Modernes Märchen

Angeles García: Ein Roman, der etwas von einem Lebensratgeber hat

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 2 Min.

Es ist nicht das, was man gemeinhin unter Gegenwartsliteratur versteht, obwohl dem Buch durchaus ein ernstes Gegenwartsproblem zugrunde liegt. Aber dies wird in einer absichtsvoll konstruierten Geschichte erörtert, auf eine Weise, dass jemand für sich Lehren ziehen kann. Dieser Jemand dürfte eine Frau sein, die aus Sehnsucht nach Liebe immer wieder Versuche startete, die alle irgendwie schief gegangen sind. Eine emanzipierte Frau, die so tut, als brauche sie gar keinen Mann zu ihrem Glück und die sich auch manchmal selber einredet, ihr beruflicher Erfolg sei das wichtigste auf der Welt. So eine ist Alexis aus diesem kleinen Roman der Spanierin Angeles García. Alexis hat es mit 36 Jahren zur Kreativdirektorin eines renommierten Modehauses gebracht. Da hat die Autorin in die Traumberufskiste gegriffen, aber es sollte ja auch ein Märchen werden.

Erstmal ein bisschen Spannung: Alexis soll zu einer Modemesse gebracht werden, aber sie wacht in einer einsamen Berghütte auf. Wurde offenbar im Taxi betäubt … Nun, das mag, wer will, selber lesen. Die ganze Geschichte läuft jedenfalls auf einen Einsiedler zu, der Alexis zu einer Höhle führt. Darin ein Teich mit angeblich lebensklugen Fischen. Man erzähle ihnen eine Geschichte, und sie ordnen am Grund des Sees Steine so an, dass man daraus ein Orakel lesen kann.

Wem das Buch schon bei dieser Ankündigung zweifelhaft erscheint, der sei beschwichtigt: Mir ging es beim Lesen stellenweise ebenso. Zu einfach gestrickt das Ganze (natürlich sind es am Schluss nicht die Fische, die Ratschläge fürs Leben geben). Auch die diversen Liebesabenteuer, die Alexis beichtet, haben etwas Klischeehaftes. Andererseits: Im Klischee ist eben etwas, das sich häufig wiederholt, in dem viele sich wiedererkennen werden: das Dilemma von modernen, selbstbestimmten Frauen, bei all ihrer Klugheit immer wieder Enttäuschungen, Demütigungen hinnehmen zu müssen und ärgerlich auf sich selber zu sein, weil sie sich so irren konnten, als sie sich verliebten.

Immer und immer wieder so ein Desaster. Das ist schon ernst zu nehmen, ein verbreitetes Leiden, aber Fischteich nebst Einsiedler sind leider nicht in die Wirklichkeit zu bringen.

Sind die »Lehren«, die Alexis bekommt, zu einfach? Ja und nein. Was wohlfeil scheint, ist doch noch lange nicht leicht zu beherzigen. Was tun gegen die Ungeduld bei der Suche nach dem Glück?

Angeles García: Das Fischorakel. Aus dem Spanischen von Kirsten Brandt. Lübbe. 206 S., geb., 12 €.

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