Am Tropf der Erwerbsarbeit
Für Peter Weissenburger bekommen Hausfrauen und -männer nicht die Anerkennung, die ihnen eigentlich zusteht
Das Betreuungsgeld ist höchstrichterlich abgeschafft. Damit werden rund eine Milliarde Euro an öffentlichen Geldern frei. Diese Milliarde liegt jetzt als Zankapfel zwischen den politischen Lagern: Soll das Betreuungsgeld auf Landesebene weitergezahlt werden, um die traditionelle Familie zu stärken? Oder soll es in den Ausbau von Kitaplätzen fließen, um so Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern? Diese Grundsatzdebatte nutzen vor allem CDU und SPD zur Stärkung ihrer Profile. Denn nirgendwo sonst können sich die Volksparteien so gut voneinander abgrenzen wie in der Familienpolitik. Und so werden die einen zu den Familienzerstörern, die anderen zu Emanzipationsbremsen stilisiert. Was dabei ausbleibt, ist eine viel wichtigere Debatte: über den Wert von Familien und von Familienarbeit.
Nehmen wir als Beispiel die Auseinandersetzung zwischen den Spitzenkandidatinnen von SPD und CDU bei der kommenden Landtagswahl in Rheinland-Pfalz: Ministerpräsidentin Malu Dreyer freut sich über den Karlsruher Beschluss und bezeichnet das Betreuungsgeld als »falschen Weg«, weil es Frauen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen habe. Das lässt sich Herausforderin Julia Klöckner nicht bieten. Die Konservative wirft Dreyer vor, den Arbeitsmarkt über alles zu stellen und die Familie »nur noch als Wirtschaftseinheit« zu sehen.
Damit trifft Klöckner - das hat sie sicher nicht gewollt - den Nagel auf den Kopf. Was der Debatte um das Betreuungsgeld fehlt, ist genau das: dass die Familie als Wirtschaftseinheit verstanden wird. Als Wirtschaftseinheit, in die Arbeits- und Lebenskraft fließt, die Waren konsumiert und Produkte hervorbringt. Das mag herzlos klingen, und das ist es auch. Aber in der Diskussion geht es schließlich um Umverteilungspolitik. Daher hat jedes Argument, das kein wirtschaftliches ist, das Thema verfehlt.
In der Familie wird Arbeit geleistet, die sonst anderswo teuer eingekauft werden muss. Ein Kitaplatz kostet den Staat 1000 Euro im Monat - und es wird vermutlich teurer, denn die Erzieher und Erzieherinnen kämpfen gerade für bessere Arbeitsbedingungen. Deshalb ist praktisch: Wer dieselbe Leistung zu Hause erbringt - und das sind immer noch überwiegend Frauen -, macht das umsonst. Natürlich! Es handelt sich ja schließlich um einen Liebesdienst. Einen Liebesdienst, für den viele Frauen ihre finanzielle Unabhängigkeit aufgeben und Altersarmut riskieren.
Gegen diese wirtschaftliche Diskriminierung helfen staatlich finanzierte Kitaplätze. Sie erlauben Eltern, Vollzeit zu arbeiten und so ihr Überleben und ihre Zukunft zu sichern. Soweit ein Punkt für Dreyer und die Sozialdemokraten. Aber - und hier ist den Konservativen zuzustimmen - auch diese Politik ist letztlich nicht familienfreundlich. Sie macht Erwerbsarbeit zur Norm und trägt damit dazu bei, dass Familienarbeit immer unattraktiver wird - für Frauen und erst recht für Männer, die ihren Teil zur Gleichberechtigung beitragen müssen.
Das grundsätzliche Problem ist: Was in Familien geleistet wird, wird nicht wertgeschätzt. Es gibt Lippenbekenntnisse zu Familien als »Leistungsträger« - beispielsweise von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD). Aber in vielen Fällen macht das Kindererziehen arm. In jedem Fall macht es finanziell abhängig und schließt von gesellschaftlicher Teilhabe aus.
Und so hat Klöckner recht, wenn sie eine »verbesserte finanzielle Anerkennung der Erziehungsleistung der Eltern« fordert. Nur: 150 Euro Elterngeld im Monat sind keine finanzielle Anerkennung. Ein Bonus vielleicht, eine Schweigeprämie. Finanzielle Anerkennung kann nur in Form eines Einkommens erbracht werden. Das wiederum müsste ein Einkommen sein, das die Grundversorgung deckt und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt. Dann könnte man davon reden, dass Familienarbeit einen hohen Stellenwert hat.
Dieser Vorschlag würde Klöckner jedoch zu weit gehen. Es handelt sich auch nicht um eine konservative Idee, sondern um eine zentrale Forderung aus der Frauenbewegung der 1980er Jahre. »Lohn für Hausarbeit« war damals die Parole. Eine Bezahlung von häuslicher Arbeit und Kindererziehung sollte die Familien vom Arbeitsmarkt unabhängig machen.
Das ist nicht passiert. Familienarbeit hängt weiter am Tropf der Erwerbsarbeit. Finanzielle und persönliche Anerkennung bekommt man im Job, nicht zu Hause - beim Aufwischen von Erbrochenem. Das ist der Kern des Problems. Daran aber diskutieren beide Parteien fröhlich vorbei.
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