Den Grexit von links träumen?

Die grundlegende Schwäche einer linken Konzeption für das Ausscheiden aus dem Euro ist die Verkürzung auf die Zirkulationsfrage. Beitrag zur Euro-Debatte von Joachim Bischoff und Björn Radke

  • Joachim Bischoff und Björn Radke
  • Lesedauer: 13 Min.

Die Empörung innerhalb der bundesdeutschen Linken über die beinharte neoliberale Sanierungskonzeption und den erpresserischen Druck auf die griechische Linksregierung ist massiv. »Die Einigung vom Euro-Gipfel ist auf der Basis von Erpressung zustande gekommen, sie setzt den katastrophalen Kurs der letzten fünf Jahre fort und hat mit der Treuhandanstalt 2.0 noch eine zusätzliche Belastung der Privatisierung geschaffen, so dass ich mir eine Zustimmung nicht vorstellen kann«, erklärte der designierte Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE im Bundestag Dietmar Bartsch.

Der Hinweis auf die »Treuhandanstalt« erfolgt vor dem Hintergrund der – allerdings in der Sache nicht vergleichbaren – Erfahrung mit der brutalen Abwicklung der in der früheren DDR ansässigen Betriebe durch die von der Bundesregierung eingesetzte Treuhandanstalt. Ein weiteres Argument für die Ablehnung der LINKEN ist das immer wiederkehrende Mantra der Belastung »unserer Steuerzahler«, die durch »diese zutiefst falsche Politik von (Bundeskanzlerin) Merkel, Schäuble und (SPD-Chef) Gabriel einstehen werden müssen, weil Griechenland mit diesem Diktat auch die neuen Schulden niemals zurückzahlen können wird.«

Die politische Konsequenz: DIE LINKE hat bei der Abstimmung über die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Hilfspakets überwiegend mit »OXI« gestimmt. Sie nimmt mit dieser Haltung in Kauf, dass ihr NEIN mit dem NEIN der euroskeptischen Abgeordneten aus der CDU/CSU und den NEIN-Stimmen der offenen Grexit-Befürworter in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Auch Bartschs Argument, »wäre ich Mitglied der SYRIZA-Fraktion, würde ich dem Vorschlag von Ministerpräsident Alexis Tsipras folgen und trotzdem in großer Deutlichkeit sagen, dass diese Lage weder Wahlziel war noch akzeptabel ist, vielmehr das Ergebnis schlichter Erpressung«, ist nicht überzeugend.

Über die politische Bewertung der Strategie der neoliberalen Gläubiger hinaus gibt es in großen Teilen der politischen Linken auch Frustration über die griechische Linke: »Diese Niederlage ist ein Anlass zum Nachdenken, Fragen zu stellen und Manöverkritik zu üben. Denn die Unterwerfung der ersten genuinen Linksregierung innerhalb der Europäischen Union seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise unter die Knute der deutschen Regierung und der ihr folgenden anderen europäischen Regierungen ist letztlich auch unsere Niederlage und eine Niederlage der gesamten Europäischen Linken.« So Janine Wissler und Nicole Gohlke ihrem Beitrag Die Grexit-Frage(n) stellen in »neues deutschland«.

War das eine allgemeine Niederlage? Auch hier ist die Klage eindeutig. »Die deutsche und europäische Linke und die Gewerkschaften haben nicht genug in die Waagschale geworfen, um SYRIZA zu unterstützen und eine solidarische europäische Lösung der Finanzkrise zu erzwingen. Gerade das Kräfteverhältnis in Deutschland ist aber wichtig, da Deutschland in der EU dominanter denn je ist. Die Entwicklungen zeigen, dass sich die deutsche Regierung weiterhin auf das erfolgreiche Exportmodell und die Einbindung relevanter Teile der Lohnabhängigen stützen kann. Dem hat die Linke bisher wenig entgegenzusetzen.« (Thomas Sablowski in der Jungen Welt)

Die griechische Linksregierung habe letztlich kapituliert. »Dieser Demoralisierung und Enttäuschung kann nur begegnet werden, indem die europäische Linke eine offene und selbstkritische Debatte über die Lehren aus der aktuellen Niederlage führt.«

Diese politische Selbstkasteiung der Linken ob ihres Versagens hilft überhaupt nicht weiter, zumal sie den gesamteuropäischen Entwicklungskontext außer Acht lässt. Die Führungsrolle Deutschlands, die bislang in der massiven Durchsetzung von Austeritätsregimen besteht, muss überwunden werden, indem sich die Hegemonialmacht von einer auf Leistungsbilanzüberschüsse ausgerichteten Wirtschaftspolitik verabschiedet und eine eher ausgeglichene Handelsbilanz anstrebt. Dass diese zivilisatorische Entwicklungslinie bei den wirtschaftlichen und politischen Eliten auf wenig Rückhalt stößt, darf nicht dazu führen, über diesen alternativen Entwicklungsweg nicht weiter nachzudenken.

Stattdessen lautet einer der »selbstkritischen« Denkanstöße: »Letztlich hat es aber die Linke in Europa versäumt, ernsthafte Überlegungen für einen Plan B zu entwickeln. In den Verhandlungen mit den Gläubigern hat sich die Linksregierung damit jeglicher Alternativen beraubt. Durch den Verzicht auf einen Plan B blieb am Ende nur eine einzige Option: Um jeden Preis im Euro zu bleiben. Entsprechend konnten die Institutionen den Preis fast beliebig in die Höhe treiben und die Regierung musste am Ende allem zustimmen, weil sonst nur der Bruch blieb, der unbedingt vermieden werden sollte.« (Wissler/Gohlke)

In dieser Sichtweise wird ausgeblendet, dass es schon seit längerem innerhalb der politischen Linken eine Debatte um die Frage gibt, ob der Euro nicht gescheitert sei. Bereits im Frühjahr 2013 eröffnete Oskar Lafontaine in der »Saarbrücker Zeitung«, gestützt auf eine Ausarbeitung von Heiner Flassbeck und Costas Lapavitsas sowie Analysen von Fritz Scharpf und Wolfgang Streeck, eine Debatte über den europapolitischen Kurs. Fernab der Parteigremien warb Lafontaine für einen Kurswechsel.

»Ich selbst habe als überzeugter Europäer den Euro lange Jahre befürwortet. Denn ich ging davon aus, dass es gelingen würde, die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsländer zu koordinieren, vor allem die Lohnpolitik. Das ist leider nicht eingetreten. In Südeuropa sind die Löhne und Ausgaben zu stark gewachsen, während in Deutschland ein massives Lohndumping betrieben wurde. Jetzt sollten wir zum früheren europäischen Währungssystem zurückkehren, das Auf- und Abwertungen nach gegenseitigen Absprachen ermöglicht. Neben dem Euro müssen dazu wieder nationale Währungen eingeführt werden.«

Im Verbund mit vielen skeptisch gewordenen Europäern plädierten Oskar Lafontaine, Sahra Wagenknecht, Heiner Flassbeck u.a. dafür, die grundlegende Fehlentwicklung in Europa nicht nur einfach zur Kenntnis zu nehmen. Sie sehen keinen Sinn mehr, sich für eine demokratische Vertiefung der europäischen Institutionen einzusetzen. Deshalb gehe es jetzt um Rück- statt Aufbau einer demokratisch gestalteten Euro-Zone. Die Rückkehr in die nationalstaatliche Wagenburg sei unvermeidlich, um »die Reste jener politischen Institutionen so gut wie möglich zu verteidigen und instand zu setzen, mit deren Hilfe es vielleicht gelingen könnte, Marktgerechtigkeit durch soziale Gerechtigkeit zu modifizieren und zu ersetzen«.

Die Debatte von 2013 (siehe hierzu auch unseren Kommentar Der Euro, neoliberale Austeritätspolitik und DIE LINKE auf dieser Website) erfährt heute eine erneute Zuspitzung mit der Grexit-Option von links. Wissler und Gohlke schreiben: »Ein selbstbestimmter Grexit von links ist sicherlich keine einfache Lösung. Gerade die ökonomischen Folgen sind unter linken Ökonomen und WissenschaftlerInnen sehr umstritten und erscheinen derzeit kaum absehbar. Zumindest kurzfristig könnte der Grexit mit schweren sozialen Verwerfungen, ökonomischen Abstürzen und weiterer Verelendung verbunden sein. Immerhin könnte aber auch – und wir meinen, diese Optionen sind es zumindest wert, einmal ernsthaft gedacht zu werden – ein neuer politischer Handlungsspielraum entstehen: mit einer selbst gesteuerten Kreditvergabe, eigenen Maßnahmen gegen Kapitalflucht und zur Besteuerung der Reichen ohne Mitsprache durch die Troika. Ein solcher Schritt bedeutet für die politisch Verantwortlichen natürlich ein schwer kalkulierbares Risiko. Die Sorge, dies politisch verantworten zu müssen, würde einen Aufbruch ins Ungewisse von Anfang an begleiten.«

Und sie argumentieren weiter: »Eine Lehre aus der Niederlage ist, die Prämissen unserer eigenen Politik zu überdenken und den Bruch zu wagen. Den Bruch mit einer EU, die Nationalismus, Abschottung und imperialistische Konflikte stärkt und nicht überwindet, den Bruch mit einer rein parlamentarischen Politik, die Parteien auf Wahlvereine und Parlamente auf die Durchsetzung der Interessen von Lobbygruppen reduziert.«

Es überwiegt bei dieser Argumentation der Wunsch nach Veränderung, der aber die gegenwärtigen Realitäten innerhalb der europäischen Gesellschaften ausblendet und modellhaft etwas anbietet, was als politische Handlungsoption auch eine massive Verschärfung der sozialen Katastrophe nicht ausschließt. Was wäre denn der Effekt eines »freiwilligen« Ausstiegs aus dem europäischen Währungsverbund? Soll sich die politische Linke in Europa aus dem Kampffeld um eine Demokratisierung Europas, um eine wirtschaftliche und soziale Steuerung verabschieden und in einer Renationalisierung von Ökonomie und Politik eine Alternative entwickeln?

Den jetzt anlaufenden Verhandlungsprozess in Griechenland kann man anders deuten. Wir teilen die Bewertung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras vor dem Parlament, dass die Lösung, die akzeptiert werden musste, keineswegs gut ist. »Sie war bloß die am wenigsten katastrophale, für Griechenland und für Europa.« Oder noch deutlicher: »Ich sehe keinen einzigen alternativen Vorschlag in Bezug auf das erpresserische Dilemma vom 12. Juli.«

Es ist daher eine Verkürzung, der griechischen Verhandlungskommission ein »Einknicken« oder sogar »Verrat« vorzuwerfen, weil sie nicht mit einem eigenen Plan B – der Androhung eines Grexit von der griechischen Seite – in die Auseinandersetzung gegangen sind. Aus der Sicht der linken Kritiker haben Alexis Tsipras und die Mehrzahl der Abgeordneten von SYRIZA keinen Weg gefunden, dieser Erpressung zu entgehen. Die Regierung habe zwar den unmittelbaren Sturz verhindern können, »aber dieses taktische Glanzstück konnte natürlich nicht über das strategische Problem hinwegtäuschen, dass sie keinen Plan B für einen eventuellen Austritt aus der Euro-Zone hatte, sich vielmehr festgelegt hatte, diesen unter allen Umständen zu vermeiden und insofern auch der Erpressung durch die finanzielle Strangulierung des Landes nichts entgegensetzen konnte.« (Sablowski)

»Den Vorwurf des Verrats … kann man nur erheben, wenn man übersieht, dass Tsipras sowohl vor seinem Wahlsieg vom 15. Januar als auch vor dem Referendum vom 5. Juli versprochen hat, gegen den Grexit zu kämpfen. Dass er diesen am Ende nur zu demütigenden Bedingungen verhindern konnte, ist bitter, aber kein Verrat«, schreibt zu Recht Nils Kadritzke in seinem Beitrag Was nun, Alexis Tsipras? auf den »Nachdenkseiten«.

Es ist außerdem unzureichend, den Plan B in erster Linie an der Geldversorgung festzumachen. Bislang werden die Debatten darüber vom linken Flügel von SYRIZA und dem ehemaligen Finanzminister Yanis Varoufakis auf die Sicherung der gesellschaftlichen Zirkulation konzentriert. Jede realistische Krisenanalyse verdeutlicht aber, dass, selbst wenn alle Schulden gestrichen würden, in Griechenland noch immer massive gesellschaftliche Defizite für die Entwicklung einer soliden, nachhaltigen Wachstumsbasis bestehen.

Ein angemessenes Wirtschaftswachstum ist unverzichtbar, um einen Abbau der Arbeitslosigkeit zu erreichen und eine weitere Erosion der sozialen Bedingungen in Griechenland zu verhindern. Die Frage nach der Geldversorgung und dem Umgang mit den aufgelaufenen Schulden kann deshalb nur der Auftakt zur Klärung der Bedingungen eines nachhaltigen gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses sein.

Die grundlegende Schwäche einer Grexit-Konzeption von links ist diese Verkürzung auf die Zirkulationsfrage. Laut einem Bericht »Financial Times«, habe der Chef der Linken Plattform, Ex-Energieminister Panyiotis Lafazanis, folgende Konzeption verfolgt: »Die SYRIZA-Regierung soll die Kontrolle über die staatliche Münzanstalt übernehmen, wo die Hauptvorräte der Bargeldreserven des Landes liegen«. Die Geldreserven in Höhe von 22 Mrd. Euro reichten aus »um Pensionen und Gehälter für den öffentlichen Sektor zu bezahlen und Griechenland mit Nahrungsmitteln und Treibstoff zu versorgen, während man die Einführung einer neuen Drachme vorbereitet«.

Das mag zutreffend analysiert sein, aber was kommt nach dieser Phase? Nach Lafazanis sollte die (unabhängige) griechische Zentralbank (Trapeza tis Ellados oder TtE) »auf der Stelle ihre Unabhängigkeit verlieren und unter Kontrolle der Regierung gestellt; ihr Präsident Yannis Stournaras würde verhaftet werden, falls er sich, wie zu erwarten, gegen diese Maßnahmen stellen würde«. Zusammengefasst: »Unser Plan ist auf die Schaffung einer nationalen Währung gerichtet. Das ist etwas, was wir bereits hätten tun sollen. Aber jetzt können wir es tun.«

Ministerpräsident Tsipras hat klargestellt, dass diese Debatten in der Linken Plattform keine Relevanz für das Regierungshandeln hatten. Im Gegenteil: ein »Plan B« habe bei allen Diskussionen in der Regierung niemals Zustimmung gefunden. »Wenn manche glauben, dass ein alternativer linker Plan der Schäuble-Plan sein kann, oder die Erbeutung (wörtlich: Raub) der Banknotenbestände der EZB, oder dass wir den Rentnern IOU-Papiere statt Renten geben, dann sollen sie kommen und das dem griechischen Volk erklären.«

Der Grexit, der am Ende des Plans eintreten sollte, wäre faktisch über Nacht durch massiven Rechtsbruch eingeleitet worden, als unkontrollierter Zahlungsausfall und Staatsbankrott – statt eines »samtenen« Grexit, den der Chefökonom der Linken Plattform, Kostas Lapavitsas, verfolgt.

Es ist eine nicht untypische Verkürzung, dass sich die Diskussion über einen linken Plan B wiederum auf die Schaffung eines neuen Währungszusammenhanges konzentriert. Schon Marx spöttelte über diese Kurzsichtigkeit: »Wir sind hier bei der Grundfrage angelangt … Können durch Änderung im Zirkulationsinstrument – in der Organisation der Zirkulation – die bestehenden Produktionsverhältnisse und die ihnen entsprechenden Distributionsverhältnisse revolutioniert werden? Fragt sich weiter: Kann eine solche Transformation der Zirkulation vorgenommen werden, ohne die bestehenden Produktionsverhältnisse und die auf ihnen beruhenden gesellschaftlichen Verhältnisse anzutasten? … innerhalb der bürgerlichen, auf dem Tauschwert beruhenden Gesellschaft erzeugen sich sowohl Verkehrs- als Produktionsverhältnisse, die ebenso viel Minen sind, um sie zu sprengen. (Eine Masse gegensätzlicher Formen der gesellschaftlichen Einheit, deren gegensätzlicher Charakter jedoch nie durch stille Metamorphose zu sprengen ist. Andrerseits, wenn wir nicht in der Gesellschaft, wie sie ist, die materiellen Produktionsbedingungen und ihnen entsprechenden Verkehrsverhältnisse für eine klassenlose Gesellschaft verhüllt vorfänden, wären alle Sprengversuche Donquichoterie.)« (Karl Marx, Grundrisse der Kritik der Politischen Ökonomie, in: MEW 42, S. 72ff.)

Selbstverständlich ist in Griechenland die Versorgung mit Geld und weiter Kredit ein entscheidender Hebel für die politische Erpressung gewesen. Allerdings steht hinter der Frage der Expansion der Kredite eine viel radikalere Problematik: Griechenland leidet vor allem seit dem Ausbruch der Großen Krise 2008 unter einer schweren Deformation der Produktionsstrukturen. Wenn das Land aus der Kreditabhängigkeit heraus will, muss es eine Rekonstruktion seines Wirtschaftspotenzials einleiten.

Die deutlich abgestürzte Wirtschaftsleistung resultiert nicht aus einer konjunkturellen Unterauslastung, sondern die Produktionsverhältnisse vor dem Krisenniveau sind faktisch weitgehend zerstört. Die fast halbierte Industrieproduktion muss durch neue, weltmarktfähige Produktionszweige ergänzt werden. Es geht um eine Rekonstruktion der Warenproduktion, um entweder die heimischen Bedürfnisse durch Eigenproduktion zu decken oder um Exportgüter herzustellen, die am Weltmarkt gegen die im Inland nachgefragten Güter getauscht werden können.

Mit der Beschlagnahme der Euro-Banknotenbestände und einer wie auch immer gearteten Besetzung der griechischen Zentralbank sowie der Umgestaltung des Bankensystems wäre faktisch ein Staatsbankrott deklariert worden. Ein ungeordneter Austritt Griechenlands aus dem Eurosystem hätte zugleich erhebliche wirtschaftliche und politische Risiken aktualisiert. Angesichts der unzureichenden Kommunikation hätte dies die Einleitung eines umfassenden Scheiterns des Landes bis hin zu einem »failed state« sein können.

Eine kleine politisch Minderheit hätte auf diese Weise die Initialzündung für ein allgemeines Sparprogramm (im Sinne von Konsumverzicht) geliefert, weil die Ansprüche der Privaten gegenüber dem Ausland über Nacht entwertet wären und die einsetzenden Reallohneinbußen über steigende Preise den Lebensstandard hätten weiter absinken lassen. Die in Euro oder anderen Auslandswährungen denominierten Auslandsverbindlichkeiten des Privatsektors hätten unzweifelhaft eine weitere Insolvenzwelle ausgelöst.

Der Schlüssel zur Rückkehr zu einem nachhaltigen Wohlstand in Griechenland liegt im Aufbau von neuen Produktionsstrukturen, einer Revitalisierung der Ökonomie, die in der mittleren Perspektive wiederum den Einbezug eines Großteils der Bevölkerung in das Wirtschaftsleben eröffnet. Wenn diese zentralen Voraussetzungen nicht geschaffen werden, werden auch alle anderen Maßnahmen keine nachhaltige Besserung für die griechische Bevölkerung bringen können.

Entscheidend für die Rekonstruktion der griechischen Ökonomie, den Abbau der Staatsschuldenquote und die Rückkehr zu einem stabilen Entwicklungspfad sind die Investitionen. Griechenland kann wachsen, aber die dafür notwendigen Investitionen können gegenwärtig kaum im Inland aufgebracht werden. Deshalb kommt dem europäischen Investitionsplan eine zentrale Bedeutung zu.

Für einen tragfähigen Schuldenstand wäre eine nominale Wachstumsrate – das heißt einschließlich der Inflation – von 2 Prozent wichtig. Das ist nach einer langen Abwärtstendenz nicht besonders schwer zu erreichen. Aber man muss dem Land die Möglichkeit geben, zu wachsen. Und: Aktuell sind die Preise in Griechenland immer noch am Fallen, man muss das Land also auch aus der Deflation bringen.

Diesen Weg zu propagieren und zu popularisieren, um die Voraussetzungen einer Umsetzung zu schaffen, wäre ein wirklicher Plan B.

Joachim Bischoff ist Mitherausgeber, Björn Radke ist Mitglied der Redaktion der Zeitschrift »Sozialismus«. Ihr Text erschien zuerst auf der Website der Zeitschrift.

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