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Die falschen Prioritäten

Der Rüstungsetat ist der zweitgrößte Brocken - und der wird immer größer

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.

Bis 2019 ist für den Wehretat ein Plus von acht Milliarden Euro geplant. Aus der Bundeswehr ist zu hören: Das werde auch Zeit! Schluss mit dem Sparen, Deutschland geht es gut, die Schwarze Null sei ja schön und gut, aber …
Ich habe da auch ein Aber. Der Wehretat ist regelmäßig der zweitgrößte Brocken im Bundesetat. 2016 beträgt er 34,37 Milliarden Euro. Da werden falsche Prioritäten gesetzt. Im Bereich der sogenannten Entwicklungszusammenarbeit gibt Deutschland mit 7,5 Milliarden nur knapp ein Fünftel dessen aus, was die Bundeswehr bekommt. Die Koalition feiert sich dafür, dass für das nächste Jahr 880 Millionen mehr für Entwicklungshilfe bereit gestellt werden. Von der Leyen bekommt 1,4 Milliarden mehr. Man muss nur einmal Nachrichten hören und das Elend der Flüchtlinge sehen, dann weiß man: Da läuft etwas falsch.

Die Finanzplaner im Verteidigungsministerium machen geltend, dass sie fast die Hälfte ihres Etats für Personal ausgeben müssen. Stimmt das?
Ja. Zum einen sind die Kosten für das militärische und zivile Personal ohnehin immens. Zum anderen ist die jetzige Situation ein Ergebnis des gescheiterten Versuchs, mit der Bundeswehrreform die Personalstellen deutlich zu reduzieren. Aber: Rund fünf Milliarden Euro werden für neue Militärtechnik ausgegeben.

Da geht es um »Eurofighter«, A400M, Tiger, NH90, nun ein neues Sturmgewehr - Dinge, die meist als Pfusch Schlagzeilen machen. Darf man dafür Geld ausgeben?
Stimmt, vieles wird zu spät geliefert, nicht in der bestellten Qualität, zu teuer ist es auch. Das sind Folgen des Filzes, der in Jahrzehnten zwischen Rüstungskonzernen und Ministerium entstanden ist. Der jährlich kostet Milliarden. Deshalb fordere ich die Einrichtung einer Enquetekommission, mit dem Ziel, die Seilschaften zwischen Industrie und Politik zu kappen.

Wäre es nicht noch besser, auf manch Rüstungsprojekt ganz zu verzichten?
Richtig, doch selbst wenn wir Linken über Nacht die Regierung stellen würden - aus den Rüstungsverträgen kämen auch wir nicht raus. Jedenfalls nicht ohne herbe Vertragsstrafen. Und auch die Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie wären ein Thema. Mir ist aber wichtig, dass diese Abhängigkeit uns nicht den Blick für Alternativen verstellt. Die Fragen sind zu beantworten: Wie kommen wir zu einem Wechsel von der militärischen zu einer zivilen Produktion und erhalten die Arbeitsplätze, die zu einem Gutteil in der High-Tech-Industrie angesiedelt sind? Wie kann so ein staatliches Konversionsprogramm aussehen? Wie kommen wir weg vom Rüstungsexport? Noch ist es so, dass die Firmen ihre technologischen Spitzenstellungen vor allem deshalb halten, weil sie militärische Forschungsgelder bekommen und das Militär viel eher bereit ist, Sachen zu testen und einzusetzen, als das im zivilen Bereich möglich wäre. Doch: Permanent Krieg führen, um so einen technologischen Vorsprung zu sichern, ist keine Lösung, die wir akzeptieren können. Wir müssen Mittel und Wege finden, um wettbewerbsfähige technologische Entwicklungen im zivilen Bereich möglich zu machen. Deshalb fordert die LINKE die Einrichtung und Finanzierung eines Nationalen Konversionsprogramms.

Deutschland verweigert sich dem NATO-Beschluss, laut dem zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt in die Rüstung zu stecken sind. Der reale Wert hierzulande liegt bei 1,2 Prozent. Ist das nicht ein kleine Lob von links wert?
Na ja, diese »Zurückhaltung« ist ja auch zum Gutteil der Tatsache geschuldet, dass links wirkt. Man stelle sich vor, die Bundesregierung legt einen Entwurf vor, bei dem weit über 50 Milliarden Euro fürs Militär ausgegeben werden. Das wäre den Steuerzahlern nicht vermittelbar, auch wenn die NATO noch so sehr die Gefahr aus dem Osten an die Wand malt. Wir hätten mit unserem Widerspruch gegen eine solche Erhöhung des Etats Zuspruch ohne Ende. Zudem bestehen selbst in der Logik derer, die jetzt regieren, Einsparpotenziale bei den Rüstungsausgaben. Sie reden ständig von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Wozu aber hält sich jedes Land eine komplette eigene Armee, die man zu immer höheren Kosten ausrüstet? Beispiel: Vier NATO-Länder fliegen den »Eurofighter«. Jedes Land will aber eine ganz besondere Ausstattung. Das macht die Dinger noch teurer.

Es gibt weiter Auslandseinsätze, nun den Aufmarsch im Osten. Wir erinnern uns an den letzten Kalten Krieg. Damals schaukelten sich mit der Gefahr auch die Kosten empor. Kann man sich dem nicht verweigern?
Das macht meine Fraktion ja. Beispiel Haushaltsvorbehalt: Bei bestimmten Ausgaben muss der Haushaltsausschuss gefragt werden. So wie der Verteidigungsausschuss. Wir sagen dort regelmäßig: Stopp! Die NATO-Speerspitze, die jetzt von Deutschland gestellt wird, haben wir von Anfang an kritisiert. Wir wollen kein neues Wettrüsten. Doch die Große Koalition sieht ihre Verantwortung ganz anders.

Wir sprachen über Flüchtlinge. Militär kann weder soziale noch Klimaprobleme lösen. In den letzten Tagen wurden in Kasernen in Dresden und Berlin Schutzsuchende untergebracht. Kann man so die Bundeswehr doch sinnvoll nutzen?
Naja, in Berlin hat man teilweise Zelte aufgebaut. Wie gut, dass noch kein Winter ist! Doch ich sehe trotzdem eine Option, wie Flüchtlinge und Kommunen ein wenig von den Militärausgaben profitieren könnten. Ich habe mir eine Aufstellung aller Bundeswehr-Liegenschaften geben lassen, die zwischen 2004 und 2014 abgegeben wurden. Es sind fast 200. Für deren Instandhaltung und Modernisierung wurden in den vergangenen zehn Jahren über 500 Millionen Euro ausgegeben. Ich bin sicher, viele der Kasernen könnten Flüchtlingen jetzt ganz schnell als ein erstes Obdach dienen. Man würde Räume für Deutschunterricht finden, auch Sport- und Spielplätze. Und die Verantwortlichen in den Kommunen würden Licht am Ende des Tunnels sehen.

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