UN-Sicherheitsrat stimmt für neue Syrien-Gespräche
Konfliktpartien sollen »politischen Übergang« mittels einer Übergangsregierung einleiten
Beirut. Der UN-Sicherheitsrat hat sich erstmals seit zwei Jahren wieder einstimmig für einen neuen Anlauf für Friedensgespräche im Bürgerkriegsland Syrien ausgesprochen. Die 15 Ratsmitglieder, darunter auch die Vetomacht Russland, stellten sich am Montag in New York hinter einen entsprechenden Vorschlag des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura. Die syrische Regierung warf de Mistura derweil nach seiner Kritik an den verheerenden Luftangriffen auf die Stadt Duma Parteilichkeit vor.
In der vom Sicherheitsrat verabschiedeten Erklärung werden die Konfliktparteien aufgefordert, den Bürgerkrieg über einen von Syrien angeführten politischen Prozess zu beenden und einen »politischen Übergang« einzuleiten. Dazu gehöre etwa die Schaffung einer Übergangsregierung mit »voller Exekutivgewalt«, die mit Zustimmung aller Seiten gebildet werden und gleichzeitig »Kontinuität« bei den Regierungsinstitutionen gewährleisten solle.
De Mistura hatte Ende Juli angekündigt, einen neuen Anlauf für eine politische Lösung unternehmen zu wollen. Die Gespräche in mehreren thematischen Arbeitsgruppen könnten bereits im September starten. De Mistura rief Regierung und Rebellen auf, über Themen wie den Schutz von Zivilisten, den Wiederaufbau und verfassungsrechtliche Fragen zu sprechen.
Es war das erste Mal seit zwei Jahren, dass sich das höchste UN-Gremium auf eine politische Erklärung zu Syrien einigen konnte. Der stellvertretende französische UN-Botschafter Alexis Lamek sprach von einer »historischen« Entscheidung. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, der Sicherheitsrat habe klargemacht, dass das Leiden in Syrien endlich ein Ende habe müsse und dass dies nur mit einer politischen Lösung gelingen könne.
Auch Beobachter lobten die einstimmig beschlossene Erklärung und sprachen von einer »beispiellosen Einigkeit«. Die Erklärung verdeutliche die »allgemeine Ermüdung« auf allen Seiten. Dennoch seien die UN-Bemühungen nur ein erster Schritt.
Der UN-Sicherheitsrat war in der Syrien-Frage zuletzt lange gespalten. Die Vetomacht Russland sperrte sich dagegen, den Druck auf die Regierung von Syriens Staatspräsident Baschar al-Assad zu erhöhen. Frühere Verhandlungen unter Schirmherrschaft der UNO waren 2012 und 2014 gescheitert. Während Assad vor allem über den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) sprechen wollte, ging es den Oppositionsgruppen zuvorderst um einen politischen Übergangsprozess im Land.
In der UN-Erklärung findet die politische Zukunft Assads keine Erwähnung. Diese war lange eines der Hauptstreitpunkte in den Gesprächen über ein Ende des Konflikts. Die Rebellen verlangen vor einer Einstellung der Kämpfe seinen Rücktritt. Der Oppositionsvertreter Haitham Manna sagte AFP, dieser heikle Punkt könne angesprochen werden, wenn die Ausschüsse ihre Arbeit aufgenommen hätten oder gegen Ende der Gespräche.
Seit Beginn der Kämpfe in Syrien im Frühjahr 2011 wurden Schätzungen zufolge rund 250.000 Menschen getötet. Mit zwölf Millionen Menschen ist fast die Hälfte der Bevölkerung auf der Flucht.
Bei einem der bislang schwersten Angriffe der Regierungstruppen waren am Sonntag in Duma nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mindestens 96 Menschen getötet und 240 verletzt worden. Neben anderen UN-Vertretern verurteilte auch de Mistura die Luftangriffe als »inakzeptabel«. Damaskus warf ihm daraufhin am Dienstag vor, nicht die seinem Amt angemessene Neutralität zu wahren. Seinen Äußerungen mangele es »an Objektivität und Fakten«. Stattdessen berufe er sich auf »Kreise, die für ihre Syrien-Feindlichkeit bekannt« seien, erklärte die Regierung.
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