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Spricht Oettinger Englisch?

Zeugenbefragung vor NSA-Untersuchungsausschuss: Abgeordnete trafen auf Arroganz

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach der parlamentarischen Sommerpause versuchte der NSA-BND-Untersuchungsausschuss, in dieser Woche mit Zeugenvernehmungen wieder Tritt zu fassen. Das Resultat war nur ein Stolpern.

Hochgewachsen, schlank, Anzug, Krawatte - so erschien der Freitagszeuge: Günter Heiß (63) hat Musik studiert, stand dem Verfassungsschutz in Niedersachsen vor und ist seit Dezember 2009 als Chef der Abteilung 6 im Kanzleramt zuständig für die Fach- und Rechtsaufsicht über den Bundesnachrichtendienst.

Er verdankt dem Untersuchungsausschuss allerlei. Vor allem Wissen - das er angeblich nicht hatte. Oder nicht haben wollte? Dass er offenbar seinen Aufseher-Job nicht solide erledigt hat, stand als Vorwurf permanent im Raum. Nur Heiß schien das nicht zu spüren, er war damit beschäftigt, Fragen abzuwehren: «Dazu sage ich nichts. »Das ist nicht von meiner Aussagegenehmigung gedeckt.« »Das Thema liegt außerhalb des Untersuchungszeitraums.« »Ich habe alles gesagt.« Statt eines »Basta« drückte er Teebeutel aus und begegnete den Abgeordneten auch sonst mit maximaler Arroganz.

Eigentlich hätte Merkels BND-Chefaufseher wissen müssen, dass viele der sogenannten NSA-Selektoren, mit denen der BND satellitenvermittelte Kommunikation ebenso durchforstet hat wie kabelgebundene, rechtlich zumindest problematisch sind. Ganz gewiss widersprach die transatlantische Amtshilfe deutschen Interessen - und damit natürlich dem Auftrag des BND.

Heiß ist klug. Selbstverständlich würde er es weit von sich weisen, dass er in den so nach Informationen gierenden Fragern kaum mehr sieht als arme Würstchen. Deren Unkenntnis ihm insgeheim Vergnügen bereitet, denn sie sind eine Bestätigung dafür, dass er seinen exekutiven Job beherrscht. Man kann nur ahnen, dass ihm die Unionsabgeordneten am lästigsten waren. An denen konnte er sich nicht reiben, die servierten fast nur mundgerechte Fragen.

Schon am Donnerstag hatten zwei BND-Mitarbeiter den Einsatz der NSA-Selektoren, die von Woche zu Woche mehr wurden, nur leidlich erklären können. W.O., ein Agent der BND-Außenstelle Bad Aiblingen, meinte, die Selektorenprüfung habe »nicht so hundertprozentig gegriffen«. Wenn man die Suchdaten ins System einstellte, war lediglich anhand von Telefonvorwahlen oder E-Mail-Endungen geprüft worden, ob verbotenerweise deutsche Staatsbürger betroffen sein könnten. Für deren Abschöpfung hätte der BND eine sogenannte G-10-Genehmigung der zuständigen Bundestagskommission gebraucht. Doch was ist beispielsweise mit all jenen Deutschen, deren E-Mail-Adressen auf net, com oder eu enden? SPD-Obmann Christian Flisek versuchte, das Problem mit Hilfe des Namens »Günther Oettinger« zu verdeutlichen. Als EU-Kommissar hat der Schwabe gewiss eine dienstliche E-Mail-Adresse, die mit eu endet. Vielleicht, so die aussagenden BND-Praktiker, wäre ja vor Weiterleitung seiner Post oder Telefonate an die NSA aufgefallen, dass Oettinger deutsch schreibt. Was aber, wenn Oettinger Englisch gesprochen hätte? Flisek bohrte bei Heiß nach. Antwort: »... kann der ja doch gar nicht«.

Man war ja einiges gewöhnt von Merkels Abteilungsleiter, schließlich sagte der ja zum zweiten Mal vor dem Ausschuss aus. Doch als dann auch sein Untergebener Guido Wolff, der für das Kanzleramt an allen Beratungen des Parlamentsgremiums teilnimmt, seinem Chef nacheiferte, platzte dem als ruhig bekannten Sitzungsteilnehmer André Hahn von der Linksfraktion der Kragen. Hahn wurde von Wolff angegangen, weil er darauf aufmerksam gemacht hatte, dass der BND die G-10-Kommission mit halbwahren Angaben als »Türöffner« benutzt hat, um im NSA-Interesse an den Internetknoten und damit an den Routineverkehr eines deutschen Telekommunikationsanbieters heranzukommen. Dass der Chef der G-10-Kommission sich »getäuscht« fühlt, rührte Heiß nicht. Er fand auch nichts dabei, dass der BND der NSA half, den französischen Präsidenten auszuforschen. Wie sagte Heiß’ Chefin Merkel? »Ausspähen unter Freunden geht gar nicht.«

Am Donnerstagabend war es auch um Sicherheitslecks bei der deutschen Tochter des US-Kommunikationskonzerns »Verizon« gegangen. In dessen Knoten in Heiden hatte ein US-Dienst zwischen 2004 und 2006 einen zusätzlichen Server geschoben, um den Datenverkehr zu duplizieren. Die Operation scheint nicht kompliziert gewesen zu sein, schaut man sich die Fähigkeiten des European Security Managers der Firma an. Das beste, was man über ihn sagen kann, ist: Er drückte sich nicht vor Zeugenschaft. Der gleichfalls geladene Kollege von »Verizon International« scheint dagegen verschollen.

Nur am Rande vermerkt: »Ve- rizon« war bis 2014 ein Internetprovider des Deutschen Bundestages.

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