Eine Stiftung für den Kohleausstieg

Greenpeace bewirbt sich um den Erwerb der Lausitzer Braunkohlesparte von Vattenfall

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Umweltschützer von Greenpeace Nordic haben am Dienstag ein »Statement of Interest« eingereicht. Damit bleiben sie im Vattenfall-Verkaufsprozess der Lausitzer Tagebaue und Kraftwerke.

Greenpeace hat seine Pläne für ein Engagement in der Lausitzer Braunkohleregion konkretisiert. Auf einer Pressekonferenz in Berlin hat der schwedische Ableger der Umweltorganisation angekündigt, im Falle eines Erwerbs der Vattenfall-Braunkohlesparte die Tagebaue und Kraftwerke in eine gemeinnützige Stiftung zu überführen. Deren Ziel sei der schrittweise Ausstieg aus der Braunkohleverstromung bis zum Jahr 2030 und der Umbau der beteiligten Konzernbereiche zu einem Erneuerbare-Energien-Unternehmen. Dies solle im Rahmen der deutschen Rechtsordnung sozial- und umweltverträglich geschehen. »Das ist keine bloße Luftblase«, versicherte Annika Jacobson, Programm Managerin von Greenpeace in Schweden, mit Blick auf ihrer Kritiker im Vattenfall-Konzern.

Um 12 Uhr endete am Dienstag die Frist, in der Bewerber um die Braunkohlesparte des schwedischen Energiekonzerns offiziell ihr Interesse bekunden konnten. Annika Jacobson erklärte, Greenpeace habe ein »Statement of Interest« bei der US-Bank Citigroup eingereicht. Damit konkurrieren die Klimaschützer mit den tschechischen Energieunternehmen CEZ und EPH - zur EHP-Gruppe gehört auch die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) in Zeitz (Sachsen-Anhalt). Vattenfall will bis 2016 seine Tagebaue Jänschwalde, Welzow-Süd und Cottbus-Nord und die Kraftwerke Jänschwalde und Schwarze Pumpe in Brandenburg, in Sachsen Boxberg sowie Firmensanteile in Lippendorf verkaufen.

»Wir werden die Verantwortung für den Klimaschutz, die Gesundheit der Menschen und einen erfolgreichen Strukturwandel in der Lausitz übernehmen, wenn Vattenfall und die schwedische Regierung dies nicht tun«, sagte Jacobson. »Es ist eine große Chance, aus dem schmutzigen Braunkohlegeschäft eine erneuerbare Zukunft für die Lausitz und die Menschen dort zu machen.«

Klar machte Jacobson aber auch, dass zur Verwirklichung dieses Übernahme- und Umbaumodells der politische Wille aller beteiligten Seiten - neben Vattenfall die Regierungen Deutschlands und Schwedens, die Länder Brandenburg und Sachsen - nötig sei. Gehe es doch um die Gesundheit der Menschen, den Schutz der Umwelt und des Weltklimas.

Nils Müller, Vorstand der deutschen Greenpeace Energie, sagte: »Wir wollen kein Geld bezahlen, es ist es nicht wert.« Das Startkapital solle Vattenfall bereitstellen, darüber werde man verhandeln. Dennoch betrachte Greenpeace den angestrebten Deal nicht als Geschenk.

Mit dem »Statement of Interest« hat Greenpeace Nordic zugleich eine Kalkulation für den Wert der Kohlesparte vor. Auf weniger als eine halbe Milliarde Euro hat das von Greenpeace beauftragte Institut Energy Brainpool den Barwert des Kohlegeschäfts bis 2030 berechnet. So hoch fielen voraussichtlich die bis dahin erwirtschaften Gewinne und Verluste aus. Doch Greenpeace setzt den tatsächlichen Wert der Vattenfall-Unternehmungen in der Lausitz noch wesentlich niedriger an. Dabei verweist die Umweltorganisation etwa auf die immensen Folgekosten für den Rückbau der Tagebaue und Kraftwerke sowie für die Renaturierung der einstigen Gruben. So kommt sie am Ende auf einen Negativbetrag von minus zwei Milliarden Euro. Und unter Berücksichtigung der Kosten für Gesundheitsfolgen und Umweltmaßnahmen addieren sich die zu übernehmenden Verpflichtungen, die Vattenfalls Braunkohlesparte in der Region verursacht hat, laut Greenpeace-Kalkulation rasch auf einen zweitstelligen Milliardenbetrag.

»Wer die enormen Folgekosten der schmutzigen Kohle ignoriert, baut darauf, dass ein anderer sie bezahlt. Höchstwahrscheinlich der deutsche Staat und seine Steuerzahler«, betonte Annika Jacobson. Für den Klimaschutz muss Deutschland nach Analyse von Greenpeace bis zum Jahr 2030 aus der Braunkohle und bis 2040 komplett aus der Kohleverstromung aussteigen. Michael Günther von der Kanzlei Rechtsanwälte Günter erklärte auf Nachfrage, dass es auch aus völkerrechtlicher Sicht fraglich sei, ob sich angesichts der international gefassten Klimaziele ein Weiterbetrieb der Lausitzer Braunkohlewirtschaft noch vertreten lasse.

Jacobson verwies darauf, dass Vattenfall allein in der Lausitz mehr CO2 ausstoße als ganz Schweden. Mit kommerziellen Erwerbern drohe ein Weiterbetrieb dieser Klimazerstörer mit unabsehbare Folgen für Mensch und Umwelt. Die deutsche Energiewende würde so nicht stattfinden.

Welzower Lokalpolitiker, deren Orte durch die geplante Tagebauerweiterung gefährdet sind, forderten am Dienstag eine ernsthafte Prüfung des Greenpeace-Angebots.

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