Der Staatsanwalt hat das Wort
Nach Beginn des Strafverfahrens gegen FIFA-Chef Joseph Blatter könnte ihn die Ethikkommission suspendieren
Hat es jemanden überrascht, als am Freitag die Schweizer Bundesanwaltschaft verkündete, sie ermittle gegen FIFA-Chef Joseph S. Blatter? Nun, zumindest der in Zürich weilende DFB-Präsident Wolfgang Niersbach erklärte via Agenturen, er sei »fassungslos« angesichts der Geschehnisse im Fußball-Weltverband. Am Sonnabend ließ das Präsidium des mitgliederstärksten Nationalverbandes eine Erklärung folgen, in der »schnelle, konsequente Aufklärung durch die Ermittlungsbehörden« gefordert wird und eine »umfassende Kooperation der FIFA«. Zu seinem engen Vertrauten, dem UEFA-Boss Michel Platini, dem Blatter im Februar 2011 zwei Millionen Franken gezahlt haben soll, verlor Niersbach hingegen kein Wort. Ein Überblick über die Geschehnisse seither:
Was geschah am Freitag?
Eigentlich wollte Joseph S. Blatter nach der Sitzung des FIFA-Exekutivkomitees vor die Presse treten, vor der er sich zuvor monatelang nicht gezeigt hatte. Doch zu diesem Zeitpunkt waren schon Ermittler der Bundesanwaltschaft im FIFA-Gebäude: Die Schweizer Bundesanwaltschaft verkündete, sie ermittle gegen Blatter wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung und Untreue. Zum einen geht es um den 2005 erfolgten Verkauf der WM-TV-Rechte an die CONCACAF, die Fußballkonföderation für Nord-/Mittelamerika und Karibik. Deren Präsident Jack Warner soll 600 000 US-Dollar dafür gezahlt haben, mit dem Verkauf aber wenigstens 15 Millionen Dollar eingenommen haben. Zum anderen geht es um umgerechnet 1,8 Millionen Euro an den UEFA-Präsidenten Michel Platini, die Blatter Anfang 2011 anwies - angeblich eine Zahlung für Beraterdienste in den Jahren 1999 bis 2002, geleistet neun Jahre nach Erfüllung dieser Beraterdienste. Platini hat die Zahlungen bei einer Vernehmung eingeräumt. Er gilt in dem Verfahren als »Auskunftsperson«, ein Status irgendwo zwischen Zeuge und Beschuldigtem.
Was sagen Blatter und Platini?
Wenig. Blatter will keineswegs zurücktreten, so schien es bis Sonntagabend. Sein ehemaliger PR-Berater Klaus Stöcker verkündete in der Zeitung »Schweiz am Sonntag«, der 79-Jährige sei »guten Mutes«. Und: »Der Präsident hat nicht die geringsten Sorgen.« Blatter-Günstling Michel Platini, der sich am 26. Februar 2016 zu dessen Nachfolger wählen lassen will, hat eine Erklärung nach Bekanntwerden der Affäre abgegeben: »Dieser Betrag steht in Bezug zu meiner Arbeit, die ich unter einem Vertrag mit der FIFA geleistet habe, und ich bin froh, dass ich diese Angelegenheit mit den Behörden klarstellen konnte.« In französischen Zeitungen wird indes stark angezweifelt, dass sich der »vorsichtige Michel« dereinst wirklich auf ein vierjähriges Engagement als Berater eingelassen haben soll, das er erst neun Jahre bezahlt bekommt.
Wie reagiert die FIFA?
Nachfolgekandidaten wie Prinz Ali Bin Al-Hussein aus Jordanien melden sich mit flachen Statements zu Wort: Der Weltverband sei »dezimiert« durch den neuerlichen Skandal. Immerhin hat die FIFA-Ethikkommission satzungsgemäß die Ermittlungen gegen Blatter und Platini begonnen. Sie hätte das Recht, Blatter binnen Tagen zu suspendieren. Dann würde Issa Hayatou als bisheriger Vizepräsident der FIFA vorstehen. Dem Kameruner wird vorgeworfen, im Zuge der WM-Vergabe für 2022 an Katar 1,5 Millionen Dollar kassiert zu haben.
Wer könnte helfen?
Im Schweizer Fernsehen SRF präsentierte der Schweizer Strafrechtsprofessor und ehemalige FIFA-Reformer Mark Pieth eine überraschende Interimslösung. »Ideal wäre, einen Präsidenten zu haben, der nach zwei Jahren wieder geht, jetzt aber für Beruhigung und Reform sorgt und dann Platz macht für jemanden, der dann länger präsidiert«, sagte Pieth. Er schlägt dafür den ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger (70) vor. »Er war Exekutivmitglied, in die Reformen involviert und ist integer. Zudem ist er entscheidungsfreudig«, so Pieth über Zwanziger. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International (TI) hingegen fordert eine unabhängige Aufsicht für den Fußball-Weltverband. »Es braucht jetzt Leute von außen, um diese Krise zu beenden«, so TI-Geschäftsführer Corbus de Swardt.
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