London will WhatsApp verbieten
Die als Maßnahme gegen Terroristen gedachte Überlegung löst einen Aufschrei der Entrüstung aus
London. Die Briten hat die sogenannte Snooper’s Charter, zu deutsch Schnüffel-Charta, bislang eher weniger interessiert. Grundsätzliche Datenschutzfragen werden auf der Insel generell weniger gestellt. Doch seit bekannt geworden ist, dass der Gesetzesentwurf mit dem offiziellen Titel Investigatory Powers Bill auch auf beliebte soziale Netzwerke wie WhatsApp, Facebook oder Snapchat übergreifen könnte, sie sogar verboten werden könnten, tobt das Netz.
Verschlüsselung ist nicht gewünscht
Die Reaktionen reichen von Ironie bis Verbitterung. »Erst hat Thatcher uns die Milch geklaut, nun stiehlt Cameron uns WhatsApp, wahrscheinlich, weil keiner ib seinen Gruppen sein will«, schreibt ein Twitter-Nutzer. Ein anderer kommentiert: »Die Vorstellung, dass Snapchat und WhatsApp verboten werden könnten, weil die Regierung die Nachrichten der Menschen nicht lesen kann, ist lächerlich.«
Das Problem mit den Plattformen ist aus Sicht der Regierung, dass viele dieser Dienste die Nachrichten ihrer Nutzer verschlüsseln, um sie so vor Einsicht Dritter zu schützen. Die Schnüffel-Charta hingegen - sollte der Entwurf zum Gesetz werden - würde es aber erforderlich machen, dass die Kommunikation mehr als ein Jahr gespeichert werden müsste. Nicht nur die Anbieterfirmen, sondern auch Internetanbieter, Telefonnetzbetreiber und Technologiefirmen müssten sämtliche Aktivitäten ihrer Benutzer aufzeichnen – zum Beispiel für den Fall, dass die Polizei oder der britische Inlandsgeheimdienst MI5 Einsicht verlangen. Ziel ist es sicherzustellen, dass der Staat nicht an der Überwachung digitaler Kommunikation gehindert werden kann.
Regierung hat es eilig
Bereits im Januar hatte Premierminister David Cameron im Hinblick auf mögliche terroristische Anschläge im Insel-Königreich gesagt: »Müssen wir in unserem Land Kommunikationswege hinnehmen, die wir nicht mitlesen können? Nein, das müssen wir nicht.« Er werde als Premierminister sicherstellen, dass Terroristen in Großbritannien keinen sicheren Kommunikationsort haben. Innenministerin Theresa May ließ im Hinblick auf die jüngsten Terroranschläge in Frankreich und Tunesien durchblicken, dass die Regierung versuchen werde, den Gesetzesentwurf bereits im Herbst in ein Gesetz umzuwandeln. Laut der Datenschutzorganisation Big Brother Watch beantragt die britische Polizei zurzeit alle zwei Minuten Zugang zu persönlichen Metadaten wie E-Mail, SMS oder Telefonanrufen.
Ex-Vizepremier übt Kritik
Widerstand gegen die mögliche Sperre von WhatsApp und anderen regt sich allerdings nicht nur in den Reihen der Jugendlichen, die ausgiebig die sozialen Netzwerke nutzen. Auch Camerons ehemaliger politischer Partner, der Liberaldemokrat und Ex-Vizepremier Nick Clegg, der während seiner Amtszeit die Schnüffel-Charta mit seiner Partei blockiert hatte, sagte zu den Plänen der Regierung: »Wir haben jedes Recht, in die Privatsphäre von Terroristen einzudringen und von denjenigen, von denen wir vermuten, dass sie uns schaden wollen; aber das sollten wir nicht gleichsetzen mit der Invasion der Privatsphäre jedes einzelnen Menschen in Großbritannien.« Er fürchte eine dramatische Veränderung in der Beziehung zwischen Staat und Individuum.
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