Merkel nun doch für Schuldenerleichterung
Unionsfraktion vor Abstimmung im Bundestag uneins / LINKE-Abgeordnete diskutieren über Votum
Berlin. Kanzlerin Angela Merkel hat sich nun doch dafür ausgesprochen, Griechenland mit Schuldenerleichterungen entgegenzukommen. Sie sehe bei der Höhe der Zinssätze und bei den Laufzeiten der Kredite noch Spielraum, sagte die CDU-Vorsitzende. Damit bewegt sich Berlin auf eine Forderung nicht nur der SYRIZA-geführten Regierung, sondern auch der Opposition im Bundestag und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zu.
Regierung und Unionsspitze sind in Sachen Griechenland-Politik zum Spagat gezwungen: Einerseits soll der IWF mit ins Boot des dritten Kreditprogramms geholt werden, was dieser nicht ohne deutliche Schuldenerleichterung der europäischen Gläubiger tun wird. Andererseits lehnte Berlin bisher Schuldenerleichterungen ab. Dazu, dass es vorerst keinen offiziellen Schuldenschnitt geben wird, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag: »Aus deutscher Sicht ist es ein Erfolg, dass von einem Haircut, also von einem nominalen Schuldenschnitt, jetzt nicht mehr die Rede ist.«
Der Bundestag stimmt an diesem Mittwoch in einer Sondersitzung über das neue Griechenland-Paket ab, das Kredite von bis zu 86 Milliarden Euro vorsieht. Im Gegenzug muss Athen harte und umstrittene Auflagen erfüllen, darunter Steuererhöhungen und Sozialkürzungen. Mit Spannung wird erwartet, ob es bei der Abstimmung diesmal mehr als 60 Nein-Stimmen aus den Reihen der Union geben wird, wie bei der letzten Abstimmung im Juli.
Der SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider wertete das Bundestagsvotum sogar als Entscheidung über die Zukunft von Angela Merkel. Wenn nun die Fraktion der Kanzlerin mehrheitlich gegen das Kreditprogramm wäre, »dann wäre das so ein Misstrauensbeweis, dass sie zurücktreten müsste«. Schneider geht allerdings davon aus, dass die Union mehrheitlich zustimmen wird. Für die SPD kündigte der Haushaltsexperte ein deutliches Votum für das Kreditprogramm an. Die Frage, ob der IWF mit dabei sei, sei für seine Fraktion »eher egal«, so Schneider.
Die Grünen signalisierten ebenfalls Unterstützung für den Regierungskurs, übten jedoch Kritik an der von Merkel verfolgten Krisenpolitik. Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, das Kreditprogramm müsse unter anderem mit einem Investitionsprogramm flankiert werden.
In der Spitze der Linkspartei hieß es am Montag, man wolle der Fraktion ein Nein bei der Abstimmung im Bundestag empfehlen. Eine Reihe von Abgeordneten meldete sich indes mit »Überlegungen« zu Wort, nicht mit Nein zu votieren. Der SYRIZA-geführten Regierung sei es gelungen, »die Differenzen zwischen den Gläubigern zu nutzen, um deutsche Pläne für einen Grexit zu durchkreuzen und sich Chancen - wenn auch begrenzt - für politische Korrekturen« zu erhalten. Dazu zählen die Autoren, darunter Parteivize Axel Troost und Schatzmeister Thomas Nord, auch die im Memorandum enthaltene Möglichkeit, »in einzelnen Bereichen soziale Reformen« durchzusetzen. Eine Enthaltung wäre zugleich »eine deutliche Abgrenzung« vom Nein »der deutschen und europäischen Rechtsaußen« zu dem Kreditprogramm, »hinter dem Entsolidarisierung und nationale Argumentationen stehen«. nd/mit Agenturen
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