Entwarnung nach Bombendrohung in der SPD-Zentrale
Brandanschlag auf bewohntes Flüchtlingsheim in Döbeln / Merkel fordert bessere Verteilung von Flüchtlingen in Europa / Auch in Döbeln (Sachsen) gab es eine Brandstiftung / Merkel besucht Mittwoch Heidenau / LINKE: Haushaltsplus für Flüchtlinge nutzen
Update 16.50 Uhr: Polizei findet keinen Sprengstoff im Willy-Brandt-Haus
Nach einer Bombendrohung gegen die SPD-Zentrale und einer vorübergehenden Räumung des Willy-Brandt-Hauses in Berlin hat die Polizei Entwarnung gegeben. Bei der Durchsuchung des Gebäudes habe die Polizei nichts Verdächtiges gefunden, sagte ein SPD-Sprecher am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Das Haus sei nun wieder freigegeben. Bei der SPD war am Dienstagnachmittag gegen 15.00 Uhr eine telefonische Bombendrohung eingegangen. Die Parteizentrale war daraufhin geräumt worden.
Auch eine Bombendrohung im Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) in Berlin ging eine Bombendrohung ein, doch auch hier konnte die Polizei schnell Entwarnung geben. Das Amt ist für die Annahme von Asylanträgen verantwortlich.
Update 16.05 Uhr: Bombendrohung in der SPD-Zentrale
Die SPD-Zentrale in Berlin ist am Dienstag wegen einer Bombendrohung geräumt worden. »Das Willy-Brandt-Haus hat heute Nachmittag gegen 15.00 Uhr eine telefonische Bombendrohung erhalten«, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Partei gehe damit mit aller Ernsthaftigkeit um und habe das Haus zum Schutz der Beschäftigten räumen lassen. »Seit Sigmar Gabriels Besuch in Heidenau erreicht das Willy-Brandt-Haus eine Flut von Bedrohungen verbunden mit fremdenfeindlicher Hetze«, sagte sie. »Wir müssen davon ausgehen, dass es sich um einen rein politischen Akt handelt.« Die SPD werde keinen Millimeter von ihrer klaren Haltung abweichen.
Parteichef Gabriel hatte am Montag die Flüchtlingsnotunterkunft im sächsischen Heidenau besucht, vor der es am Wochenende zu Krawallen von Rechtsextremen gekommen war. Er hatte die Ausschreitungen scharf verurteilt und die Akteure als »Pack« bezeichnet. Seitdem sieht sich die SPD-Zentrale mit einer Masse an rassistischen Pöbeleien in Form von Mails und Anrufen konfrontiert.
Update 15.50 Uhr: Wissenschaftler Funke: Heidenau erinnert an Rostock-Lichtenhagen 1992
Der Rechtsextremismusexperte Hajo Funke sagte der »tagesschau.de«, die Schande der Ereignisse von Heidenau bestehe darin, dass Polizei und Politik in Sachsen zwei Tage lang versagt hätten. Dies erinnere »stark an die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vom August 1992«. Auch der ehemalige Pfarrer der Leipziger Thomaskirche, Christian Wolff, führt rechtsextremes Gedankengut in Sachsen auf ein langjähriges Versagen vor allem der Politik zurück. Im Deutschlandradio Kultur sagte er, dass Rechtsradikale Sachsen über zwei Jahrzehnte zum Aufmarschgebiet erklärt hätten, sei nicht zur Kenntnis genommen oder verniedlicht worden.
Update 15.35 Uhr: Bundesamt für Migration setzt Dublin-Verfahren für Syrer aus
Das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (Bamf) hat das umstrittene Dublin-Verfahren für Flüchtlinge aus Syrien ausgesetzt. »Dublin-Verfahren syrischer Staatsangehöriger werden zum gegenwärtigen Zeitpunkt vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitestgehend faktisch nicht weiter verfolgt«, erklärte ein Sprecher des Bundesamtes am Dienstag in Nürnberg auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Das Dublin-Verfahren sieht vor, dass Asylsuchende in dem Land ihren Antrag stellen müssen, in dem sie als erstes die EU betreten.
Die noch nicht abgeschlossenen Verfahren würden in Deutschland bearbeitet, sagte der Sprecher. Es handele sich bei der Neuregelung um eine Leitlinie des Bundesamtes, nicht um eine formal bindende Vorgabe.
Bereits in der Vergangenheit habe das Bundesamt sehr genau geprüft, ob humanitäre Gründe dafür vorliegen, dass Deutschland die Asylverfahren übernehmen kann, fügte der Sprecher hinzu. So habe es bis Ende Juli nur 131 Überstellungen von Syrern in Rahmen der Dublin-Verordnung gegeben. Über die Neuregelung hatte zunächst der Berliner »Tagesspiegel« (Mittwochsausgabe) berichtet.
Update 15.00 Uhr: Merkel fordert bessere Verteilung von Flüchtlingen in Europa
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat erneut an die EU-Mitgliedsstaaten appelliert, Flüchtlinge fair auf die Länder zu verteilen. »Drei oder vier von 28 können nicht die ganze Last tragen«, sagte sie am Dienstag bei einer Diskussion mit Bürgern in Duisburg-Marxloh. Außerdem dürfe Menschen nicht vorgemacht werden, sie könnten in Deutschland bleiben, obwohl sie nicht verfolgt würden: »Dann können wir nicht mehr denen helfen, die Hilfe brauchen.«
Update 14.30 Uhr: Nach Heidenau-Besuch: SPD bekommt Hass-Mails
Nach dem Besuch von Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau am Montag sieht sich die SPD-Zentrale mit einer Masse an rassistischen Pöbeleien konfrontiert. Seit Gabriels Besuch habe »der rechtsradikale Mob das Willy-Brandt-Haus mit menschenverachtenden Anrufen, E-Mails und Kommentaren überschwemmt«, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Mitarbeiter, Politiker und die SPD wurden beschimpft, beleidigt und bedroht, Hass und Hetze über Flüchtlinge ausgegossen.« Die fremdenfeindlichen und rassistischen Äußerungen hätten mittlerweile dramatische Ausmaße angenommen.
Nach Angaben der SPD gingen seitdem etwa 300 Mails »mit zum Teil menschenverachtendem Inhalt« in der Parteizentrale ein. Die Mitarbeiter hätten auch etwa 150 Anrufe entgegengenommen, in denen Beleidigungen, Beschimpfungen und Bedrohungen ein nicht mehr erträgliches Ausmaß angenommen hätten, wie ein Sprecher sagte. »Wir prüfen eine Anzeige in 14 Fällen allein aufgrund der E-Mails.«
Update 14.15 Uhr: LINKEN-Parteichef Görke: Getroffen werden unsere Grundwerte
Brandenburgs LINKEN-Parteichef Christian Görke hat den mutmaßlichen Brandanschlag in Nauen (Havelland) verurteilt. »Getroffen werden dabei die Grundwerte unseres Zusammenlebens und auch das Engagement der Kommunalpolitiker und Willkommensinitiativen in Brandenburg«, sagte Görke am Dienstag nach einem Besuch der ausgebrannten Notunterkunft für Asylbewerber. Die Bemühungen von Kommunen und Bürgern für die Flüchtlinge würden gezielt sabotiert. »Leib und Leben der Einsatzkräfte und Anwohner wurden gefährdet.« Es müsse alles unternommen werden, die Brandstifter zu ermitteln, betonte Görke.
Update 12.45 Uhr: SPD- und LINKEN-Politiker: Haushaltsplus für Flüchtlinge nutzen
Politiker der LINKEN und der SPD haben sich dafür ausgesprochen, den Haushaltsüberschuss des ersten Halbjahrs für Flüchtlinge zu nutzen. Der Bund müsse sich in erster Linie dafür engagieren, dass Flüchtlinge überall in Deutschland menschenwürdig aufgenommen werden können, sagte der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, am Dienstag in Berlin. »Die Zahlen aus Wiesbaden belegen, dass die Bundesrepublik die Wirtschafts- und Finanzkraft hat, diese Herausforderung zu meistern«, ergänzte er.
Nach vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes erzielte der Staat im ersten Halbjahr 2015 einen Finanzierungsüberschuss von 21,1 Milliarden Euro.
Der SPD-Menschenrechtspolitiker Frank Schwabe forderte ein »Flüchtlingspaket« aus Sonderausgaben des Bundes, die durch die Mehreinnahmen möglich seien. Der Bundestagsabgeordnete sprach sich dafür aus, die Kosten für die Flüchtlingsversorgung im Inland, die maßgeblich durch Länder und Kommunen geleistet wird, komplett vom Bund übernehmen zu lassen.
Update 12.30 Uhr: Ramelow fordert Zusammenarbeit von Bund und Ländern
In der Flüchtlingsdebatte hat Ministerpräsident Bodo Ramelow (LINKE) den Bund aufgefordert, »seine Hausaufgaben zu erledigen« - und für Zusammenarbeit geworben. »Bis heute haben wir in Thüringen sehr wenig von dem angekündigten zusätzlichen Personal des Bundes für die Asylbearbeitung gesehen«, sagte Ramelow am Dienstag auf Anfrage. Damit reagierte er auf Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) an der rot-rot-grünen Flüchtlingspolitik. »Nacht für Nacht brennen Häuser in Deutschland, weil dort geflüchtete Menschen Schutz finden sollen. Dies ist ein schlimmes Zeichen und der Bundesrepublik Deutschland nicht würdig«, betonte Ramelow. Anstatt sich öffentlich Versäumnisse vorzuhalten, sei eine engere Zusammenarbeit nötig.
Update 12.00 Uhr: De Maizière ruft zu Improvisation und Engagement auf
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hat dazu aufgerufen, angesichts der großen Zahl von Flüchtlingen zu unkonventionellen Maßnahmen zu greifen. Gefragt seien Improvisation und Engagement, sagte der Minister am Dienstag bei einem Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung im niedersächsischen Friedland. »Mit den gewohnten Verwaltungsabläufen ist das nicht zu schaffen«, sagte der Minister. Er kündigte einen Koordinierungsstab von Bund und Ländern an, der sich rasch um die praktischen Fragen kümmern soll .
Update 11.50 Uhr: Brandanschlag auf bewohntes Flüchtlingsheim in Döbeln – keine Verletzten
In der Nacht zu Dienstag haben Unbekannte mehrere Mülltonnen vor einer Flüchtlingsunterkunft in Döbeln angezündet. Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes verhinderten Schlimmeres. Sie bemerkten, dass zwei Mülltonnen in der Nähe brannten und schoben diese auf die Straße. Dort wurden die Flammen von der Feuerwehr gelöscht. Das berichtet die »Sächsische Zeitung«. Der Sachschaden ist gering. Die Unterkunft war erst am Donnerstag vergangener Woche bezogen worden.
Update 11.23 Uhr: Brandenburgs Innenminister: »vermutlich vorsätzliche Brandstiftung«
Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz-Schröter (SPD) geht nach dem Brand in einer geplanten Flüchtlingsunterkunft in Nauen (Havelland) von einer Straftat aus. »Es handelt sich vermutlich um vorsätzliche Brandstiftung«, sagte Schröter am Dienstag in Nauen. Darauf deuteten die Brandrichtung, Ausbreitung und Schnelligkeit des Feuers. Vom ersten Alarm um 2.22 Uhr in der Nacht bis zum Eintreffen der Feuerwehr an der Sporthalle seien lediglich zwölf Minuten vergangen. »Da brannte bereits alles lichterloh«, sagte Schröter.
Update 11.15 Uhr: Feuer an Wohncontainern im ostwestfälischen Espelkamp
Der Staatsschutz des Polizeipräsidiums Bielefeld ermittelt nach einem Feuer an der Container-Wohnanlage für Asylbewerber im ostwestfälischen Espelkamp. Geprüft werde, ob es einen fremdenfeindlichen Hintergrund gebe. Das Feuer war nach Polizeiangaben unterhalb von Fenstern gelegt worden. Das berichtete die »Neue Westfälische« am Montag. Der Sachschaden sei gering. Lediglich Jalousien und Rahmen seien beschädigt worden.
Update 11.05 Uhr: Regierungssprecher kündigt Besuch Merkels in Heidenau an
Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU) besucht am Mittwoch die Flüchtlingsunterkunft in Heidenau. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag in Berlin mit. In Heidenau nahe Dresden hatte es am Wochenende in zwei Nächten in Folge schwere Krawalle vor einer Notunterkunft für Flüchtlinge in einem ehemaligen Baumarkt gegeben, bei denen zahlreiche Polizisten verletzt wurden.
Update 10.38 Uhr: Regierungsvertreter machen sich ein Bild vor Ort
LINKEN-Parteichef und Brandenburgs Finanzminister Christian Görke hat am Dienstagvormittag die ausgebrannte Unterkunft in Nauen besucht. Er wollte sich selbst ein Bild von der Situation in seinem früheren Wahlkreis machen und habe mit Feuerwehrleuten gesprochen, sagte ein Ministeriumssprecher.
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) will sich Vormittag ebenfalls ein Bild von der ausgebrannten Notunterkunft für Flüchtlinge machen. Gemeinsam mit Innenstaatssekretär Matthias Kahl sowie dem stellvertretenden Landrat von Havelland, Roger Lewandowski, wolle er die Situation vor Ort bewerten, teilte eine Ministeriumssprecherin mit.
Update 10.01 Uhr: Brandenburgs Ministerpräsident für »Null-Toleranz«-Politik
Nach dem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Nauen hat Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) »Null-Toleranz« gegenüber möglichen Tätern angekündigt. »Sollten die Ermittlungen einen fremdenfeindlichen Anschlag belegen, werden Polizei und Justiz in Brandenburg alles daran setzen, der Täter habhaft zu werden und sie einer gerechten Strafe zuzuführen«, erklärte Woidke am Dienstag in Potsdam. »Es bleibt dabei: Null-Toleranz gegenüber jeglicher Form von Fremdenfeindlichkeit.«
Nauens Bürgermeister Detlef Fleischmann (SPD) zeigte sich tief betroffen. »Wenn es Brandstifter sind, sind es für mich Verbrecher«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe immer wieder rechtsextremistische Hetze in den sozialen Netzwerken. In den vergangenen Wochen sei es aber eher ruhig gewesen, nachdem die beiden Täter nach mehreren Anschlägen auf Parteibüros der Linken und der SPD gefasst worden seien.
Update 7.05 Uhr: Viel mehr rechte und rassistische Gewalt in Brandenburg
Die rechte und rassistische Gewalt in Brandenburg steigt in diesem Jahr alarmierend an. Dies geht aus Daten des Vereins Opferperspektive hervor, der bis Ende Juli bereits 88 rechte Angriffen gezählt hat. Damit sei bereits nach 7 Monaten das Angriffsniveau des Vorjahres erreicht (2014 gesamt: 92 Fälle). »Von einer hohen Dunkelziffer und von Nachmeldungen ist auszugehen«, heißt es bei dem Verein. »Das häufigste Tatmotiv ist Rassismus mit 50 Angriffen, weitere 23 Angriffe richten sich gegen politisch Aktive.« Nach Kenntnis der Beratungsstelle sind von den Angriffen mindestens 250 Personen direkt oder indirekt betroffen. Auch sei die Schwelle zur Gewalt »wahrnehmbar gesunken«. Ein solches »Angriffsniveau vor allem gegenüber geflüchteten Menschen und einen so hohen Anteil an Körperverletzungen haben wir seit langem nicht erlebt. Die Lage ist alarmierend. Anders als im Vorjahr lassen sich keine regionalen Schwerpunkte mehr ausmachen, denn die rassistischen Angriffe werden flächendeckend in Brandenburg verübt«, sagte Geschäftsführerin des Vereins Opferperspektive Judith Porath.
Update 6.40 Uhr: Polizeigewerkschaft will Bannmeile für »rechte und linke Chaoten«
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, hat in der »Passauer Neuen Presse« erneut eine Bannmeile um Asylunterkünfte gefordert: »Um jedes Flüchtlingsheim sollte eine Bannmeile eingerichtet werden.« Er verstehe nicht, »weshalb rechte und linke Chaoten unmittelbar vor Flüchtlingsheimen demonstrieren müssen«. Auch Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) hatte ein solches Demoverbot nach rassistischen Ausschreitungen im sächsischen Heidenau vorgeschlagen. Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz der Länder, der rheinland-pfälzische Ressortchef Roger Lewentz (SPD), lehnte ein Demonstrationsverbot vor Flüchtlingsheimen dagegen ab. Wenn im Einzelfall bei Bedrohungslagen besondere Vorkehrungen sinnvoll seien, gebe es die Möglichkeit, Sicherheitszonen einzurichten, sagte ein Sprecher des Mainzer Innenministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Renate Künast, sagte dem »Tagesspiegel«, man brauche keine Gesetzesänderungen. »Was wir brauchen, sind sensible Behörden, die das vorhandene Instrumentarium auch ausschöpfen.« Es gehe um Sensibilität für die geflüchteten Menschen, die Furchtbares erlebt hätten und ohnehin in Angst seien.
Flüchtlingsunterkunft in Nauen niedergebrannt
Berlin. Erneut ist eine geplante Notunterkunft für Flüchtlinge niedergebrannt - diesmal im brandenburgischen Nauen im Havelland westlich von Berlin. Die Polizei ging nach den bisherigen Erkenntnissen von Brandstiftung aus. Ein technischer Defekt sei höchst unwahrscheinlich, hieß es. Spezialisten sollen die Ursache am Vormittag eingehender untersuchen.
Das Feuer an der Sporthalle hatte sich bei seiner Entdeckung am frühen Dienstagmorgen bereits auf das gesamte Gebäude ausgebreitet, wie die Polizei in Potsdam mitteilte. Die Feuerwehr habe sich deshalb dazu entschlossen, die Halle kontrolliert abbrennen zu lassen. Verletzt wurde nach ersten Angaben niemand.
In Nauen hatte es in diesem Jahr mehrfach Aufmärsche gegen die geplante Aufnahme von Asylbewerbern gegeben. Im Februar war eine Stadtverordnetenversammlung zu diesem Thema massiv von rechtsradikalen Randalierern gestört worden. Die Sitzung musste abgebrochen werden.
Die Sporthalle gehört zum Oberstufenzentrum mit beruflichem Gymnasium des Landeskreises Havelland. Der Landkreis hatte im Juli angekündigt, dass die Halle der vorübergehenden Unterbringung von Flüchtlingen dienen soll. Vorgesehen war eine Nutzung von September bis Jahresende. Mit Inbetriebnahme neu errichteter Container-Unterkünfte in Schönwalde und Dallgow-Döberitz sollte die Sporthalle dann wieder ihrem eigentlich Zweck dienen.
Der Zentralrat der Juden in Deutschland bekräftigte angesichts der Ausschreitungen von Rechtsradikalen und Rassisten seine Forderung nach einem NPD-Verbot. Rechtsradikale Organisationen, insbesondere die NPD, zeigten bei den Protesten in Sachsen »ihr wahres Gesicht«, sagte Zentralrats-Präsident Josef Schuster der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Ein Verbot werde deshalb umso dringender.
Derweil hat Bundestagspräsident Norbert Lammert die gewalttätigen Ausschreitungen rund um Flüchtlingsunterkünfte als »Schande« verurteilt. Sie seien »peinlich für unser Land«, sagte der CDU-Politiker der »Westdeutschen Allgemeinen Zeitung«. Allerdings kämen auf jede fremdenfeindliche Aktion in Deutschland statistisch gesehen 20 ehrenamtliche Aktionen für Flüchtlinge. »Es gibt in Deutschland eine anrührende, spontane und breite Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen«, sagte Lammert. »Aufmärsche und Gewaltaktionen gehen von einer winzigen Gruppe aus, die oft von Wander-Randalierern unterstützt wird.«
Die Europäische Union macht aus Lammerts Sicht bei der Bewältigung des Flüchtlingsproblems »weder einen kompetenten noch einen solidarischen Eindruck«. Es wäre »ein peinliches Signal, wenn Europa auf akute finanzielle Krisen notfalls schnell reagieren kann, auf eine solche humanitäre Herausforderung aber nicht ebenso schnell reagieren kann oder will«, sagte er der »WAZ«.
Der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer sieht durch die Uneinigkeit der EU-Staaten in der Flüchtlingspolitik gar den Fortbestand der Europäischen Union infrage gestellt. Das reiche Europa erlebe den Beginn einer großen Flüchtlingskrise »und scheint dadurch politisch, moralisch und administrativ völlig überfordert zu sein«, schrieb der einstige Grünen-Politiker in einem Gastkommentar für die »Süddeutsche Zeitung«. »Diese Unfähigkeit bedeutet ein erhebliches politisches Risiko für die EU als Ganzes.« Es bedürfe einer gemeinsamen europäischen Anstrengung, die aber von vielen Mitgliedstaaten verweigert werde, kritisierte Fischer. »Und damit droht sich der ohnehin schon bestehende Trend zur Entsolidarisierung und Desintegration innerhalb der EU, ausgelöst durch die Wirtschafts- und Finanzkrise seit 2009, weiter zu verstärken und den Zusammenhalt der Gemeinschaft zu gefährden.«
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatten am Montag die gewalttätigen Ausschreitungen vor einem Flüchtlingsheim im sächsischen Heidenau ähnlich deutlich kritisiert. »Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, dumpfe Hassbotschaften zu verkünden«, sagte Merkel. Gabriel sprach bei einem Besuch in Heidenau von »Pack« und sagte: »Für die gibt's nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis.« Agenturen/nd
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