Erdrutsch nach rechts in Oberösterreich
FPÖ holt fast ein Drittel der Stimmen / Signalwirkung für die bevorstehende Landtagswahl in Wien befürchtet
Erstmals seit Jörg Haiders Triumph in Kärnten kam die FPÖ am Sonntag in einem Bundesland über 30 Prozent. Mit 30,4 Prozent Zustimmung verdoppelten die Rechten ihren Stimmanteil und ließen SPÖ (18,4) und Grüne (10,3) weit hinter sich. Die seit 1945 in Oberösterreich regierende ÖVP büßte über 10 Prozent ein und konnte ihren ersten Platz mit 36,4 Prozent gerade noch verteidigen. Die oberösterreichischen Kommunisten steigerten sich ein wenig, blieben aber unter der Ein-Prozent Marke. Die hohe Wahlbeteiligung von fast 82 Prozent macht den Wahlerfolg der FPÖ noch spektakulärer.
Der allgemeine Tenor nach den Oberösterreich-Wahlen war so einhellig wie falsch. Der Ausnahmezustand, in dem sich das ganze Land wegen der Flüchtlinge befände, hieß es, hätte zu einer Verzerrung des Wahlergebnisses beigetragen. Über die gute Arbeit der schwarz-grünen Koalition sei gar nicht abgestimmt worden, meinten sowohl ÖVP wie Grüne, deren Zusammenarbeit mangels Mehrheit nun nicht mehr fortgesetzt werden kann. An dieser Analyse stimmt nur, dass tatsächlich die Flüchtlingsfrage in den vergangenen Wochen alle anderen Themen überlagert hatte. Warum dies allerdings automatisch die Rechte stärken muss, wollte niemand ansprechen, geschweige denn erklären.
Die oberösterreichische Regierung selbst hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Flüchtlinge als Aussätzige gesehen wurden, deren Aufnahme möglichst zu vermeiden wäre. Im innerösterreichischen Gerangel um Verteilungsquoten blockierte ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer wochenlang jede Debatte. Am Sonntag hat er dafür die Rechnung präsentiert bekommen, in punkto Fremdenfeindlichkeit stahl die FPÖ der ÖVP die Show. Das schließt allerdings nicht aus, dass in Linz demnächst eine schwarz-blaue Koalition regieren könnte. Sie hätte mit 67 Prozent eine komfortable Mehrheit. Landeshauptmann Pühringer hat eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nie ausgeschlossen. Die mögliche Verkündung dieser rechts-rechten Allianz wird allerdings noch auf sich warten lassen. Denn vor der am 11. Oktober stattfindenden Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien wird sich die ÖVP hüten, eine Koalition mit der FPÖ öffentlich zu machen. Den Wiener Sozialdemokraten käme eine solche aus taktischen Gründen gelegen, sie hätten damit ein starkes Argument gegen das bürgerlich-rechte Lager, obwohl ihre Genossen im Burgenland die FPÖ in die Regierung geholt hatten.
Für die Wien-Wahl muss man sich nach den enormen Gewinnen der Rechten in Oberösterreich auf ein Match zwischen SPÖ und FPÖ gefasst machen. FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache meinte in einer ersten Reaktion am Montag, »nun ist alles möglich«, auch der Wiener Bürgermeistersessel. Den hält allerdings seit 21 Jahren der Sozialdemokrat Michael Häupl, ein alter Fuchs, der sich volksnah gibt (und auch ist) und jede Kooperation mit der Strache-FPÖ kategorisch ausschließt. Er repräsentiert die letzte Hoffnung einer SPÖ, die unter Parteiobmann und Bundeskanzler Werner Faymann - mit einer einzigen Ausnahme - seit Jahren in allen Wahlgängen teilweise erhebliche Einbußen erlitt. Häupls Slogan »Für Wien brauchst a G’spür« lässt eine politische Botschaft vermissen, für den ersten Platz müsste es dennoch - oder trotzdem? - ausreichen.
Bei der vergangenen Wien-Wahl 2010 kam die FPÖ auf 25,8 Prozent der Stimmen, die SPÖ auf 44,3. Häupl regierte fünf Jahre lang zusammen mit den Grünen. Das bevorstehende Duell Häupl-Strache um die Bundeshauptstadt könnte die drei kleineren Parteien ÖVP, Grüne und Neos Stimmen und Mandate kosten.
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