Tarifexperten: Mindestlohn sollte auf 10 Euro steigen

Bericht über Studie der Hans Böckler Stiftung / DIW-Präsident Fratzscher nennt Ruf nach Senkung der Lohnuntergrenze für Flüchtlinge »brandgefährlich«

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Tarifexperten haben sich für eine deutliche Anhebung des Mindestlohns ausgesprochen - auf zehn Euro. Dies fordert auch die Linkspartei. Bevor im kommenden Jahr eine Kommission die Höhe der derzeit gültigen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro überprüfen soll, haben Fachleute der gewerkschaftsnahen Hans Böckler Stiftung nun die Anhebung empfohlen. Nach einer noch unveröffentlichten Studie des WSI-Tarifarchivs, über die der »Spiegel« berichtet, liegen die tariflichen Lohnuntergrenzen, die Unternehmen und Gewerkschaften in vielen Branchen per Vertrag ausgehandelt haben, inzwischen mehrheitlich bei zehn Euro und mehr. Das gelte für 11 der 19 betroffenen Wirtschaftszweige. Ein höherer gesetzlicher Mindestlohn könne den Niedriglohnsektor verringern und die Rente von Geringverdienern verbessern, meldet das Magazin unter Berufung auf die Ökonomen. In vier Branchen liegen tarifliche Mindestlöhne aufgrund von Ausnahmeregelungen derzeit noch unter dem gesetzlichen Wert.

Derweil hat der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW, Marcel Fratzscher, Forderungen nach einer Senkung des Mindestlohns für Flüchtlinge als »populistisch« und »brandgefährlich« kritisiert. Verschiedene Gruppen des Arbeitsmarkts gegeneinander auszuspielen gefährde die Willkommenskultur in Deutschland. Gegenüber der »Neuen Osnabrücker Zeitung« sagte Fratzscher, ein Flüchtlingsgipfel von Politik und Wirtschaft könne helfen, die Unterstützung der Unternehmen und ihrer Spitzenvertreter für die Integration zu sichern. »Der Staat kann die Flüchtlinge materiell unterstützen, kann ihnen helfen bei Sprachkursen, sie begleiten bei der Integration«, führte der DIW-Präsident aus. Aber letztlich spiele die Wirtschaft eine zentrale Rolle. »Wenn die Politik nicht mitmacht oder wenn die Wirtschaft nicht mitmacht, dann wird dieser Integrationsprozess scheitern«, so der Ökonom.

Gleichzeitig wandte sich Fratzscher dagegen, das Renteneintrittsalter oder die Steuern zu erhöhen. Die Flüchtlinge seien »eine große Chance, um das Rentensystem in Deutschland nachhaltig abzusichern«. Andere Interpretationen seien »absolut falsch«. Wenn das Renteneintrittsalter angehoben werde, dann nicht wegen der Zuwanderung, sondern weil die Menschen immer älter würden. »Wir haben heute eine außergewöhnlich gute Lage der öffentlichen Haushalte. Wir werden also auch im nächsten Jahr Überschüsse in den öffentlichen Haushalten haben, auch trotz der zusätzlichen Kosten für die Flüchtlinge«, sagte der Ökonom. nd/Agenturen

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.