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Startfreigabe zu neuen Irrflügen?

Deutschland hält trotz Zulassungsproblemen an der Beschaffung militärischer Drohnen fest

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der »Euro Hawk« ist tot! Es lebe der »Euro Hawk«! Vielleicht. Das Desaster um die Beschaffung deutscher Flugroboter geht in eine neue Runde. Cleverness ist gefragt.

Herbst 2001: Unter rot-grüner Regierung entscheidet das Parlament, man brauche eine Drohne zur strategischen Aufklärung. Die US-Firma Northrop Grumman bietet eine Variante ihres »Global Hawk« an, EADS, die Airbustochter, will das elektronische Aufklärungsgerät ISIS entwickeln. Das soll aus großer Höhe Telefon- und Funksignale einfangen. Durch die SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Peter Struck wird das Projekt weiter betrieben. Im Januar 2007 wird unter Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ein Vertrag mit einem Volumen von 1,3 Milliarden Euro unterzeichnet. Im Juli 2011 landet die erste Drohne in Deutschland. 2013 beginnen Testflüge, doch Zulassungsprobleme werden öffentlich.

Mai 2013: Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) zieht die »Reißleine«. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages spricht im August 2013 de Maizière weitgehend von Schuld frei.

Seit knapp einem Jahr verdichten sich Gerüchte, dass es zu einer Reaktivierung des »Euro Hawk«-Programms kommen könnte. Die von der neuen Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) eingesetzte Rüstungsuntersuchungskommission unter Leitung von KPMG-Wirtschaftsprüfern gibt eine entsprechende Empfehlung, denn entgegen den Beteuerungen vor dem Untersuchungsausschuss ist ISIS noch nicht fertig entwickelt. Man braucht für Tests eine fliegen Plattform à la »Euro Hawk«.

Zwischen Februar und April 2015 untersuchte der Hersteller den abgestellten »Euro Hawk«. Er ist in gutem Zustand. Das Verteidigungsministerium bestätigt gegenüber dem Grünen-Abgeordneten Tobias Lindler, für die »Wiederaufnahme der Testflüge« wäre eine »vorläufige Verkehrszulassung« notwendig. Es heißt auch, dass noch »Restarbeiten insbesondere in Form von technischen Nachweisflügen« mit dem »Euro Hawk« ausstünden.

Bis Mitte 2017 sei beabsichtigt, eine »operative Bewertung der Leistungsfähigkeit des ISIS-Demonstrators durchzuführen«. Bereits 2014 sei ein Vertrag geschlossen worden, um die Möglichkeit einer Integration der ISIS-Aufklärungsnutzlast in »Triton«-Drohnen zu untersuchen. »Triton« ist ein Nachfolgemuster des »GlobalHawk«, das im Auftrag der US-Navy gebaut wird. Drei »Triton« will Deutschland offenbar beschaffen. Kosten: 646 Millionen Euro, »zzgl. Einfuhrumsatzsteuer und Zöllen«. Addieren muss man 255 Millionen Euro sowie weitere Beschaffungskosten von 55 Millionen Euro. Rechnet man die bereits für »Euro Hawk« »verballerten« 600 Millionen Euro - 270 Millionen davon für ISIS - hinzu dann »wird die Bundeswehr am Ende mindestens 1,6 Milliarden Euro ausgeben«, empört sich der Verteidigungs- und Haushaltsexperte Lindner. Nur »scheibchenweise« erfahre die Öffentlichkeit davon, beklagt er.

Dabei ist es völlig offen, ob »Triton« überhaupt unter deutscher Flagge und in deutschem Luftraum fliegen kann. Seit 2014 untersucht man auf Grundlage eines Regierungsvertrages gemeinsam mit der US Navy die »deutsche Zulassbarkeit«. Ergebnisse liegen noch nicht vor, doch wird bereits jetzt von einer Zulassungsfähigkeit in einem »deutschen militärischen Regelungsraum« geredet, was abermals nach Ausnahme und Ärger klingt.

Überhaupt hat die Bundeswehr nicht viel Glück, was die Zulassungsfähigkeit ihrer Wunschdrohnen angeht. Als Kampfoption hat man im Verteidigungsministerium die israelische »Heron TP« im Blick. Bei der wurden »mehrere Bereiche identifiziert«, die eine deutsche Zulassung unmöglich machen, hört man. Bei dem US-Projekt »Predator B« ist das nicht anders.

Auch der Start des NATO-Aufklärungsprogramms »Alliance Ground Surveillance« (AGS) weist einen »Verzug von mehreren Monaten« auf. Warum? Richtig! Die »Global Hawk«-Drohnen haben keine Zulassung. Der Jungfernflug der ersten ausgelieferten US-Drohne, die bereits in Italien stationiert ist, sei »nach derzeitigem Sachstand« erst im Frühjahr 2016 und damit wesentlich später als geplant möglich, sagt das Verteidigungsministerium in Berlin. Doch man hat einen Plan in der Hinterhand: Seitens der NATO, so hört man im deutschen Verteidigungsministerium, sei daran gedacht, »auf Grundlage einer durch Italien zu erteilenden Zulassung eine Verfahrensweise zu entwickeln, mit der Flüge über dem Hoheitsgebiet der NATO-Mitgliedsstaaten - also auch über Deutschland - ermöglicht werden können«.

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