufzügen bleibt allen Bürgern erlaubt. Der Bundesrat stimmte einer Änderung der so genannten Betriebssicherheitsverordnung zu. Demnach werden diese Aufzüge in Behörden und Betrieben wieder für die Allgemeinheit geöffnet. Eine ursprüngliche Regelung sah vor, dass nur die jeweiligen Beschäftigten in den Paternoster steigen dürfen.
Dies rief aber heftige Kritik hervor. Das Bundeskabinett beschloss daher die nun von der Länderkammer gebilligte Änderung, nach der die so genannten Umlaufaufzüge für die Allgemeinheit offen bleiben, wenn der Schutz vor Gefährdungen verbessert wird. Dazu zählen neben zusätzlichen technischen Maßnahmen etwa die Aufklärung über Gefahren und sicheres Verhalten sowie das Verbot, Lasten zu transportieren.
Derzeit gibt es nach Angaben des Arbeitsministeriums in Gebäuden von Wirtschaft und Verwaltung noch 250 Paternoster. Sie finden sich etwa im Bundesfinanzministerium, dem Auswärtigem Amt in Berlin oder dem Stuttgarter Rathaus.
Update 11.40 Uhr: Länder dringen mit eigenem Entwurf auf Genpflanzen-Verbot
Im Streit um das geplante Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen erhöhen die Länder den Druck auf Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU). Rheinland-Pfalz und andere grün mitregierte Länder brachten am Freitag einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundesrat ein, der ein bundesweites Verbot vorsieht. Schmidt strebt dagegen Verbote auf Länderebene an, weil er das für die rechtssicherste Methode hält.
Hintergrund ist, dass die EU-Staaten bald mehr Spielraum bekommen, den Anbau europaweit zugelassener Genpflanzen auf ihrem Gebiet zu verbieten. Dafür müssen in jedem Einzelfall zwingende Gründe vorgewiesen werden, pauschale Anbauverbote oder -beschränkungen sind nicht möglich. Schmidt will die sogenannte Opt-out-Richtlinie der EU bis Herbst in nationales Recht umsetzen.
Aber auch innerhalb der Bundesregierung gibt es Widerstand: Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ist anders als ihr CSU-Kollege für eine bundesweite Regelung. Als Kompromiss hatte Schmidt seinen Gesetzentwurf bereits erweitert.
Die neue Fassung sieht die Einrichtung eines Anbauausschusses aus Experten und Vertretern von Bund und Ländern vor. Die 20 Mitglieder sollen für jede Pflanze im Einzelfall gemeinsam entscheiden, welche zwingenden Gründe für ein Verbot sprechen und eine nationale oder regionale Umsetzung empfehlen. Den Ländern geht das nicht weit genug.
Umstrittene Abschiebpraxis beschlossen
Berlin. Der Bundesrat hat umstrittenen Änderungen beim Bleiberecht für Flüchtlinge zugestimmt, fordert aber weitere Verbesserungen. Durch das am Freitag von der Länderkammer gebilligte Gesetz erhalten bislang Geduldete einen gesicherten Aufenthaltsstatus, wenn sie bestimmte Integrationsleistungen erbracht haben. Zudem wird die Möglichkeit verbessert, einem gut integrierten jungen Menschen einen Aufenthalt zu gewähren. Auch verbessert sich das Aufenthaltsrecht für die Opfer von Menschenhandel.
Zugleich tritt an die Stelle des bisherigen dreistufigen Ausweisungsrechts ein neues Verfahren, das unter Berücksichtigung des Einzelfalls Bleibe- und Ausweisungsinteressen abwägt. Bei der Frage der Ausweisung sollen »Extremismus« und »Terrorismus« eine größere Rolle spielen als bisher. An die Stelle der bisherigen »Kleinen Sicherungshaft« tritt das Ausreisegewahrsam, wenn der Termin der Abschiebung konkret bevorsteht. Die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl kritisiert, mit dem neuen Gesetz werde die Abschiebehaft erheblich ausgeweitet. »Damit werden rechtliche Möglichkeiten geschaffen, mit denen in einer unabsehbaren Zahl von Fällen Menschen in Haft genommen werden können, die über einen anderen EU-Staat einreisen. Das ist inakzeptabel. Flucht ist kein Verbrechen!«, erklärte Günter Burkhardt, Geschäftsführer von Pro Asyl, im nd-Interview.
»Das Gesetz reagiert auf die aktuellen Herausforderungen in der Migrationspolitik«, sagte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), im Bundesrat. Es habe eine »einladende« Botschaft für gut integrierte Flüchtlinge und eine »abweisende« Botschaft für nicht schutzbedürftige Asylsuchende. »Wir brauchen beides, um langfristig die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten«, rechtfertigte Schröder die Maßnahmen.
Der Thüringer Minister für Bundesangelegenheiten, Benjamin-Immanuel Hoff (LINKE), kritisierte das »Menschenbild, das zwischen den Zeilen des Gesetzes auftaucht«. Es dränge sich der Eindruck auf, »dass in schutzwürdige und nicht schutzwürdige Flüchtlinge unterschieden wird«, sagte Hoff.
In einer begleitenden Entschließung kritisieren die Länder, dass in dem Gesetz ein Aufenthaltsrecht für jugendliche oder heranwachsende Geduldete fehle, die in Deutschland eine Ausbildungsstelle gefunden haben. Zudem sprechen sich die Länder dafür aus, die Pflicht zum Sprachnachweis vor der Einreise beim Ehegattennachzug abzuschaffen. AFP/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.