Wird der Kronprinz zum Kronzeugen?

Jeffrey Webb, Sepp Blatters einstiger Wunschnachfolger als FIFA-Präsident, soll aus der Schweiz in die USA ausgeliefert worden sein

  • Thomas Burmeister, Zürich
  • Lesedauer: 3 Min.
US-Staatsanwälte können endlich einen wichtigen FIFA-Insider zum Verdacht der Bestechung im Weltfußball vernehmen. Ob dies Folgen für den »unantastbaren« Sepp Blatter hat, bleibt abzuwarten.

Als die Polizei in Zürich Ende Mai sieben Fußball-Spitzenfunktionäre festnahm, war das für Joseph Blatter nach eigenem Bekunden mehr als ein Schock. Es war, so schilderte der FIFA-Chef der Schweizer »Weltwoche«, wie »ein Erdbeben, ein Crash, ein großer Knall«. Besonders schlimm war für den Präsidenten des Weltverbands womöglich, dass unter den Festgenommenen auch Jeffrey Webb war. Den 50-jährigen FIFA-Vizepräsidenten sahen viele als Hoffnungsträger. Zugleich galt er als enger Vertrauter und Wunschnachfolger Blatters. Nun fragt sich so mancher, ob aus dem Kronprinzen nicht doch ein Kronzeuge wird.

Jedenfalls wird seit Bekanntgabe der Überstellung eines der sieben Funktionäre an die USA von FIFA-Beobachtern in Zürich spekuliert, ob und wie Webb dem noch bis vor kurzem scheinbar unantastbaren Blatter gefährlich werden könnte, sollte er - wann auch immer - bei der zuständigen New Yorker Staatsanwaltschaft »auspacken«. Wie die US-Nachrichtenagentur Bloomberg aus Ermittlerkreisen erfahren haben will, soll es Webb gewesen sein, der als bislang einziger der in der Schweiz inhaftierten FIFA-Funktionäre darauf verzichtete, sich gegen eine Auslieferung an die amerikanische Justiz zu wehren und seiner Überstellung zustimmte.

Dem einstigen Banker von den zu Großbritannien gehörenden Kaimaninseln und Präsidenten des kontinentalen Fußballverbandes für Nord- und Zentralamerika sowie die Karibik (CONCACAF) wirft die US-Staatsanwaltschaft Korruption und Bestechlichkeit vor. Webb soll im Zusammenhang mit dem Verkauf von Marketingrechten an verschiedene Vermarktungsfirmen Bestechungsgeld in Millionenhöhe angenommen haben.

Im Falle einer Verurteilung drohen ihm etliche Jahre Haft. Allerdings kennt das US-Recht auch die Möglichkeit, eine Strafe so erheblich herabzusetzen und milde zu gestalten, dass der Betreffende am Ende eines Verfahrens auf freien Fuß kommt - vorausgesetzt, er kooperiert mit der Staatsanwaltschaft und hilft ihr, andere, eventuell noch wichtigere Verdächtige zu überführen.

Dass US-Ermittler Webb - ebenso wie die anderen Funktionäre, deren Auslieferungsverfahren derzeit noch laufen - ausführlich zu mutmaßlicher Millionenbestechung bei der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar befragen wollen, haben sie bereits in der detaillierten und mehr als 160 Seiten langen Anklageschrift klar gemacht. Eine Frage, die sich darin nicht findet, im Verhör aber wohl gestellt wird: Was wusste Blatter?

Nichts, lautet bislang noch dessen Antwort. Im »Weltwoche«-Interview hat der 79-jährige Walliser gerade erst wieder beteuert: »Ich habe mir nichts vorzuwerfen.« Seine Ankündigung, demnächst sein Mandat als FIFA-Präsident niederzulegen und bei dem für Anfang 2016 geplanten FIFA-Sonderkongress nicht wieder zu kandidieren, dürfe demnach keineswegs als Schuldeingeständnis gewertet werden. Vielleicht ist das bald gar nicht mehr nötig. dpa/nd

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