Nur Jungs aus der Nachbarschaft?
Flüchtlingsheime werden attackiert und das BKA kümmert sich um Statistiken
Neben Straftaten gegen Asylunterkünfte könnte auch die Agitation zum Nachteil von vermeintlich Verantwortlichen wie Politiker oder Unterkunftsbetreiber an Bedeutung gewinnen. Auch könnte es neue Protestformen, beispielsweise Blockaden von Verkehrswegen geben, prognostiziert das BKA und ist froh, statistisch auf dem Laufenden zu sein. Bis zum Montag, so das BKA auf nd-Anfrage, wurden im laufenden Jahr bundesweit 576 sogenannte lagerelevante Delikte zum Themenfeld »Straftaten gegen Asylunterkünfte« registriert. Rechtsmotivierte Täter seien für 523 dieser Übergriffe verantwortlich. Bei 53 Delikten kann eine politische Motivation noch nicht sicher ausgeschlossen werden. Überwiegend handelte es sich um Sachbeschädigungen (192 Fälle), Propagandadelikte (113 Fälle) und Volksverhetzungen (69 Fälle).
Zum Vergleich: 2014 wurden 198 Straftaten gegen Asylunterkünfte gemeldet, davon waren 175 politisch rechts motiviert. Allein im dritten Quartal 2015 sind mit 285 »lagerelevanten Straftaten« mehr Verbrechen registriert worden als im gesamten vergangenen Jahr. 2013 hat das BKA 69 Straftaten gegen Asylunterkünfte aufgelistet. Davon waren 58 politisch rechts motiviert.
46 Brandstiftungen (davon acht Versuche) sind in der diesjährigen, ja noch längst nicht abgeschlossen BKA-Auflistung verzeichnet. Nur bei acht Brandstiftungen wurden bislang Tatverdächtige ermittelt. Es sind 22. Im vergangenen Jahr hatte die Behörde sechs Brandstiftungen registriert.
Zur Statistik gehören auch Aussagen zu den mutmaßlichen Tätern. Doch diese Analyse erscheint etwas mystisch. Das BKA sagt: »Von 500 bekannten und unbekannten Tätern sind 42 Prozent Einzeltäter, 49 Prozent Gruppen von zwei bis fünf Tätern und neun Prozent von sechs oder mehr Tätern.« Wie kommt man bei derart vagen Täterbestimmungen zu so exakten Zahlen? Und warum ist die Bundesregierung so total ahnungslos? Gefragt hatte die Linksfraktion und laut einer Antwort des Bundesinnenministeriums, dem das BKA ja direkt untersteht, gab es bis zum 17. September lediglich 30 politisch motivierte Gewalttaten zum Themenfeld »gegen Asylunterkünfte«. Sechs gab es in Sachsen, fünf in Brandenburg, vier in Nordrhein-Westfalen, drei in Schleswig-Holstein.
»nd« wollte diese und die bundesweite Statistik des BKA aufschlüsseln. Da gerade die Landeskriminalämter jedoch erfahrungsgemäß zurückhaltend sind, bekamen sie die Frage kurz, klar und schriftlich.
Das rot-grün regierte Nordrhein-Westfalen bedauerte zuerst: »Wir können dazu keine Aussagen machen ...« Das Bayerische Innenministerium teilt mit, dass seinem LKA zwischen Januar und Ende August 29 politisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte bekannt geworden sind. Sechs davon seien geklärt, dabei habe man elf Täter ermittelt. Dem LKA in Kiel sind bis zum 22. Oktober insgesamt 25 entsprechende Fälle bekannt geworden. 17 Ermittlungsverfahren richten sich gegen »unbekannt«, bei den restlichen Verfahren wurden 19 Verdächtige ermittelt. Bislang gab es eine Verurteilung, hieß es.
Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg brauchen noch Bearbeitungszeit, andere LKA beispielsweise in Sachsen-Anhalt, Berlin oder Brandenburg vermieden am Donnerstag jegliche Rückmeldung.
Das BKA seinerseits behauptet, dass 228 Tatverdächtige namentlich bekannt sind. Wie viele davon bereits mit einem Staatsanwalt Bekanntschaft schließen mussten, kann man aus der Statistik nicht herauslesen. Sicher ist das BKA, dass es sich überwiegend um Männer handelt, die Hälfte der Beschuldigten sind 18 bis 25 Jahre alt. Zu 30 Prozent von ihnen gab es zur Tatzeit einschlägige »Vorerkenntnisse«. 73 Prozent verübten ihre Taten an dem Ort, an dem sie leben.
Experten zweifeln. Stichwort »Nachbarschaftswächter«. Vor einer Flüchtlingsunterkunft im niedersächsischen Schwanewede unweit von Bremen läuft schon seit Wochen eine Gruppe Streife vor dem Flüchtlingsheim, um die Anwohner vor den »Fremden« zu schützen. Gründe dafür gibt es nicht, sagt Bürgermeister Harald Stehnken (SPD) und macht darauf aufmerksam, dass sich an den Streifzügen niemand aus dem Ort beteiligt. Woher kommen die Typen dann? Dass Rechtsextremisten höchst mobil unterwegs sind, weiß man von diversen Aktionen in jüngster Zeit. Und man sollte auch gelernt haben vom NSU-Skandal. Da hat angeblich ein Trio aus Zwickau bundesweit Terror verbreitet. Da die Tätersuche im Tatortumfeld zu kurz griff, bezahlten zehn Menschen das polizeiliche Unvermögen mit ihrem Leben.
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