Freie Bahn für die Ölförderung
Boliviens Präsident setzt trotz Kritik im Lande voll auf Rohstoffausbeutung
»Finden und Fördern« heißt die Prämisse der bolivianischen Regierung, wenn es um Rohstoffe geht. Da die nationalen Erdgasreserven nur noch für rund zehn Jahre Exporterlöse generieren werden, setzt die Regierung von Evo Morales auf die Exploration neuer Lagerstätten. Dabei ist auch die Förderung in Naturparks und Schutzgebieten kein Tabu. Dagegen regt sich Widerstand. Doch die Regierung zeigt sich unbeeindruckt und droht internationalen Nichtregierungsorganisationen sogar mit Rausschmiss.
Yapacaní heißt die neueste Fundstelle. Im Verwaltungsbezirk Santa Cruz im Südosten des Landes liegt das Ölfeld, welches Spezialisten des spanischen Repsol-Konzerns gemeinsam mit Kollegen des staatlichen Förderunternehmens YPFB Andina Mitte Juni ausfindig machten. Ein Erfolg der nationalen Explorationspolitik und der erste Fund seit mehr als 20 Jahren in Bolivien, jubelt Evo Morales. Der Präsident war extra zur Einweihung des Bohrlochs in die Region gereist und kündigte an, dass die Anstrengungen zur Rohstoffförderung noch intensiviert werden.
Repsol ist dabei ein wichtiger Partner. Das Unternehmen steht für mehr als die Hälfte der 5200 Barrel (à 159 Liter), die momentan landesweit gefördert werden. Doch es sollen nach dem Willen der Regierung deutlich mehr werden, zumal von insgesamt 26 Explorationsblöcken erst vier aktuell in Betrieb sind. Zudem sollen weitere Blöcke hinzukommen.
Erst kürzlich unterzeichnete Morales ein Gesetz, welches der Suche nach Erdöl und -gas keinerlei Grenzen mehr setzt. Selbst in Nationalparks und Naturschutzgebieten ist die Suche nach den fossilen Energieträgern nunmehr möglich. Hintergrund ist die Regierungsstrategie, die Bolivien zum energetischen Zentrum der Region machen soll - und das gleich auf mehreren Ebenen: als Lieferant von Strom durch Ausbau von Wasserkraftwerken sowie als Lieferant von Erdöl und Erdgas. Selbst vor der extrem kostspieligen und risikoreichen Nutzung der Atomenergie schreckt die Regierung nicht zurück. »Der Export von Energie hilft uns beim ökonomischen Wachstum weiter, ohne das Thema Bergbau zu vergessen«, erklärte Evo Morales vor ein paar Tagen auf einem internationalen Erdgas- und Erdölkongress in Santa Cruz. Dabei will sich der seit Ende 2006 amtierende Präsident auf keinen Fall von seinem Kurs abbringen lassen, wie er mehrfach betonte. Internationale Nichtregierungsorganisationen drohte er mit Ausweisung, sollten sie Widerstände gegen diese Politik in Bolivien schüren.
Dabei ist die Vorgehensweise der Regierung zumindest fragwürdig, denn gerade die Erdölindustrie ist für viele Umweltkatastrophen in der Region verantwortlich, zum Beispiel im ecuadorianischen oder peruanischen Regenwald. Warum es in Bolivien besser laufen sollte, kann niemand glaubwürdig versichern, denn die Kontrollbehörden gelten auch in diesem Land nicht unbedingt als effizient. Ein weiteres Argument führen die Gegner der Explorationsstrategie ins Feld: Der Präsident selbst propagiere das Konzept des Buen Vivir, des Guten Lebens, und des Schutzes von Mutter Erde. Dieses Entwicklungskonzept baut eigentlich auf einem nachhaltigen oder zumindest nachhaltigeren Umgang mit der Natur auf. »Doch dieser Leitsatz hat sich in den letzten Jahren als schöne Worthülse entpuppt, die ständig bemüht, aber nicht gelebt wird«, kritisiert Rafael Puente Calvo. Der 74-Jährige, einer der profiliertesten Linken Boliviens, war Staatssekretär im Innenministerium unter Evo Morales und lange Zeit auch Parlamentsabgeordneter. »Die Regierung folgt dem Exportparadigma und das steht im Widerspruch zum Erhalt der Natur, denn die anvisierte Energieproduktion basiert eben nur zum Teil auf regenerativen Energieträgern und zumeist auf fossilen Energieträgern«.
Ein Konzept, das wenig innovativ ist, das die Regierung aber unbedingt durchdrücken will. Konflikte sind da programmiert.
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