Gerüchtsfall

Personalie: Dem Finanzjournalisten Wang Xiaolu droht eine Haftstrafe.

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Es muss in den Ohren eines Chinesen höchst beunruhigend klingen, was Wang Xiaolu vorgeworfen wird: das Verbreiten falscher Informationen. Der Finanzjournalist der Zeitschrift »Caijing« habe »gestanden«, durch seine Berichterstattung über Wertpapiere und Termingeschäfte die jüngsten Turbulenzen an der chinesischen Börse verschuldet zu haben. Die von ihm verbreiteten »falschen Informationen« hätten zu »Panik und Unruhe« an den Aktienmärkten geführt und das Vertrauen der Anleger »ernsthaft untergraben«, so gibt die Nachrichtenagentur Xinhua das Geständnis des Delinquenten wieder. Er habe damit beim Staat und Investoren Verluste verursacht.

Der Journalist war nach dem jüngsten Börsencrash festgenommen worden. Ob das Geständnis der Verhaftung vorausging oder ihr folgte, geht aus den Meldungen nicht hervor. Fest steht: Das Reich der Mitte kämpft seit Wochen mit einer Konjunkturflaute. Die Kurse an den chinesischen Börsen fallen. Mehrfache Abwertungen des Yuan sowie milliardenschwere Anleihekäufe haben dies bisher nicht ändern können. Der Kapitalismus chinesischer Prägung zeigt damit, dass auch er nichts Besonderes ist. Traditionelle Methoden der Problembehandlung kommen trotzdem zur Anwendung: Schuldige zu präsentieren. Auch ein Beamter der Börsenaufsicht und vier Wertpapierhändler wurden festgenommen, diese allerdings wegen Insiderhandels. Knapp 200 weitere Personen wurden Hsinhua zufolge bestraft, weil sie über die Börsenturbulenzen und die Explosionskatastrophe in Tianjin im Internet »Gerüchte verbreitet« haben sollen. Die Explosionen im Hafen von Tianjin kosteten rund 170 Menschen das Leben.

Das Gerücht ist in China eine strafrechtlich relevante Kategorie. Bis zu drei Jahre Haft kann seine Verbreitung nach sich ziehen. Vor drei Jahren erst schuf ein Gesetz den direkten Übergang vom Gerücht zum Gericht. Reale Probleme sind damit freilich nicht zu lösen. Am Montag kam es erneut zu einem starken Kursverfall. Den Kapitalismus in seinem Lauf halten auch Gerüchte nicht auf.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -