Max und die Grenzen der Roboterwelt

Ein Forschungsteam an der TU Ilmenau in Thüringen entwickelt elektronische Alltagshelfer für Senioren

  • Andreas Göbel, Ilmenau
  • Lesedauer: 5 Min.
Seit Jahren ist von Hilfsrobotern für Senioren die Rede, doch der technische Weg dorthin ist schwierig. Ilmenauer Forscher sind relativ weit gekommen, doch die Spracherkennung etwa klappt noch nicht.

Als Ingrid Rose nach Hause kommt, wartet Max bereits an der Tür. Die ältere Dame lobt ihn für seine Aufmerksamkeit und tätschelt sanft seinen Hinterkopf, er schnurrt zufrieden. »Komm«, sagt sie, er folgt ihr langsam ins Wohnzimmer, immer bereit für ein neues Kommando. Später wird Max den Puls messen, danach wird Frau Rose über ihn ein Telefonat mit ihrem Hausarzt führen, um die aktuellen Werte zu besprechen.

Was wie Zukunftsmusik klingt, könnte bald in deutschen Wohnungen und in Pflegeeinrichtungen Einzug halten: »Max« ist ein 1,20 Meter großer, gelber Roboter. Sein Gesicht erinnert mit den großen Augen und der runden Nase etwas an ein Spielzeugtelefon für Kleinkinder, auf der Brust ist ein großes Display mit Touchscreen angebracht. Noch ist Max nur in einer Testphase, der Tag bei Frau Rose soll Aufschlüsse bringen, wie er sich im Alltag schlägt.

Denn der hat es für künstliche Intelligenzen durchaus in sich, erklärt Horst-Michael Groß vom Fachbereich Neuroinformatik und Kognitive Robotik an der TU Ilmenau, der seit drei Jahren das Projekt koordiniert. »Von den Robotern, die wir aus Hollywoodfilmen kennen, sind wir in der Realität noch meilenweit entfernt«, erklärt er. Tatsächlich sieht die Roboter-Welt noch sehr ernüchternd aus.

Drei Jahre hat das Team um Groß im Forschungsprojekt Serroga (SERvice-RObotik für die Gesundheits Assistenz) an scheinbar simplen Aufgaben für Max gearbeitet. Einige der Ziele: Max soll sich in fremden Umgebungen eigenständig zurechtfinden. Er soll Menschen erkennen und auf Befehle reagieren. Er soll kommen, wenn er gerufen wird und sich selbst aufladen, wenn er nichts zu tun hat. Und, vielleicht die wichtigste Aufgabe: Er soll erkennen, wenn ein älterer Mensch zu Hause gestürzt ist und bei Bedarf Hilfe holen. Bereits bei diesen recht einfachen Dingen stoßen Roboter der heutigen Generation sehr schnell an ihre Grenzen. »Die Erfolgsquote der Personensuche lag bei etwa 75 Prozent, das gilt in Fachkreisen als gut«, sagt Groß. So sind die Forscher mit den Ergebnissen durchaus zufrieden.

Als Groß den Blickwinkel von Max zeigt, wird das Problem klarer: Wenn Frau Rose bewegungslos zwischen Kissen und Decken auf ihrem Sofa sitzt und Gegenlicht durch das Fenster hinter ihr fällt, ist sie auf dem Bild tatsächlich nur schwer auszumachen. Da kann es schon vorkommen, dass Max die alte Kuckucksuhr und den Stuhl darunter als Frau Rose anspricht. Auch die Frage, ob vor ihm auf dem Teppich ein Kaffeebecher oder eine Katze liegt, kann ihre Tücken haben.

Doch solche Fehler kommen mit fortschreitendem Training und besserer Technik immer seltener vor. In der »Lernphase« fährt Max einige Runden durch die Wohnung, erstellt eine dreidimensionale Karte und stellt jede Menge Hypothesen auf, die er dann mit der Realität abgleicht. »Natürlich könnten wir Max auch mit eigenen Spezialkameras ausstatten, die die Erkennung verbessern würden«, sagt Groß. »Unser Ziel, einen alltagstauglichen Roboter für unter zehntausend Euro zu bauen, wäre so aber nicht umsetzbar.« Tatsächlich sind alle ähnlichen Konzepte von Robotern wie der Robo-Seehund »Paro« oder der sehr menschenähnlich gestaltete »Asimo« derzeit mindestens um ein Zehnfaches teurer. Die erste Version des Pflegeroboters »Care-o-bot« vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung sollte rund eine Viertelmillion Euro kosten. Außerdem darf man sich von den Erfolgsmeldungen in der Presse nicht täuschen lassen, sagt der Fachmann: »Fast alle aktuellen Roboter sind nur im Labor getestet.« Die Realität ist für die künstlichen Helfer um ein Vielfaches verwirrender, komplizierter und kaum zu bewältigen.

»Spracherkennung ist immer noch ein riesiges Problem«, erklärt Groß. Was beim Smartphone leidlich klappt, wird bereits bei einer etwas entfernt sprechenden Person zur Unmöglichkeit. Umso mehr, wenn sich mehrere Menschen unterhalten oder im Hintergrund ein Fernseher vor sich hin plappert. Auch einen Türgriff zu betätigen ist eine kaum zu meisternde Aufgabe für Roboter. Erst recht für Max: Er hat keine Arme.

Frau Rose ist dennoch - ähnlich wie die anderen Tester - sehr angetan von dem neuen, garantiert stubenreinen Begleiter. Die Lieblingsbeschäftigung der Tester mit Max hat aber selbst Groß überrascht: »Die meiste Zeit spielten sie mit Max verstecken: Aus der Ecke eines Raums riefen sie Max und er musste sie finden.« Bei Erfolg gab es Streicheleinheiten und Lob. Größter Kritikpunkt waren die wenigen Funktionen, die Max bisher beherrscht. Doch genau dieses Problem soll das neue Anschlussprojekt lösen, an dessen Ende die Marktreife von Max' großem Bruder stehen soll.

Während die Forscher der TU Ilmenau dem Roboter die Intelligenz beibringen und die Ilmenauer Firma MetraLabs die Konstruktion übernimmt, soll »Paul« (für »Persönlicher Assistent für unterstütztes Leben«) die nötige Funktionalität beisteuern: In diesem Fall ist das ein spezieller Tablet-PC für Senioren, der am Ende bis zu 70 Funktionen bieten wird wie die Erinnerung an Medikamente, Notrufe oder das Surfen im Internet sowie Videotelefonie. Durch den Roboter kommt das Gerät auf Zuruf zum Nutzer, wenn es gerufen wird oder ein Anruf herein kommt. Es lädt sich immer selbst auf und schlägt Alarm, wenn der Nutzer in der Wohnung stürzt. Entwickelt wurde das Tablet-System an der Uni Kaiserlautern, umgesetzt von der Firma Cibek aus Rheinland-Pfalz.

Ab 2018 könnte die Kombination aus autonomem Roboter und Tablet-PC bereits erhältlich sein. Dass es am Ende einen Markt für die rund 9000 Euro teuren Geräte geben wird, steht für Groß außer Frage: »Es gibt durchaus Senioren, die sich so etwas leisten - etwa als Ersatz für ein Auto, wenn es mit dem Fahren nicht mehr so klappt.« Auch Leasingkonzepte seien denkbar. Betreiber von Senioren-Wohnanlagen könnten die Roboter-Begleiter zur Miete anbieten. Eine Aussicht, die mit fortschreitendem Pflegenotstand immer wahrscheinlicher werden dürfte.

»Sympartner« nennt sich das neue Forschungsprojekt, das den begabteren Nachfolger von Max hervorbringen soll. Eines ist aber bereits jetzt klar: Die Benutzung eines Türgriffs wird auch für den großen Bruder von Max ein Mysterium bleiben.

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