Das ostdeutsche Problem
Am Rassismus in Ostdeutschland ist nicht die DDR Schuld
Als »Volkspartei« der neuen Bundesländer mag so manche/r in der LINKEN es nicht gern hören, aber zu leugnen gibt es da nichts: Der Rassismus tritt in Ostdeutschland noch massiver und aggressiver auf als in der ehemaligen BRD. Einer Statistik der Amadeu-Antonio-Stiftung nach sind zwar die meisten Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, nämlich sieben, in Bayern verübt worden, und hat es in NRW fast genauso viele rassistische Demonstrationen gegeben wie in Sachsen. Doch im Verhältnis zur Bevölkerungszahl ist die Sache eindeutig. In NRW leben deutlich mehr Menschen als in den fünf neuen Bundesländern zusammen.
Die bürgerlichen Medien haben das in der Vergangenheit immer gern damit erklärt, dass der DDR-Sozialismus mit seiner autoritären und monoethnischen Alltagskultur dem Rassismus das Feld bereitet habe. Doch 25 Jahre nach dem Ende der DDR kann dieses Argument kaum noch überzeugen. Tatsächlich sind es wohl mindestens drei Faktoren, die für die besondere Situation in Ostdeutschland verantwortlich sind:
Da ist zum Einen der niedrige Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund. Schon Anfang der 1990er Jahre wurde der Widerstand gegen rassistische Anschläge und Pogrome nicht von der vielgerühmten »Zivilgesellschaft«, sondern maßgeblich von Betroffenen und ihren Freunden getragen. Dort, wo es weniger MigrantInnen gibt, haben es RassistInnen einfacher. Das ist auch diesmal nicht anders. In monoethnisch-deutschen Ortschaften ist die Akzeptanz für Rassismus ganz einfach größer als in von Migration geprägten Gegenden. Es fehlt in Deutschland also nicht an »Möglichkeiten der direkten Begegnung zwischen Deutschen und Nicht-Deutschen«, wie viele Zeitungskommentatoren pastoral verlautbaren, sondern am Protest von Betroffenen.
Die Bevölkerungsstruktur der neuen Bundesländer spielt aber auch in einer zweiten Hinsicht eine wichtige Rolle. Die Deindustrialisierung Ostdeutschlands hat dazu geführt, dass v.a. junge, ausgebildete und eher offene Menschen abgewandert sind – also diejenigen, die sich (neben den MigrantInnen) am ehesten antirassistisch engagieren könnten. Zurück geblieben sind Ältere und Modernisierungsverlierer, von denen zumindest ein Teil begeistert auf rechtsextreme Erklärungsmuster zurückgreift.
Ein dritter wichtiger Faktor sind die Nazistrukturen. Die sächsische Schweiz, Teile von Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommerns gelten schon lange als Bastionen der Faschisten. Spätestens die Ermittlungen zum NSU haben jedoch gezeigt, dass diese Netzwerke nicht nur über gewählte Vertreter in den Gemeinderäten oder die Lufthoheit an Stammtischen, sondern auch über bewaffnete überregionale Strukturen verfügen.
Dass diese Netzwerke so stark wurden, hat nicht zuletzt mit der Politik von Inlandsgeheimdiensten und Polizei. Während Antifa-Demonstrationen wie »Dresden Nazifrei« vom sächsischen Innenministerium regelmäßig mit allen Mitteln kriminalisiert werden, hält sich die Staatsmacht gegenüber den Nazis auffällig zurück. Ganz besonders deutlich war das in den letzten 25 Jahren im Fall der Geheimdienste. In Thüringen haben, wie man mittlerweile weiß, 20 Prozent der organisierten Nazis als V-Leute gearbeitet. Die Geheimdienste rechtfertigen dies mit der notwendigen Informationsbeschaffung. Doch die Entwicklung des NSU hat gezeigt, dass die ostdeutschen Nazistrukturen ohne ihre merkwürdige Symbiose mit den Geheimdiensten nie so stark hätten werden können. Die Geheimdienstgelder und das Anstacheln von Aktionen durch V-Leute-Führer hat die Naziszene handlungsfähiger und militanter gemacht.
Linker Populismus?
Manche Journalisten, so etwa der Spiegel-Kolumnist und Freitag-Herausgeber Jakob Augstein, fordern in Anbetracht der rassistischen Proteste einen »linken Populismus«, der der Rechten das Terrain streitig machen soll. Die These dahinter lautet, die rassistischen Demonstrationen gegen Flüchtlingsunterkünfte würden v.a. von Modernisierungsverlierern getragen.
Doch Umfragen unter den Pegida-Demonstranten im Winter haben keineswegs belegt, dass hier nur ökonomisch Abgehängte auf der Straße waren. Und auch auf den Vorträgen Thilo Sarrazins oder bei den Versammlungen der AfD sind Anwältinnen, Zahnärzte und Perlenkettenträgerinnen überrepräsentiert.
Der Hinweis, dass linke Politik keine akademische Angelegenheit sein, sondern unmissverständlich die Anliegen der Verlierer im Kapitalismus verteidigen muss, ist zwar immer richtig. Doch die Verknüpfung von Rassismus und sozialer Krise, wie sie Augstein und andere anstellen, ist trotzdem falsch. Sie entmündigt die Unterklassen und bekräftigt das – im Übrigen sehr akademische – Stereotyp, wonach kluge Führer die Massen zum Besseren bekehren müssen.
Selbst wenn es so sein sollte, dass in Heidenau überdurchschnittlich viele »Modernisierungsverlierer« auf der Straße waren, setzt sich der Mob von Pegida, Tröglitz oder Heidenau nicht aus Kapitalismusopfern, sondern aus RassistInnen zusammen. Und dementsprechend muss man auch mit ihnen reden.
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