Thailand jagt den Bombenattentäter

Weiterer Anschlag in Bangkok / Mögliche politische Motive noch immer nicht bekannt

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach dem Bombenanschlag in Bangkok suchen Thailands Behörden fieberhaft nach den Tätern. Derweil gab es einen zweiten Anschlag auf ein touristisches Ziel. Verletzt wurde jedoch niemand.

Wenige Stunden nach dem Bombenattentat vom Montag in Bangkok, das mindestens 20 Menschen den Tod brachte, darunter auch asiatischen, vorwiegend chinesischen Touristen, waren die Behörden einem Verdächtigen auf der Spur. Aufnahmen von Sicherheitskameras beim Erawan-Schrein, dem Tatort im Herzen von Bangkok, zeigten einen jüngeren Mann mit vollem Haar, gelbem T-Shirt und dunklem, offensichtlich schwerem Rucksack.

Der Unbekannte ließ den Rucksack langsam von seinem Rücken gleiten und am Boden liegen. Dann erhob er sich, schien mit seinem Telefon eine Kurznachricht zu senden und eilte davon. Eine Minute später, Punkt 18.55 Uhr Ortszeit, explodierte die Bombe, die Experten zufolge nicht von irgendwelchen Amateuren gefertigt worden war. Der Sprengsatz explodierte zielgerichtet mit voller Zerstörungskraft in Richtung von Menschen und der vielbefahrenen Rajaprasong-Hauptkreuzung, während der Schrein mit seiner goldenen Brahma-Figur praktisch unversehrt blieb.

Es ist unklar, ob es sich bei dem Verdächtigen um einen Einheimischen oder Ausländer handele. Aus Polizeikreisen verlautete lediglich, es sei »ziemlich klar: Das ist der Täter«, während sich Spezialisten an die Auswertung von Überwachungsvideos der vergangenen zwei Wochen machten. In Krankenhäusern verblieben am Dienstag 125 Verletzte des Attentats, sieben Tote konnten noch nicht identifiziert werden.

Der thailändische Premier Prayuth Chan-ocha, seines Zeichens Juntaführer in zivilem Gewand, sprach vom »schlimmsten Anschlag in der Geschichte von Thailand« und gelobte, die Hintermänner zu fassen. Prayuth versicherte Ausländer im Land, Sicherheitsvorkehrungen würden verstärkt, und die Lage sei unter Kontrolle; dies, obschon kurz vor seiner im Fernsehen übertragenen Rede eine weitere Bombe hochging, in der Nähe von Saphan Taksin, einem Schiffspier am Chao-Phraya-Fluss. Sicherheitskameras zeigten eine in die Höhe schießende Wasserfontäne, die ersten Ermittlungen zufolge von einer Rohrbombe herrührte. Für eine Granate sei die Explosion zu stark gewesen, hieß es. Es gab keine Verletzten, vom Täter fehlt jede Spur.

Ob die beiden Explosionen zusammenhängen, ob Bangkok jetzt eine Serie von politisch motivierten Attentaten bevorsteht oder ob es sich bei dem Bombenwerfer am Chao Praya um einen Trittbrettfahrer des nationalen Konflikts handelte, diese Fragen bleiben vorderhand Spekulation. Voreilige Kommentatoren wollen die Attentäter im Lager der sogenannten Rothemden sehen, der Anhänger des aus dem Amt gedrängten und exilierten Expremiers Thaksin Shinawatra. Auch seine Schwester Yingluck Shinawatra war im Mai 2014 aus dem Amt der Regierungschefin geputscht worden.

Dabei sollte doch die Frage gestellt werden, wer von der Destabilisierung im Land durch Attentate profitieren würde. Es sind kaum die mit harschen Gesetzen in den Untergrund gedrängten Rothemden. Diese wünschen die umgehende Rückkehr zu Demokratie und Wahlen, sie spielen auf Zeit. Die wahren Nutznießer der neuen Spannungen in Thailand sind im Gegenteil die Generäle, die sich seit der Machtübernahme mit allen juristischen Tricks und Verfassungsmanövern darum bemühen, so lange wie möglich an der Macht zu bleiben und die Entscheidungsgremien in der Hand einer von ihnen ausgewählten Elite zu belassen.

So wird von dem handverlesenen Parlament derzeit auch eine neue Verfassung ausgearbeitet, die aber geheim bleibt. Thailand dürfte auf eine Art geleiteter, geführter Demokratie nach dem Vorbild Singapurs zusteuern. Viele im Land wollen es nicht dazu kommen lassen. Doch es ist zu bezweifeln, dass sie dabei zu Maßnahmen greifen, die den Kontrollgriff der Uniformierten noch stärken würden.

Auch die vermeintlichen islamischen Rebellen im Süden dürften kaum Interesse an einer Eskalation in Bangkok haben. Vermeintlich, weil es sich bei den angeblichen Rebellen größtenteils um kriminelle Elemente handelt, die in Schmuggel, Menschenhandel und anderes Banditentum verwickelt sind. Laut Vizeverteidigungsminister Udomdej Sitabutr »entspricht diese Art von Anschlag nicht den Zwischenfällen im Süden«. »Wir schließen keine Gruppe von Verdächtigen aus«, so Professor Panitan Wattanayagorn, Sicherheitsberater der Regierung.

Sollten die Attentäter im radikalislamischen Umfeld zu finden sein, könnte die Spur nach Xinjiang in Chinas Nordwesten weisen. Thailand deportierte vergangenen Monat mehr als 100 Uiguren; dies obwohl die Türkei die Leute aufgenommen hätte. China inszenierte die Rückführung als Spektakel, vermummte die »Terroristen« mit schwarzen Kopfmasken und behandelte sie vor laufenden Kameras wie Schwerverbrecher.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.