Regierung für Abschiebelager für Balkan-Flüchtlinge
Bundesamt will Flüchtlinge vom West-Balkan abschrecken / Städte- und Gemeindebund begrüßt Lagerpläne Bayerns / Roma-Zentralrat fordert Stopp von Vertreibungen
Update 16.10 Uhr: Flüchtlinge in Chemnitz demonstrieren gegen lange Verfahren
In Chemnitz demonstrieren Flüchtlinge gegen die Bürokratie und die langen Bearbeitungszeiten ihrer Asylanträge. Am Mittwoch versammelten sich in der Innenstadt rund 25 Asylbewerber, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Wie ein Sprecher der Stadt Chemnitz dem Evangelischen Pressedienst (epd) auf Anfrage mitteilte, hätten bereits in der Nacht zum Mittwoch etwa 25 Flüchtlinge auf dem Fußweg vor der Erstaufnahmeinrichtung in Chemnitz (Adalbert-Stifter-Weg) übernachtet.
Bei der Demonstration habe es auch Kontakt mit den Mitarbeitern der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gegeben. Der Protest vor der Unterkunft sollte am Abend fortgesetzt werden. Helfer waren vor Ort. Auch in der Nacht zum Donnerstag wollten die Flüchtlinge wieder im Freien übernachten. Die Versammlung sei weiter genehmigt, sagte der Sprecher. Ob sie sich am Donnerstag im Laufe des Tages auflöst, könne noch nicht gesagt werden.
Das Technische Hilfswerk hatte am Samstag damit begonnen, auf dem Gelände der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Chemnitz-Ebersdorf eine Zeltstadt zu errichten. Bisher standen auf dem Areal am Adalbert-Stifter-Weg lediglich etwa 20 Zelte, inzwischen sollen es rund 70 Zelte sein. Nach Angaben der Landesdirektion Sachsen übernachten darin etwa 550 Flüchtlinge.
Update 16.05 Uhr: Henkel: Kosovo als sicherer Herkunftsstaat »muss Option bleiben«
Der Berliner CDU-Landesvorsitzende und Innensenator Frank Henkel hat im Streit um die Flüchtlingspolitik eine neue Bewertung des Kosovo als Herkunftsstaat gefordert. Er sei dem Grünen-Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann dankbar, dass er die Debatte neu belebe. »Die Prüfung der Einstufung des Kosovo als sicherer Herkunftsstaat muss eine Option bleiben. Ich hoffe, dass die Bundesregierung das Gesprächsangebot von Herrn Kretschmann aufgreift«, sagte Henkel der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch.
Deutschland müsse nach klaren Grundsätzen handeln. »Helfen, wo Hilfe geboten ist und konsequent sein, wo das nicht der Fall ist. Das Asylrecht soll vor politischer Verfolgung schützen. Bei Antragstellern aus dem Westbalkan handelt es sich jedoch überwiegend um Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Dafür ist das Asylrecht aber nicht da.« Die Anerkennungsquote für Asylanträge aus den Westbalkanstaaten liege fast bei Null.
Kretschmann hatte wegen der steigenden Flüchtlingszahlen gesagt, er wolle sich Gesprächen über die Einstufung weiterer Länder zu sicheren Herkunftsstaaten nicht verschließen. Im vergangenen Herbst hatte Kretschmann dafür gestimmt, dass Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden.
Update 16 Uhr: Jugendliche werfen Steine auf Flüchtlingswohnheim
Mehrere Jugendliche haben am Mittwoch Steine auf die Satellitenanlage einer Flüchtlingsunterkunft in Sangerhausen (Sachsen-Anhalt) geworfen. Ein Bewohner des Hauses habe sie am frühen Morgen zunächst vom Fenster aus vertreiben können, teilte die Polizei mit. Kurze Zeit später sei die Gruppe jedoch zurückgekehrt und habe fremdenfeindliche Parolen gerufen. Ein junger Mann soll außerdem den Hitlergruß gezeigt haben. Außer ihm waren den Angaben zufolge noch ein weiterer junger Mann sowie zwei junge Frauen beteiligt. Der Staatsschutz ermittelt nun.
Update 14.10 Uhr: Dauer der Asylverfahren aus Balkan-Ländern geringer als Durchschnitt
Nach Einstufung als »sicherer Herkunftsstaat« ist die Dauer der Asylverfahren für Menschen aus Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina geringer als im Durchschnitt. Bei Anträgen aus Bosnien-Herzegowina dauere das Verfahren im Schnitt 4,2 Monate, bei Mazedoniern 4,8 Monate und bei Serben 3,6 Monate. Der allgemeine Schnitt liegt bei 5,3 Monaten. Das Innenressort hätte sich eine größere Wirkung erhofft, wie ein Sprecher am Mittwoch einräumte. Hier sei man noch nicht ganz so weit wie erhofft. »Daran arbeiten wir aber weiter.« Es sei ohnehin noch zu früh für eine abschließende Bewertung. Die Bundesregierung hatte die Balkan-Länder im vergangenen Jahr als »sicher« klassifiziert, um Asylbewerber aus der Region schneller wieder zurückschicken zu können.
Die Zahl der Asylbewerber aus Mazedonien in den vergangenen Monaten dennoch gestiegen. Das Gesetz dazu trat Anfang November in Kraft. In dem Monat gab es 926 Asylanträge von Mazedoniern. Im Juni waren es nun 1514 - und damit deutlich mehr als in jedem anderen Monat seit Anfang 2014. Das geht aus Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.
Die Zahl der Asylanträge aus Serbien dagegen ging im gleichen Zeitraum von 3570 auf 2240 zurück. Auch aus Bosnien-Herzegowina kommen nun etwas weniger Asylsuchende: Im November 2014 waren es 951, im vergangenen Monat dann 609. Die Antragszahlen unterliegen aber grundsätzlich von Monat zu Monat einigen Schwankungen.
Update 14 Uhr: Roma-Zentralrat fordert Stopp von Vertreibungen in Südosteuropa
Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma fordert einen sofortigen Stopp gewaltsamer Vertreibungen von Roma in Mittelost- und Südosteuropa. Am Mittwoch rief der Zentralrat die Bundesregierung, die EU-Kommission und den Menschenrechtskommissar des Europarates dazu auf, diese Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und den politischen Druck auf die Länder zu erhöhen.
Der Zentralratsvorsitzende Romani Rose bezeichnete es als Skandal, dass Behörden in diesen Staaten wirtschaftliche Profitinteressen vor die elementarsten sozialen Rechte ihrer Bürger stellten. Roma würden widerrechtlich aus Stadtzentren vertrieben und in die Obdachlosigkeit gezwungen. Diese jahrzehntelange Entwicklung sei längst eine humanitäre Krise innerhalb von Europa und eine der zentralen Ursachen für Flucht und Migration von Roma aus ihren Herkunftsländern.
In der serbischen Hauptstadt Belgrad seien in dieser Woche 53 Roma-Familien von Vertreibung bedroht, erklärte der Zentralrat unter Berufung auf Amnesty International. Sie wohnten seit 1999 in einer staatlich tolerierten, informellen Siedlung, die nun abgerissen werden solle, ohne dass alternative Wohnmöglichkeiten bestünden. Ähnliche Vorfälle habe es in Ungarn und Bulgarien gegeben.
Am vergangenen Freitag fand in Cluj-Napoca in Rumänien der bisher größte Roma Solidaritätsmarsch für die Opfer der gewaltsamen Vertreibungen statt. Der Marsch unter dem Titel »Stadt für die Menschen, nicht für den Profit« gedachte den Opfer der staatlichen Vertreibungen vom 17. Dezember 2010, als 76 vorwiegend Roma Familien ohne legale Prozedur aus einem zentralen Viertel vertrieben und in staatlich finanzierte Siedlungen neben einer Müllhalde ausgegrenzt wurden.
Update 12.22 Uhr: Regierung für Sonder-Einrichtungen für Balkan-Flüchtlinge
Der Bund befürwortet das umstrittene Vorhaben Bayerns, für Asylbewerber aus Ländern mit hohen Ablehnungsquoten gesonderte Aufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Dieses Vorhaben sei »abgestimmt« und Gegenstand des Beschlusses des Flüchtlingsgipfels vom 18. Juni diesen Jahres, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Bei dem Treffen, an dem neben Bundesinnenminister Thomas de Maizière auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) und die Länderregierungschefs teilgenommen hatten, war beschlossen worden, für Asylbewerber aus Ländern mit hohen Ablehnungsquoten eine Aufenthaltsbeendigung der Abgelehnten innerhalb von drei Monaten »aus den Erstaufnahmeeinrichtungen heraus« zu erreichen.
Update 11.58 Uhr: Pro Asyl fordert mehr Asyl für Bewerber vom Westbalkan
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl hat die hohen Ablehnungsquoten für Asylbewerber vom Westbalkan in Deutschland als ungerechtfertigt kritisiert. »Es ist falsch zu sagen, dass diese Menschen generell aus sicheren Staaten kommen«, sagte der stellvertretende Pro-Asyl-Geschäftsführer Bernd Mesovic am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Eine schlechte wirtschaftliche Lage allein sei zwar rechtlich kein Asylgrund. Aber bestimmte Bevölkerungsgruppen aus diesen Ländern seien »massiven Übergriffen« ausgesetzt, fügte Mesovic hinzu.
In Bezug etwa auf Roma aus Bosnien und Serbien könne von einem »strukturellen Ausschluss« dieser Menschen aus den dortigen Gesellschaften geredet werden, sagte er. Den Kindern fehle der Zugang zu Bildung, die Familien seien vom Gesundheitssystem und dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen, ebenso wie vom Zugang zu den rechtsstaatlichen Institutionen. »Das kann als kumulative Verfolgung gewertet werden und somit ein Grund für Asyl sein.«
Update 11.29 Uhr: Seehofer verteidigt bayerischen Asyl-Vorstoß
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat die geplanten Aufnahmezentren für Balkan-Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive erneut gegen die teils massive Kritik verteidigt. Es gehe aktuell darum, schutzbedürftigen Asylbewerbern zu helfen, aber Asylmissbrauch zu verhindern, sagte der CSU-Vorsitzende am Mittwoch in einer intensiv geführten Plenardebatte im bayerischen Landtag.
Die Politik stehe in einer doppelten Verantwortung: gegenüber Flüchtlingen, die um ihre Gesundheit und ihr Leben fürchten müssten; und gegenüber der eigenen Bevölkerung, die mit ihren Sorgen und Ängsten ebenfalls ernst genommen werden wolle. Und viele Kommunen und Hilfsorganisationen seien angesichts der anhaltend hohen Flüchtlingszahlen eben an der Grenze der Leistungsfähigkeit.
Update 10.55 Uhr: Kommunaler Spitzenverband begrüßt asylpolitische Pläne Bayerns
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßt die Pläne der bayerischen Landesregierung, Asylbewerber aus Balkanstaaten künftig in gesonderten Erstaufnahmeeinrichtungen unterzubringen. Ein solcher Schritt, der auch bereits als Forderung auf dem Flüchtlingsgipfel mit der Bundeskanzlerin und den Ländern zur Sprache gekommen sei, könnte die Städte und Gemeinden entlasten, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg am Mittwoch im WDR-Radio.
Landsberg wies Kritik etwa von SPD und Grünen zurück, dass ein solcher Vorstoß menschenverachtend sei. Solche Kritiker blendeten die Realität aus, dass etwa zum 1. Januar mehr Menschen aus den Balkanstaaten nach Deutschland kamen als aus Syrien, sagte er. Mehr als 99 Prozent der Menschen aus Balkanstaaten erhielten in Deutschland kein Asyl. Auf derartige Realitäten müsse reagiert werden. »Denn es ist nicht Aufgabe des Asylrechts, Wirtschaftsflüchtlinge, die aus nachvollziehbaren Grünen hierher kommen, ein Bleiberecht zu garantieren«, sagte der Vertreter des kommunalen Spitzenverbandes.
Die getrennte Unterbringung für Menschen aus Balkanländern in Erstaufnahmeeinrichtungen bedeute jedoch nicht, dass diese Menschen kein Asylverfahren erhielten, betonte Landsberg. Ihre Anträge würden als Einzelfall weiter geprüft, es bestehe für sie das Anrecht auf möglichen Rechtsschutz.
Landsberg räumte ein, dass eine Aufnahmeeinrichtung, die sich nur auf Asylsuchende aus Balkanstaaten konzentriere, auch Risiken berge. Das sei ein gewisser »Sprengstoff«, wenn Menschen zusammensitzen, die alle wissen, dass ihre Chancen auf Asyl sehr gering sind. Landsberg appellierte an EU und Bundesregierung, sich stärker darum zu kümmern, wie Menschen in ihren Heimatländern auf dem Balkan geholfen werden könne. Die Menschen flüchteten nicht grundlos aus teilweise miserablen wirtschaftlichen und humanitären Lebensumständen.
Top-Entscheider halten Aufnahme von mehr Flüchtlinge für möglich
Angesichts des Flüchtlingsstroms nach Europa meinen mehr als drei Viertel der Top-Entscheider hierzulande, dass Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen kann als bisher. Nach dem am Mittwoch in Berlin veröffentlichten »Capital-Elite-Panel« vertritt eine Mehrheit von 78 Prozent diese Ansicht. 77 Prozent der Führungsspitzen rechnen nicht damit, dass der Flüchtlingsstrom in absehbarer Zeit in den Griff zu bekommen ist. Genauso viele halten es für keinen gangbaren Weg, dass Europa Flüchtlinge vor der eigenen Küste abweist.
Für das »Capital-Elite-Panel« hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Wirtschaftsmagazins »Capital« und der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« 500 Top-Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung befragt. Darunter waren 72 Vorstände aus Konzernen mit mehr als 20.000 Beschäftigten wie auch Ministerpräsidenten, Minister und Leiter von Bundesbehörden.
Bundesamt will Flüchtlinge vom West-Balkan abschrecken
Berlin. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bearbeitet zurzeit vordringlich die zumeist unbegründeten Asylanträge von Menschen aus dem Westbalkan. So sollen die hohen Fallzahlen aus der Region schnell gesenkt werden, wie Präsident Manfred Schmidt dem »Donaukurier« (Mittwoch) sagte. »Die hohe Zahl der aussichtslosen Flüchtlinge aus diesen Ländern bindet Kräfte, die wir brauchen, um uns um Menschen aus Krisenregionen zu kümmern.« Als Beispiele nannte er Syrer, Iraker oder Eritreer.
Schmidt wies darauf hin, dass sein Amt im August eine zusätzliche Befugnis bekommt. »Dann werden wir Asylbewerber mit einem offensichtlich unbegründeten Antrag mit einer Wiedereinreisesperre für den Schengen-Raum und einem Aufenthaltsverbot für Deutschland belegen können.« Er betonte, dass Armut und der Wille, hierzulande zu arbeiten, nach deutschen Recht keine Asylgründe seien.
Oft wirkten die staatlichen Leistungen attraktiv auf Migranten, sagte er. So betrage in Südserbien das Monatseinkommen im Schnitt 150 Euro. In Deutschland bekämen Asylbewerber ein Taschengeld von 143 Euro. »Wenn sie dann noch Familie mitbringen, haben sie Transferleistungen, die sie im Herkunftsland nie erwirtschaften könnten.« Menschen aus dem Kosovo oder Albanien wollten dagegen oft eher auf den Arbeitsmarkt.
Manfred Schmidt hatte unlängst gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Streichung des Taschengeldes für Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsländern ins Spiel gebracht.
Bayerns Regierung hatte am Montag einen schärferen Kurs gegenüber Flüchtlingen vom Balkan beschlossen. Demnach sollen Asylbewerber mit wenig oder keinerlei Chancen auf ein Bleiberecht künftig in zwei neuen, speziellen Aufnahmezentren in Grenznähe untergebracht und deutlich schneller als bisher abgeschoben werden. Agenturen/nd
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