Wild-West-Slapstick im Leinwandkino mit Brettformat
Es wird geballert, geboxt, geraubt: In »Colt Express«, dem 2015er »Spiel des Jahres«, überfallen die Spieler einen Eisenbahnzug und wollen möglichst viel Beute machen. - Ein schroffer Gegensatz zu den heilen Welten, in denen Brettspiele üblicherweise handeln. »Parodistisch«, sagt die Kritikerjury und hebt den Slapstickcharakter hervor.
»Colt Express« versetzt zwei bis sechs Spieler in den Wilden Westen und fühlt sich an wie Leinwandkino im Brettspielformat. Der 26-jährige französische Autor Christophe Raimbault setzt gern auf Action. Und so verläuft auch »Colt Express«. Die Banditen springen von Waggon zu Waggon und tricksen den Marshal aus. Bleikugeln fliegen ihnen dabei nur so um die Ohren.
Statt auf einem herkömmlichen Spielfeld bewegen sich die Revolverhelden auf einem dreidimensionalen Pappmodell: eine Lok und mehrere Waggons. Mit Richtungs- und Aktionskarten steuern die Spieler ihren Ganoven - immer mehrere Schritte im Voraus. Erst später zeigt sich, ob die Pläne aufgehen. Zwischenzeitliche Faustkämpfe oder der Besuch des Marshals lassen das Opfer unfreiwillig den Standort wechseln, was seine weiteren Absichten meistens durchkreuzt.
Die überraschenden Kettenreaktionen sind der Höhepunkt einer jeden Partie. Der ganze Tisch johlt, wenn jemand ungewollt Luftlöcher boxt oder Geldbörsen aufklauben will, wo keine sind. Je mehr hier mitmischen, desto besser. Erst ab vier Spieler wird »Colt Express« richtig fetzig, und es wird ordentlich ausgeteilt. Wer Spaßhaben haben will, sollte auch einstecken können.
Udo Bartsch
Spiel des Jahres: »Colt Express« von Christophe Raimbault, Ludonaute, für zwei bis sechs Spieler ab 10 Jahre, ca. 30 Euro.
Kennerspiel des Jahres: »Broom Service« von Andreas Pelikan und Alexander Pfister, alea, für zwei bis fünf Spieler ab 10 Jahre, ca. 40 Euro.
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