Das Land verödet

Besonders Ostdeutschland ist vom Bevölkerungsrückgang betroffen

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Menschen zieht es vom Land in die Stadt. In den schrumpfenden Regionen hierzulande wird dies zu einem ernsthaften Problem.

Ohne Zuwanderung sieht Harald Hermann schwarz. »um die Bevölkerung langfristig konstant zu halten, müsste Deutschland jedes Jahr Wanderungsgewinne von circa 400 000 Personen erzielen«, warnte der Direktor des Bundesinstituts für Bau, Stadt- und Raumforschung (BBSR) bei der Vorstellung einer Studie seines Instituts zu schrumpfenden Städten am Donnerstag in Berlin. Ansonsten, so seine Prognose, werde die Einwohnerzahl in Deutschland bis zum Jahr 2035 auf 78,2 Millionen Menschen zurückgehen und die Alterung der Bevölkerung fortschreiten.

Die Regionen hierzulande werden demnach ganz unterschiedlich vom Bevölkerungsschwund betroffen sein. »Vom Land in die Stadt«, lautet der allgemeine Trend, den die BBSR-Forscher feststellen. Während Metropolenregionen wie Hamburg oder Berlin auch in den kommenden 20 Jahren weiter wüchsen, werde vor allem der ländliche Osten entvölkert. Fast überall werde dort die Bevölkerung um mehr als ein Fünftel zurückgehen. Bei den Erwerbstätigen werde sich der Rückgang in vielen Regionen der neuen Bundesländer sogar auf über ein Drittel belaufen, weil vor allem gut ausgebildete, junge Menschen dem Dorf den Rücken kehrten.

Diese Entwicklung ist nicht neu und sie ist nicht allein auf Deutschland beschränkt. Weltweit ziehen pro Tag etwa 180 000 Menschen vom Land in die Stadt, und seit mittlerweile fünf Jahren lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten. Doch was Hermann und seine Wissenschaftler erschreckt, ist, wie schnell die Regionen hierzulande auseinanderdriften.

So ist in den Großstädten die Bevölkerung von 2008 bis 2013 um 2,8 Prozent gestiegen. Am meisten Zulauf erhielten dabei Münster mit einem Wachstum von 8,9 Prozent, Frankfurt am Main (7,6 Prozent) und Darmstadt (7,3 Prozent) Auch die ostdeutschen Städte Leipzig, Potsdam oder Dresden, die bundesweit zu den zehn Städten mit dem größten Plus gehören, profitierten von dem Trend. Doch in den Mittel- und Kleinstädten der neuen Bundesländer sieht die Lage wieder ganz anders aus. Sie verzeichneten ein Minus von 2,6 und 4,2 Prozent. Besonders stark schrumpfen mit 5,3 Prozent die kleinen Gemeinden unter 5000 Einwohnern.

Der Immobilienwirtschaft bereitet dies bereits Kopfschmerzen. Während sie in den boomenden Großstädten gute Geschäfte macht, weil dort der Wohnraum immer knapper wird und die Mieten steigen, beklagt sie sich anderswo über wachsenden Leerstand. »Die ostdeutschen Bundesländer stehen am Beginn einer zweiten Leerstandswelle. Wenn der Abriss in den neuen Ländern nicht weiter vorangetrieben wird, könnte es bis zum Jahr 2030 zu einer Verdreifachung des Leerstandes kommen«, meint etwa Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Von den insgesamt 580 000 Wohnungen, die Ende 2014 in Ostdeutschland leer standen, gehören rund 165 000 Wohnungen Unternehmen, die der GdW vertritt.

Für den BBSR-Direktor Hermann beschränken sich diese Probleme jedoch nicht auf die Wohnungswirtschaft allein. »Die strukturschwachen Regionen laufen Gefahr, wirtschaftlich noch weiter zurückzufallen«, warnt Hermann. Die Sicherung gleichwertiger Lebensbedingungen wird ihm zufolge in diesen Regionen eine Hauptaufgabe sein. Denn die Menschen in diesen Schrumpfungsregionen benötigten weiterhin eine verlässliche Infrastruktur. Kitas und Schulen, Ärzte und Apotheken, Pflegeheime, Läden, Sparkassen- und Postfilialen. Aber auch ein bedarfsgerechter öffentlicher Nahverkehr gehören für den Forscher dazu.

Damit diese Aufgaben weiter erfüllt werden können, rät Hermann unter anderem, Klein- und Mittelstädte in abgelegenen Regionen als Zentren für das Umland auszubauen und dort stärker als bisher wichtige Infrastruktur zu bündeln. Bereits jetzt erfüllten diese Städte »in besonderem Maße die Grundversorgung für die umliegenden Gemeinden«.

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