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Messe für einen Hanfpatrioten

In einer einstigen Münchner Kanonenhalle feiert die Kultgemeinde einen verbotenen Stoff - mittendrin Hasch-Rebell Cerveny

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 6 Min.
Die »Cannabis XXL« soll Werbeplattform auch für ein Volksbegehren sein, das ein 54-Jähriger zur Legalisierung des verbotenen Stoffes verfolgt. Doch auch Verbündete hegen Zweifel an seiner Strategie.

Koch Denis ist Berliner und legt sich mächtig ins Zeug: »Wir in der Küche arbeiten gern mit Hanf. Hanf ist mehr als eine Droge«, sagt er in ein Mikrofon, während er emsig Knoblauch und Zwiebeln schneidet und Hanf-Kasspatzen in der Pfanne rührt. Mit »Kasspatzen« - ein Wort das er in seiner Berliner Tonfärbung durchaus verständlich ausspricht - versucht er das Publikum zu beeindrucken, hier in der Zenith-Halle ganz im Norden Münchens. Denn auf dem Gelände eines ehemaligen Bundesbahnausbesserungswerks hat am Freitag »Deutschlands einzige Hanf-Messe«, die »Cannabis XXL« eröffnet. 50 Aussteller aus sieben Ländern zeigen auf 5000 Quadratmetern viele Dinge rund um das grüne Gewächs. Veranstalter ist Vaclav Wenzel Cerveny, Ex-Gastronom, Gründer des »Cannabis Verbandes Bayern« und Initiator des Volksbegehrens »Ja zu Cannabis«.

Die denkmalgeschützte Zenith-Halle wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Krupp gebaut, damals wurden hier Geschütze gefertigt. Heute stößt man linker Hand auf den Schweizer Nachtschattenverlag - ein Verlag für »unabhängige Menschen«. Die Bücher auf seinem Verkaufsstand zeigen auch gleich das Thema dieser Messe an. Die Titel lauten »Der Cannabis-Irrsinn. Warum uns das Verbot schadet«, behandeln Themen wie »Cannabis und Führerschein« oder geben Anleitungen zum »Backen mit Hanf«.

Auf der anderen Seite der Halle hat Martin aus dem tschechischen Pilsen seinen buntbemalten, riesigen Bus geparkt. Davor verkauft der 31-Jährige Hanf-Speiseeis, schenkt Hanf-Cidre und Hanf-Limonade aus. Zu Hause baut er zwölf Hektar Cannabis an und verkauft die Erträge an die Industrie, er selbst braut an die 3000 Liter Cidre pro Jahr. Der Pilsener vertritt eine von mehreren tschechischen Firmen hier auf der Messe. Seit das Nachbarland die Verwendung von Cannabis liberalisiert hat, ist eine eigene Branche entstanden. Eva Kellerova zum Beispiel verkauft Hanf-Tee, Hanf-Samen und Hanf-Mehl (750 Gramm zu 4,50 Euro). Einen Stand weiter bietet »konopny-beton« aus Prag »Bio-Beton« auf der pflanzlichen Grundlage von Hanf an.

Es gibt fast nichts, was es nicht auch mit Hanf gäbe. Limonade (»Zero Bock - Entschleunigt chillen mit der lila Dose«) oder Bier (»Canny-Pils - Jetzt neu mit dem unnachahmlichen Geschmack von Hanf«), Haar-Shampoo, Hautsalbe, Lippenbalsam, Massage-Öl oder Kleidung - alles natürlich ohne THC, den Stoff, der für die berauschende Wirkung des »Haschisch« verantwortlich ist. Der fällt in Deutschland unter das Rauschmittelgesetz und ist verboten.

Das will der bayerische Cannabis-Verbandschef Cerveny ändern. Sein Ziel ist ein »Bayerisches Hanf-Gesetz«, wonach der Anbau der Pflanze als Medizin, Rohstoff und Genussmittel für über 18-Jährige erlaubt sein soll. In Paragraph 1 des angestrebten Gesetzes heißt es: »Hanf (Cannabis) unterliegt in Bayern nicht dem Betäubungsmittelgesetz«. Und in Paragraph 3: »Der Freistaat Bayern trägt Sorge für den Anbau und die Verteilung natürlicher Hanfprodukte an seine Bürger.« 25 000 Unterschriften braucht Cerveny, um einen Volksentscheid anzustoßen, und die hat er mittlerweile gesammelt. Zur Sicherheit sollen es aber noch ein paar mehr werden. Die Messe soll auch eine Werbeplattform für sein Volksbegehren sein. »Wir spüren eine regelrechte Aufbruchstimmung in Bayern, was die notwendige Legalisierung von Hanf angeht«, so der 54-Jährige, der von der Presse den Titel »Hasch-Rebell« verliehen bekam.

Mit dabei ist zum Beispiel die FDP. Die aus dem bayerischen Landtag geflogene Partei ist auf der Messe mit einem Stand vertreten. »Kiffer tun niemanden etwas zu Leide, sie schaden höchstens ihrer eigenen Gesundheit. Genau wie Leute, die rauchen, Bier trinken, zu viel Fett und Zucker essen oder zu wenig Sport treiben«, meint Albert Duin, Landesvorsitzender der FDP. Er plädiert wie Cerveny für eine Änderung der Drogenpolitik. Deutschland sollte den Anbau von Hanf legalisieren und in lizensierten Läden den Verkauf an Volljährige erlauben. Ähnlich sieht das am Stand daneben die bisher nicht wirklich der Öffentlichkeit bekannte »Partei der Vernunft« und auch am Messestand der »Piratenpartei« heißt es »Legalize it!«.

Doch so sehr sich die bayerischen Cannabis-Freunde in der Sache einig sind, stehen bei weitem nicht alle hinter dem Volksbegehren von Cerveny. Das mag mit seiner ehemaligen Mitgliedschaft in der Bayernpartei zu tun haben, im Januar ist er dort allerdings wieder ausgetreten. Die bayerischen Patrioten pflegen bekanntlich ihre eigene Perspektive auf die Welt und dabei spielt der weißblaue Freistaat eine zentrale Rolle. In rechtlicher Hinsicht gilt dies allerdings nur bedingt. Da heißt es »Bundesrecht bricht Landesrecht«, nicht umgekehrt. Und weil das Volksbegehren auf eine Änderung des Bundesrechtes in einem Bundesland zielt - eben die Freigabe von Cannabis und damit die Änderung des Betäubungsmittelgesetzes - gilt es als wahrscheinlich, dass der bayerische Innenminister nach der Einreichung von 25 000 bestätigten Unterschriften in seiner rechtlichen Prüfung zu einem ablehnenden Urteil kommt. Cerveny rechnet selbst nicht damit, dass das Ministerium das Volksbegehren zulässt und kündigte vorbeugend eine Klage an: »Dann geht es vors Verfassungsgericht.«

Andere Cannabis-Gruppen wie der Münchner Hanftag gehen zum »Bayerischen Hanf-Gesetz« auf Distanz. »Wir sind da inhaltlich nicht konform«, so Hanftag-Pressesprecherin Katharina Walter. Ein derartiges Gesetz sei auf Landesebene nicht durchsetzbar. Der »Münchner Hanftag« ist eine Art Arbeitsgemeinschaft mit dem Ziel, den Genuß von Cannabis zu legalisieren. Und auch die Grünen machen nicht mit beim Volksbegehren. »Einen bayerischen Alleingang wird es nicht geben«, sagt Ulrich Leiner, gesundheitspolitischer Sprecher der Grünen im Bayerischen Landtag, bei seinem Rundgang auf der Hanf-Messe.

Im Landtag kämpft der Biobauer aus dem Allgäu für die Legalisierung von Haschisch und hat auch schon einen Erfolg erzielt. Zwar ist die Staatsregierung klar gegen eine Freigabe von Haschisch und Marihuana, im Gesundheitsausschuss stimmte die CSU aber dem Grünen-Antrag zu, den Zugang zu Cannabis als Medizin für Schmerzpatienten zu erleichtern. Die Staatsregierung muss sich jetzt auf Bundesebene für die Verwendung von Cannabis als Schmerzmittel als Kassenleistung einsetzen.

Neben der bayerischen Cannabis-Front gibt es auch im Bundestag eine entsprechende Gesetzesinitiative der Grünen. Die LINKE tritt dort gar für einen interfraktionellen Antrag zur Cannabislegalisierung noch in dieser Legislaturperiode ein. Damit könnten auch die mit dem Cannabisverbot verbundenen Probleme wie Gefährdungen durch Streckmittel, Überdosierung oder Infektionskrankheiten angegangen werden.

Doch zurück zur Münchner Hanf-Messe. So lange das berauschende Kraut noch nicht legalisiert ist, könnte ein auf der Messe vorgestelltes, unscheinbares Büromöbel helfen. Für 1390 Euro lässt sich eine sogenannte »Hazelbox« erstehen. Das ist ein 120 Zentimeter hoher, verschließbarer Schrank, innen ausgerüstet mit Luftfilter, LED-Lampe und Ventilator. Damit lassen sich völlig unproblematisch und ohne Geruchsentfaltung zu Hause »Tomaten« ziehen, wie Erfinder Philipp Frost sich ausdrückt. Aber wohl auch andere Pflanzen. »Die Kunden«, sagt der 29-Jährige, »sind eher ältere Leute mit Familie«.

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