US-Propagandalehrer in Riga
Programm zur Ertüchtigung lettischer Journalisten gegen russische Medien
Viele russischsprachige Einwohner im Baltikum sehen täglich Beiträge russischer Fernsehsender. Sie bieten Berichte über die Ukraine-Krise aus Moskauer Sicht und werden gefälschter Informationen verdächtigt. Seit langem versuchen die baltischen Länder, sich dagegen zu wehren.
Dabei erhalten Lettland, Litauen und Estland Unterstützung von ihren westlichen Partnern: sowohl aus Deutschland als auch aus USA. Kürzlich eröffnete der konservative US-Senator John McCain in der lettischen Hauptstadt Riga das Exzellenz-Zentrum für strategische Kommunikation der NATO. Das solle laut McCain »die Wahrheit verbreiten«.
Zuvor hatte die US-Regierung für die Ausbildung von Journalisten in den baltischen Staaten eine halbe Million Dollar locker gemacht. Dabei geht es um Kurse und auch Praktika im Land der Geldgeber unter dem Titel: »Training in investigativem Journalismus als Gegenmaßnahme zu russischen Nachrichten im Baltikum.«
Nach der Veröffentlichung des Aufrufes stieß vornehmlich der Titel des Programms auf Kritik. Der US-Aufruf stehe dem Grundprinzip des Journalismus entgegen, dass Medien von der Politik unabhängig zu sein hätten. Deswegen »hält es niemand von uns für möglich, sich um solche Förderung zu bewerben«, äußerten mehrere lettische und litauische journalistische Organisationen.
So wie es in der Überschrift von der US-Botschaft formuliert worden sei, wäre das Projekt politisiert und hätte nichts mehr mit Journalismus zu tun, anerkannte Drew Sullivan, Chef des Reportageprojektes für organisiertes Verbrechen und Korruption: »Guter Journalismus bekämpft die Propaganda nicht. Die Aufgabe des guten Journalismus ist es, unabhängig zu sein und die Wahrheit zu berichten.« Nicht lange danach wurde das Projekt umbenannt. Auf der Webseite der US-Botschaft war nur noch die Rede von einem »Training des investigativen Journalismus im Baltikum«.
Die ursprüngliche Bezeichnung sei ein Fehler gewesen, räumte Douglas Frantz, stellvertretender Abteilungsleiter für Öffentlichkeitsarbeit im US-Außenministerium, gegenüber der lettischen Nachrichtenagentur LETA ein. Er beeilte sich zu versichern, es werde nicht im Sinne des römischen »Quid pro quo« für diese Leistung eine angemessene Gegenleistung erwartet. »Wir haben nicht die Absicht oder den Wunsch, zu bestimmen, was die Journalisten schreiben sollen.«
Sarunas Cerniauskas, Chef der investigativen journalistischen Abteilung beim litauischen Nachrichtenportal 15min.lt gehörte zu den Kritikern des ursprünglichen Aufrufes. Seit das Förderprojekt unter eine andere Überschrift gestellt ist, sieht er keine Probleme mehr. Inhaltlich sei das Programm schon vor der Umbenennung recht gut gewesen: »Ich glaube, die USA Botschaft hatte nur Gutes vor, wählte aber einfach die falschen Worte.«
Dass eine journalistische Ausbildung in Lettland überhaupt von anderen Ländern gefördert werde, sei negativ zu bewerten, meint hingegen Sergejs Kruks, Professor für Journalismus an der Stradina Universität in Riga. Es schade dem Prestige des Landes: »Im Ausland wird behauptet, dass wir hier derart unausgebildet sind, dass wir Nachrichten nicht von Propaganda trennen können. Das ist aber falsch.«
Das Problem, so der Wissenschaftler, seien nicht die Journalisten, sondern sei die schwache Medienlandschaft in Lettland. Es fehle an Ressourcen und gebe nur eine geringe Nachfrage nach Qualitätsjournalismus. Das Anliegen, russische Propaganda zu bekämpfen, sieht Kruks, der selbst Russe ist und zu den »Nichtbürgern« Lettlands zählt, skeptisch. »Damit folgen die lettische Politiker dem alten kommunistischen Prinzip: dass alles in erster Linie von der Ideologie abhängig ist.« Die russische Minderheit ist dem lettischem Staat schon seit langem entfremdet, aber das ließe sich nur mit ihrer politischen Einbeziehung ändern.
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