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Im Notfall gegen die Kapitaleigner

Betriebsrat und IG Metall stehen in der VW-Affäre unter erheblichem Druck

  • Carsten Hübner
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Arbeitnehmerseite hat im Aufsichtsrat von VW derzeit die Mehrheit - und entscheidet über Konsequenzen aus dem Abgasskandal.

Alarmismus ist seine Sache nicht. Wenn der oberste Arbeitnehmervertreter von VW zu kraftvollen Formulierungen greift, dann dosiert und gezielt. Am Dienstag hat er dies in einem Brief an die Belegschaft des Wolfsburger Autobauers getan. »Auch wir sind beunruhigt und machen uns Sorgen um unser Unternehmen«, ließ er die Beschäftigten in einer für VW-Verhältnisse ungewöhnlichen Offenheit wissen. Der Betriebsrat, heißt es in dem Schreiben weiter, fordere deshalb »schnellstmöglich eine vollständige und umfassende Aufklärung des Sachverhalts«. Dass in deren Folge die Verursacher der Krise ihren Hut nehmen müssten, stehe aus seiner Sicht außer Zweifel. »Und dies werden keine Sachbearbeiter sein, das kann ich Euch versichern«, so Osterloh.

Für den Betriebsrat und die bei VW traditionell starke IG Metall gleichen die Tage seit Bekanntwerden des Skandals einem Drahtseilakt. Auf der einen Seite lehne man »Verstöße gegen Gesetze, Umwelt- oder Arbeitsstandards strikt ab«, sagt der Betriebsrat. Auch trete man konsequent für realistische Testzyklen zur Bestimmung der Abgaswerte ein, so die IG Metall. Doch fürchten beide einen Imageschaden für VW und die deutsche Autoindustrie, der die Branche mit ihren rund 775 000 Beschäftigten ins Trudeln bringen könnte.

Vor diesem Hintergrund sprach sich der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann, gegenüber dpa für ein besonnenes Vorgehen in der Diesel-Affäre aus. Zwar seien die Ereignisse für alle Hersteller »ein Schlag ins Kontor«, doch »zunächst müssen alle Fakten auf dem Tisch liegen«. Am vergleichsweise komplexen Dieselantrieb hängen in Deutschland überproportional viele Arbeitsplätze. »Wir hoffen, dass die Antriebstechnologie Diesel insgesamt keinen Schaden nimmt«, so Hofmann.

Die Befürchtungen scheinen nicht unbegründet. Klaus-Michael Schaal, Sprecher des gewerkschaftsnahen Auto Club Europa (ACE), geht davon aus, dass auch von anderen deutschen Herstellern spezielle Software zur Beschönigung der Klimabilanz eingesetzt werde. Dies legten Studien des ACE nahe. »Das ist systematische Verbrauchertäuschung, die weit verbreitet ist und schon lange praktiziert wird«, so Schaal.

Betriebsrat und IG Metall stehen in den kommenden Tagen und Wochen aber noch aus einem anderen Grund unter Druck. Denn seit dem Showdown zwischen VW-Patriarch Ferdinand Piëch und Vorstandschef Martin Winterkorn im April leitet mit Berthold Huber der frühere Vorsitzendende der IG Metall kommissarisch den VW-Aufsichtsrat. Die Arbeitnehmerbank aus Betriebsrat und Gewerkschaft hat damit rein rechnerisch die Mehrheit im Kontrollgremium inne. Das bringt große Erwartungen und ein hohes Maß an Verantwortung mit sich. Denn Konsequenzen aus der Affäre könnten im Fall der Fälle auch gegen den Willen der Kapitaleigner durchgesetzt werden. Ein Novum in der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Gleichwohl scheint die Ausgangslage für den Aufsichtsrat eher ungünstig. Offensichtlich konnten ihm über einen längeren Zeitraum wesentliche Firmeninformationen vorenthalten werden. Etwa, dass bereits seit Mai 2014 sensible Verhandlungen mit der US-Umweltbehörde EPA über die Manipulation von Abgastests in den USA laufen und welches immense finanzielle Risiko damit verbunden ist. Warum dies geschah und auf wessen Veranlassung, bleibt zu klären. Offenkundig aber ist, dass es Mitwisser im Topmanagement gegeben haben muss. Anders ist es nicht vorstellbar, dass die illegale Software über Jahre hinweg in elf Millionen Autos eingesetzt werden konnte.

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