Studieren schwer gemacht

Das deutsche Hochschulsystem ist auf die vielen Asylbewerber nicht vorbereitet

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele der nun eintreffenden Flüchtlinge sind jung und bildungshungrig. Doch ein Studium wird wohl keiner von ihnen im nächsten Jahr aufnehmen können.

Angesichts steigender Flüchtlingszahlen sieht die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) Universitäten und die Kultusministerien in den Ländern vor großen Herausforderungen. Der ehemalige Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sagte am Dienstag in Berlin, ein Viertel der rund eine Million Flüchtlinge sei zwischen 18 und 25 Jahre alt. Wenn von ihnen nur jeder Fünfte studieren wolle, ergebe dies 50 000 neue Studierende, so Zöllner, der im Vorstand der FES sitzt.

Die Stiftung hatte bereits im August eine Umfrage in den Ländern gestartet, »um herauszufinden, wie der Hochschulzugang für Flüchtlinge in den einzelnen Bundesländern geregelt ist«. Das war vor der großen Flüchtlingswelle im September. Mittlerweile gibt es rund 300 000 Geflüchtete mehr im Land. Wie Zöllner am Dienstag sagte, seien fehlende Unterlagen bei Flüchtlingen, die studieren wollen, ein großes Problem. Wer Syrien, Irak oder Eritrea hastig verlassen musste, hat oft nicht alle Nachweise mitgenommen. Zwar werden rein theoretisch auch einfache Kopien bzw. eidesstattliche Versicherungen akzeptiert. In der Praxis jedoch wird es wohl auf Eignungstests hinauslaufen. Einige Bundesländer wie Mecklenburg-Vorpommern haben noch nicht einmal ein »speziell für Flüchtlinge vorgegebenes Verfahren«, wie es in Umfrage der FES heißt. Zöllner hofft hier auf die Kultusministerkonferenz der Länder, die am Donnerstag und Freitag in Berlin tagt.

Ein weiteres Problem ist der Spracherwerb. Wie der Präsident der Technischen Universität Berlin, Christian Thomsen, verdeutlichte, sei fließendes Deutsch Voraussetzung für ein Bachelorstudium. In Deutschland gibt es sogenannte Studienkollegs, wo die Sprache und auch das Rüstzeug für den Unialltag vermittelt werden. Derzeit zählt man bundesweit 4000 Plätze. Viel zu wenig für den erwarteten Ansturm. Auch die Ankündigung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU), 2400 zusätzliche Plätze schaffen zu wollen, sind angesichts der Zahlen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Einige Unis haben reagiert und bieten Asylbewerbern einen kostenlosen Gasthörerstatus an. Doch es wird eng. Auch weil derzeit so viele Studierende wie noch nie an deutschen Hochschulen eingeschrieben sind.

Völlig ungeklärt ist noch, wie die Asylbewerber ihr Studium finanzieren können. Zwar soll die Wartezeit, die Flüchtlinge hinter sich bringen müssen, bis sie BAföG erhalten, am 1. Januar 2016 von 48 auf 15 Monate sinken. Trotzdem wird im kommenden Jahr keiner der nun eintreffenden Asylbewerber studieren können. Auch weil sich »Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz« und Studium ausschließen, wie Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach betonte. Sprich: Wer studiert, bekommt kein Geld mehr vom Sozialamt, aber auch kein BAföG. Dies seien Dinge, »die sind nur bundesweit zu klären«, so der SPD-Politiker.

Fakt ist: Die Bundesregierung muss viel Geld in die Hand nehmen, will sie das Problem lösen. Rund 7000 Euro kostet ein Studienplatz durchschnittlich pro Jahr. Einen Großteil dieser Kosten trägt die öffentliche Hand. Sollten wie erwartet 50 000 Asylbewerber ein Studium aufnehmen, müssten dafür mindestens 350 Millionen Euro bereit gestellt werden. Ein Sprecher des Bundesbildungsministeriums räumte auf Anfrage ein, sein Ressort habe »noch gar keine Angaben zur Höhe der Kosten der Maßnahmen gemacht«. Er verwies auf ein Interview der Ministerin in der »Zeit«. Dort hatte Wanka gesagt: »Genauere Zahlen, wie viel Geld nötig sein wird, könnten übermorgen schon wieder obsolet sein. Wichtig ist, dass wir glauben, das stemmen zu können.«

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