Mit dem Fluxkompensator durch die Zeit
Der 21. Oktober 2015 ist ein historischer Tag, denn Michael J. Fox kommt als Marty McFly »Zurück in die Zukunft«
Häufig braucht es einen langen Atem, um bedeutsamer Kunst ihren Weg an die Öffentlichkeit zu bahnen. Was anfangs unterschätzten Schriftstellern wie Vladimir Nabokov (sein Meisterwerk »Lolita« war vielen Verlegern »zu pikant«) oder J.K. Rowling (zwölf Verlage winkten bei »Harry Potter« ab, bevor der erste Band in einer Auflage von 500 Exemplaren erschien) widerfuhr, das mussten auch Drehbuchautoren und Regisseure aus Hollywood wie Robert Zemeckis und Bob Gale ertragen. Ihr Manuskript zum ersten Teil von »Zurück in die Zukunft« wurde 40 Mal abgelehnt, ehe »Universal Pictures« zugriff.
Dass der tiefgründige Klamauk mit Michael J. Fox und Christopher Lloyd in den Hauptrollen später zum kommerziell erfolgreichsten Film des Jahres 1985 avancieren und gemeinsam mit den beiden Fortsetzungen Kultstatus erlangen sollte, war damals freilich nicht vorherzusehen. Schließlich konnte ja niemand in die Zukunft reisen. Ganz im Gegensatz zu den von Fox und Lloyd famos verkörperten Figuren Marty McFly und Dr. Emmett Brown.
Letzterer tüftelt im ersten Teil als verschrobener Wissenschaftler erfolgreich an einer Zeitmaschine, die er in einen Sportwagen der Marke DeLorean einbaut. Die für die Zeitreise benötigte Energie liefert ein mit Plutonium betriebener Kernreaktor namens »flux capicator«, den die deutsche Synchronisation falsch als »Fluxkompensator« übersetzte. Richtig müsste es »Fluxkondensator« heißen, was auf den ursprünglichen Plan der Autoren zurückzuführen ist, die Zeitmaschine nicht in einen pompösen DeLorean zu integrieren, sondern in einen handelsüblichen Kühlschrank. Aus sicher nicht vollständig unberechtigter Angst, die Feuerwehren der Welt müssten nach dem Kinostart massenweise in Kühlschränken eingeklemmte Kinder befreien, wählte das Filmteam dann doch das Auto.
Da sich Doc Brown das finanziell nicht ausreichend abgegoltene Plutonium bei libyschen Terroristen besorgt hat und diese den Physiker daraufhin erbost abknallen, steigt dessen jugendlicher Freund Marty unmittelbar nach der Tat in den DeLorean, um wenige Minuten in die Vergangenheit zu reisen und den Doc zu warnen. Versehentlich landet der Teenager jedoch im Jahr 1955, wo einige Missverständnisse das amouröse Anbandeln seiner Eltern verhindern und Martys Geburt damit hinfällig zu werden droht. Eine außergewöhnliche Story, die im Erscheinungsjahr 380 Millionen US-Dollar einspielte.
Klar, dass eine Fortsetzung folgen musste. Die Brücke bildete das Ende des ersten Films: Doc Brown eilt, futuristisch gekleidet, zu Marty und nimmt ihn mit »zurück in die Zukunft«, weil Martys Kinder ernsthafte Probleme haben. Die Zeitreise führt sie zum 21. Oktober 2015. Dort erblicken sie fliegende Autos, selbsttrocknende Jacken und »Hydratoren«, die binnen Sekunden aus einem kleinen Rohling eine heiße Pizza machen.
Viele Fans sehen diese Fortsetzung von 1989 ebenso wie den 1990 nachgelegten dritten Teil (eine Reise in den Wilden Westen) jenes Charmes beraubt, den der erste Film mit seiner nostalgischen Umsetzung versprüht. Das hindert sie jedoch nicht daran, an diesem Mittwoch Partys zur Ankunft des Marty McFly zu veranstalten.
Letztlich nämlich ist »Zurück in die Zukunft« ein dreiteiliges Gesamtkunstwerk, dessen Brillanz sich vor allem aus den wiederkehrenden Scherzen (»Running Gags«) speist. Vom bösen Biff (»Hallo McFly, jemand zu Hause?«) bis zu Martys Schwäche, bei Beschimpfung als »feige Sau« augenblicklich aggressiv zu werden, bleiben sie jedem im Gedächtnis, der die Trilogie gesehen hat. Sie wird im kulturellen Kanon des 20. Jahrhunderts bleiben. Ein vierter Teil erscheint nicht nur wegen Michael J. Fox’ Parkinsonerkrankung illusorisch. Auch Zemeckis und Gale schließen einen neuen Film aus. Ob sie ihre Meinung doch noch einmal ändern, lässt sich nicht vorhersehen. Schließlich müsste man dazu, nun ja, in die Zukunft reisen.
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