Airline verbietet Kaugummi
Die russische Fluggesellschaft Pobeda will die hohen Reinigungskosten reduzieren
Barack Obama, der wohl weltweit prominenteste Kaugummi-Fan, würde am Boden bleiben, wollte er bei Pobeda einchecken wollen. Pobeda heißt Sieg und siegreich will die russische Airline auch aus dem Kampf gegen die allgemeine Verpixelung der Welt mit dem Symbol für den american way of live hervorgehen. Seit Mitte Juni gilt an Bord ein rigoroses Kaugummiverbot. Prügelstrafen wie in Singapur müssen ertappte Sünder zwar nicht fürchten, wohl aber den Eintrag in eine schwarze Liste Unerwünschter, die künftig bei der Konkurrenz buchen müssen. So diese nicht dem Beispiel folgt.
Das Pobeda-Management ließ sich bei dem in der zivilen Luftfahrt weltweit bisher einmaligen Vorgang allerdings nicht von den Empfindlichkeiten der werten Kunden leiten, denen der Appetit vergeht, wenn beim Ausfahren das Klapptisches unerwartet an den eigenen Händen kleben bleibt, was andere zuvor im Mund hatten. Es waren vielmehr die Betriebskosten. Die Passagiere, klagen Generaldirektor Andrej Kalmykow und seine Pressechefin, würden nicht nur Sitze - gern auch die auf dem Klo - mit dem Gekauten verunzieren, sondern auch die Ausgänge des Bordbelüftungssystems. Damit das Aggregat wieder normal arbeitet, müsse die Airline im Extremfall schon mal 100 000 Rubel - das sind knapp 1600 Euro - löhnen.
Herbe Verluste fährt Pobeda indes nicht nur durch das Kauen, sondern auch durch das Klauen ein. Die Fluggäste, so der Generaldirektor, würden Schwimmwesten und Karten mit Sicherheitshinweisen als »Andenken« von Bord schleppen. Um die Sammelwut zu dämpfen, habe Pobeda die Entwicklung von Markern ausgeschrieben, die - akustisch oder optisch - Alarm schlagen, sobald die Souvenirjäger mit ihrer Beute die Kabine verlassen. Durch das Mausen seien der Airline in diesem Jahr bereits Verluste von rund 100 000 Euro entstanden, sagt Kalmykow. Für Pobeda ein schwerer Brocken, der an den Grundfesten des Billigflieger-Geschäftsmodells rüttelt.
Die Airline, das im Dezember 2014 an den Start ging und in diesem Jahr 3,2 Millionen Passagiere durch die Luft kutschieren will, ist bereits der zweite Versuch von Staatscarrier Aeroflot, mit einer eigenen Billigmarke den Markt aufzumischen. Ab 2018 auch den internationalen. 45 Ziele - darunter auch Berlin - will die Airline mit insgesamt 40 Maschinen dann anfliegen. Derzeit besteht die Flotte aus zwölf Flugzeugen, die 25 Strecken in Russland bedienen. 17 davon vom Moskauer Flughafen Wnukowo aus.
Und es ist keineswegs »Aeroschrott«, wie Bedenkenträger stets argwöhnen, wenn es um Russland geht. Pobeda fliegt mit nagelneuen, geleasten Boeings. Ukraine-Krise her, Sanktionen hin: der US-Konzern schert sich einen feuchten Kehricht um die hohe Politik. Geld stinkt bekanntlich nicht und Fressen kommt vor der Moral. Erzkonkurrent Airbus dagegen hatte Dobroljot - dem Pobeda-Vorgänger, der auch die Krim anflog - im Sommer 2014 die Leasing- und Wartungsverträge gekündigt und damit nicht nur die Aeroflot-Tochter in die Insolvenz getrieben, sondern selbst herbe Verluste eingefahren.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.