Mit drei Premieren gegen das Aus
»Stadttheater Cöpenick« kämpft um Fortbestand - Spielstätte mit 126-jähriger Tradition
Die Zahlen lesen sich wie eine Erfolgsgeschichte: Das kleine »Stadttheater Cöpenick« an der Friedrichshagener Straße mit seinen 60 Plätzen, präsentiert jährlich vor rund 15 000 zufriedenen Besuchern 250 Vorstellungen. Einige Stücke sind bereits Wochen vorher ausverkauft. Und nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung kommen die Gäste, sondern auch aus anderen Bezirken und dem Umland. »Unsere Auslastung liegt bei 97 Prozent«, sagt Prokurist Matthias Seidel. Doch diese positive Bilanz lässt bei ihm derzeit keine Freude aufkommen. Zu tief sitzt die Angst vor dem drohenden Aus der beliebten Spielstätte in Köpenick.
Für die Finanzmisere gebe es zwei Gründe: den Wegfall der arbeitsmarktpolitischen Förderung sowie die Halbierung des »kulturellen Zuschusses« durch den Bezirk. »Nur noch rund 25 000 Euro stehen uns aus dem Treptow-Köpenicker-Topf 2015 zur Verfügung«, erklärt Seidel. Zudem seien sämtliche von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Beschäftigungsverhältnisse Ende 2014 ausgelaufen. Um das Theater jedoch seriös zu betreiben, werde eine solide Grundfinanzierung von 150 000 Euro benötigt.
Davon würden unter anderem acht Vollzeitkräfte sowie Teilzeitmitarbeiter bezahlt und die Miete von rund 60 000 Euro beglichen. »Auf ehrenamtlicher Basis ist der Theaterbetrieb jedenfalls nicht möglich«, betont auch Cornelia Wetzlich, Geschäftsführerin der Kunstfabrik Köpenick. Unter diesem Dach agiert die Spielstätte, die bereits 1889 gegründet wurde, seit 20 Jahren. Als Träger des Stadttheaters konnte die Kunstfabrik den Betrieb praktisch jahrelang zum Großteil über geförderte Arbeitsmaßnahmen gewährleisten.
Genau dieses Modell macht der Bezirk der Einrichtung jetzt zum Vorwurf. »Mit ihrer Konzentration auf Beschäftigungsmaßnahmen hat sich die Kunstfabrik nicht den veränderten Gegebenheiten angepasst«, sagt der Treptow-Köpenicker Kulturstadtrat Michael Vogel (CDU). Auch nicht, als längst absehbar war, dass die Arbeitsmarktförderung ausläuft.
Cornelia Wetzlich wehrt sich gegen die Anschuldigungen. Schließlich habe man seit Jahren »die Fühler auch nach anderen Fördertöpfen, auch beim Land, ausgestreckt«, sei dort aber immer abgeblitzt. Dennoch schöpft die Geschäftsführerin neue Hoffnung: Aktuell wurden bei der Spielstättenförderung des Landes 150 000 Euro beantragt. Man wolle den Bereich der Kinder- und Jugendarbeit noch weiter ausbauen, heißt es in der Begründung.
Schließlich gibt es die besten Voraussetzungen. Schon jetzt finden in der Friedrichshagener Straße jährlich die berlinweit größten Theaterfestspiele für die junge Generation statt. »Sollten wir allerdings wieder leer ausgehen, müssen wir dem ›Stadttheater Cöpenick‹ die Räume zum 30. September kündigen«, erklärt die Kunstfabrik-Geschäftsführerin. Ein noch in Gründung befindlicher Förderverein will das auf jeden Fall verhindern. Unter Leitung der Schauspielerin und Regisseurin Stephanie Kühn schmieden derzeit etwa 15 ehemalige Theatermitarbeiter Zukunftspläne. »Wir sind mit Politikern im Gespräch, erstellen gerade einen Kostenplan und wollen den Theaterbetrieb auf eine eigene Basis stellen«, sagt die Vereinsvorsitzende. Seidel und Wetzlich, die ebenfalls seit Längerem Hilfe bei der Politik auf Bezirks- und Landesebene suchen, sehen diesen Zusammenschluss eher skeptisch.
Stadtrat Vogel, der mehrmals betont, dass dem Bezirk viel an der Weiterführung der Traditionseinrichtung liegt, will deshalb jetzt vermitteln und holt »beide Parteien« an einen Tisch. Ansonsten könne der Bezirk nur »ideelle Unterstützung« geben. Das Gesamtbudget reiche eben nicht für eine höhere Förderung.
Trotz unklarer Zukunft kündigt das Stadttheater für 2015 noch drei Premieren an. Zudem soll es am 9. September eine Benefizgala zum Erhalt der Einrichtung geben.
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