Die letzten Wiener Hürden sind sehr hoch
Eine Vereinbarung über das Atomprogramm Irans hängt an der Einigung in vier wesentlichen Fragen
Im Wiener Palais Coburg hatte man sich längst auf weitere Verlängerung eingestellt. Als Mitte der Woche verkündet worden war, die 5+1-Gespräche um das iranische Atomprogramm seien noch nicht zu Ende gekommen, signalisierten auch alle beteiligten Außenminister, dass sie selbstverständlich weiter bereitstünden. Aber auch die Frist Freitag, 6 Uhr, ist inzwischen verstrichen, und die Beobachter vor Ort außerhalb des Verhandlungssaales können nicht einmal schlüssig mitteilen, ob man wenigstens etwas weiter sei als am Dienstag.
Stattdessen gibt es blumige Beschreibungen des Sachstandes durch beteiligte Politiker, die sich in einem gleichen: in der Inhaltslosigkeit ihrer Aussagen. Wird auch am Sonntag noch verhandelt werden? Vielleicht, sagt der britische Außenminister Philipp Hammond. Er sei zuversichtlich, dass die Unterhändler in den »kommenden zwölf Stunden« vorankommen würden. Und wenn nicht? Man bleibe in Wien »so lange wie nötig«, beschied der französische Außenminister Laurent Fabius wartende Journalisten.
Etwas entschiedener gab sich US-Außenminister John Kerry beim Betreten des Pressesaals, strahlend wie bei einer Wahlkampfveranstaltung. Allein der Umstand, dass er sich auf zwei Krücken stützen musste, hielt ihn wohl davon ab, der Menge zuzuwinken: »Wir werden es nicht überstürzen, und wir werden uns auch nicht drängen lassen.« Die Verhandlungen liefen noch, weil der Glaube an ein umfassendes Abkommen da sei. »Aber wir werden nicht auf ewig am Verhandlungstisch sitzen«, zitierte AFP Kerry. Da kann sich nun jeder etwas heraussuchen.
Die Äußerung des deutschen Sprechers brachte den Erkenntnisstand auch nicht weiter, deutete aber wenigstens die iranischen Schmerzpunkte an: »Wir sind weiter guten Mutes, dass eine Lösung in unserem Sinne möglich ist«, so Außenamtssprecher Martin Schäfer am Freitag in Berlin weitab vom Schuss. Notwendig sei eine »lückenlose und wasserdichte Vereinbarung«, die sicherstelle, dass Iran kein militärisches Atomprogramm verfolgen könne.
Das Problem ist aber: Dies ist nicht möglich, ohne das Land unter totale Kuratel zu stellen oder es von Importen abhängig und damit jederzeit erpressbar zu machen. Das ist es, was die iranische Verhandlungsführung mit »Wahrung der nationalen Würde« umschreibt. An Teheran solle eine Einigung aber nicht scheitern. »Wir werden den Verhandlungstisch niemals verlassen«, sagt Außenminister Mohammed Dschawad Sarif mit diplomatisch verbissenem Lächeln in die Kameras. Wenn die andere Seite ebenfalls eine ausgewogene Einigung anstrebe, sei diese »zum Greifen nahe«.
Die Knackpunkte zu benennen, überließ er iranischen Medien. Der Fernsehsender Al-Alam spricht von vier Hauptproblemen: Es geht um die Intensität und Tiefe der Inspektionen in iranischen Industrieanlagen, die Teheran in der bis Freitag von den USA geforderten Weise viel zu weit geht; strittig ist weiter die von Iran verlangte Aufhebung des Waffenembargos einschließlich vom Westen verlangter Inspektionsrechte für militärische Objekte in Iran; uneinig ist man sich ferner über die Geltungsdauer des zu unterzeichnenden Abkommens; vor allem aber: Iran fühlt sich, sollte es seinen Teil der Vereinbarung erfüllen, bislang nicht belohnt. Die »etappenweise Aufhebung der gegen Iran verhängten Strafmaßnahmen« wird von Teheran inoffiziell als »Fortsetzung des Embargos« bezeichnet. Kerry erklärte am Freitag lapidar, das Abkommen sei nicht fertig. Da der US-Kongress einen Monat Zeit zugestanden bekam, es abzuklopfen, jetzt aber erst mal für einen Monat in die Ferien gehe, habe sich die Prüfungszeit bereits auf zwei Monate verdoppelt. Und vorher soll keine einzige Strafmaßnahme ausgesetzt sein. Bestimmt also auch die Länge der US-Parlamentsferien, wann das Embargo endet? Aber noch ist ja nicht einmal etwas unterschrieben, und eine Verlängerung der Gespräche über den Sommer hinaus durchaus denkbar.
Von Russland, das ja auch mit am Verhandlungstisch sitzt, gab es am Freitag öffentlich keine Prognose, auch von China nicht. Zumindest was Russland betrifft, hat eine Verständigung mit Iran stattgefunden. Präsident Wladimir Putin und sein iranischer Amtskollege Hassan Ruhani haben am Donnerstag ganz demonstrativ eine engere Zusammenarbeit im Militärbereich vereinbart.
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