Wer die Rohrdommel stört
Unternehmen aus Ulm plant im Norden Pankows Rodelbahn und Wasserskianlage
Seit ein paar Monaten besitzt Pankow mit den Arkenbergen die höchste Erhebung Berlins. Da ist es kein Wunder, dass es hier auch freizeitmäßig hoch hinaus gehen soll. Die Heim Deponie und Recycling GmbH, der das Areal gehört, plant ein Naherholungsgebiet mit allen Schikanen: eine 800 Meter lange Sommerrodelbahn, gern auch im Winter nutzbar, Kletterpark, Naturtheater und eine Wasserskianlage für den Kiessee am Fuße des Berges. Komplettiert werden soll das Ganze mit den entsprechenden gastronomischen und Beherbergungskapazitäten: Bergbaude, Strandcafé, Hotel und Stellplätzen für Wohnmobile.
»Wir stehen noch ganz am Anfang«, sagt Peter Blum, kaufmännischer Leiter des Unternehmens aus Ulm. »Zunächst müssen wir erst mal die Rekultivierung abschließen, und die Berliner Behörden müssen unser Projekt mit der Nutzungsänderung genehmigen.« Noch gelten die Arkenberge nicht als Naherholungsgebiet, sondern als Deponie. Ursprünglich um die 70 Meter hoch, wurden ihre Kiesvorkommen u.a für den Autobahnbau genutzt. So entstanden die beiden Baggerseen. Auf einem anderen Teil wurde seit den 80er Jahren Bauschutt aufgeschüttet, ein beachtlicher Berg mit zwei Gipfeln wuchs in die Höhe, von denen der größere mit 122 Metern den Teufelsberg im Grunewald um knapp zwei Meter überragt.
1998 war Schluss mit dem Schuttnachschub, seitdem wird die Kippe zu einem ansehnlichen Berg geformt und renaturiert. Das erledigt das schwäbische Familienunternehmen, das das kleine Gebirge zwischendurch übernommen hatte. Einer der beiden Gipfel ist bereits grün, beim etwas höheren, der zum Jahresbeginn mit ein paar Fuhren Sand auf Rekordniveau gebracht wurde, soll die Rekultivierung bis zum Jahresende abgeschlossen sein. »Im kommenden Jahr wollen wir mit den ersten Arbeiten für den Naturerlebnispark beginnen«, hofft Blum. 2017 könnte dann vielleicht schon gerodelt werden.
Aber nicht alle Naturfreunde sind von den Plänen begeistert. Badegäste, die seit Jahren im Kiessee planschen, meldeten sich aufgeregt in der Redaktion. »Hier leben Eisvogel, Pirol und sogar die Zwergrohrdommel«, haben Hermann Bösler und seine Freunde beobachtet. »Wird das Areal touristisch vermarktet, geht das alles den Bach runter.«
Ähnlich misstrauisch sehen die Naturschützer vom BUND die Entwicklung. »Es passieren schon jetzt lauter kleine Sachen, die einfach nicht wahr sein dürfen«, sagt Referatsleiter Herbert Lohner. So seien die Klärschlämme, mit denen die Deponie abgedichtet wird und die eigentlich nicht auf geneigten Flächen verwendet werden dürfen, in den See geflossen. Die Sichttiefe habe seitdem stark abgenommen. Ebenso wie die Zahl der dort vorkommenden Orchideenarten. Aber auch manchen Gästen stellt Lohner kein gutes Zeugnis aus. Da werden wilde Partys gefeiert, Feuer gemacht und mit sogenannten ferngesteuerten Powerbooten Küken bis ins Schilf gejagt. Weder der Eigentümer noch die Behörden kümmerten sich darum. »Wir fordern schon seit Langem einen Pflege- und Entwicklungsplan für das Areal, um eine verträgliche Nutzung sicherzustellen.« Sollten die Wasserski-, und Hotelanlagen kommen, wäre es vorbei mit den geschützten Arten, befürchtet Lohner. »Die Zwergrohrdommel steht auf der Roten Liste, davon gibt es nur noch etwa 50 Paare in Deutschland, eines davon in Arkenberge.«
Wasserski kann sich auch Pankows Stadtentwicklungsstadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) nicht vorstellen, ansonsten ist er interessiert daran, »dass Leben auf den Berg kommt«. Denn der habe das Zeug zum Naherholungszentrum. Die Pläne der Heim GmbH erscheinen Kirchner zwar noch »etwas unausgegoren«. Der Bezirk sei aber erst mal »offen für alles«, aber alles, was Krach macht, werde wohl keine Chance haben.
Einen hohen zweistelligen Millionenbetrag will die Firma investieren, sollte alles genehmigt werden. Damit es sich rechnet, müssten aber wenigstens die Rodelbahn und das Strandcafé gebaut werden. Um die Zwergrohrdommel machen sich die Schwaben jedenfalls keine Sorgen. Blum: »Wir haben auch vor ihrem Brutbereich gearbeitet, und sie ist immer noch da.«
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.