Die soziale Einheit ist ausgeblieben
Jahresbericht der Bundesregierung zeigt große Unterschiede in der Wirtschaftskraft von Ost und West
Das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland ist in vielen Bereichen keine Erfolgsgeschichte. Dies zeigt der neue Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit. Im Hinblick auf Steuerkraft, Löhne und Wirtschaftsleistung besteht ein deutliches Gefälle. Die Ostbeauftragte Iris Gleicke sagte bei der Präsentation des Papiers in Berlin, man habe in 25 Jahren »unglaublich viel erreicht«. Allerdings räumte die SPD-Politikerin auch ein, dass es noch viel zu tun gebe. Denn die ostdeutsche Wirtschaft hinkt der westdeutschen hinterher. Diese Entwicklung lässt sich schon seit Jahren beobachten. Die Wirtschaftskraft Ostdeutschlands liegt gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner heute rund ein Drittel niedriger als in den alten Ländern. Gleicke sprach sich für eine Förderung der Wirtschaftskraft durch mehr Investitionen, Innovationen und Internationalisierung aus. Viele Menschen in Ostdeutschland haben diese Versprechen allerdings schon oft gehört, ohne dass es zu Verbesserungen gekommen ist.
Dies gilt auch für die Ankündigung, die Ostrenten anzugleichen. Der mathematisch ermittelte Rentenwert in Ostdeutschland liegt bei 92,6 Prozent des aktuell im Westen geltenden Wertes. Als ursächlich dafür wird die geringere Höhe der ostdeutschen Löhne angeführt. Die Rentenangleichung steht erneut im Koalitionsvertrag. Dieses Mal soll sie auch wirklich kommen, haben die Regierungsparteien versprochen. Allerdings wollen sie sich damit Zeit lassen. Union und SPD hatten sich darauf verständigt, dass zum Ende des Solidarpakts II im Jahr 2019 in einem letzten Schritt die vollständige Angleichung der Rentenwerte vollzogen werde. »Dies muss fahrplanmäßig erfolgen, damit endlich auch die soziale Einheit in Deutschland vollendet wird«, erklärte Gleicke.
Diese Einheit ist bislang ausgeblieben. Gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West gibt es nicht. Die östlichen Bundesländer leiden unter Strukturschwäche und einer vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit. Die Kleinteiligkeit der ostdeutschen Wirtschaft ist ein Grund hierfür. Vergangenes Jahr waren laut Bericht im Osten 9,8 Prozent und im Westen 5,9 Prozent der Erwerbsfähigen arbeitslos. In der Statistik tauchen jedoch zum Beispiel diejenigen Erwerbslosen nicht auf, die an Weiterbildungen teilnehmen.
Einige Passagen in dem Bericht sind dem heutigen Umgang mit der DDR gewidmet. Die konsequente und differenzierte Aufarbeitung der SED-Diktatur in der DDR sei eine für Staat und Gesellschaft unverzichtbare Aufgabe, »um Legendenbildung und nachträglichen Rechtfertigungsversuchen entgegenzutreten«, heißt es. Die DDR wird in dem Papier als »Unrechtsstaat« bezeichnet, obwohl dieser Begriff selbst von prominenten schwarz-roten Ostpolitikern wie Erwin Sellering (SPD) und Lothar de Maizière (CDU) als »undifferenziert« abgelehnt wird.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, warf der Großen Koalition vor, »eine spalterische Politik« zu betreiben. Sie habe unterschiedliche Mütterrenten in Ost und West beschlossen und die Rentenangleichung immer noch nicht eingeführt. »Spitzenwerte bei Arbeitslosigkeit, prekären Lebens- und Beschäftigungsverhältnissen und Armut werden primär auf dem Gebiet der Ex-DDR erreicht«, konstatierte Bartsch.
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