Nur ein paar Defizite

Regierung untersuchte sich und den BND mal wieder selbst - Sonderermittler Graulich legte Bericht zu Selektoren der NSA vor

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes soll schärferen Regeln unterworfen werden, sagt die Regierung. Anlass ist der Bericht ihres Ermittlungsbeauftragten Kurt Graulich zu NSA-BND-Selektoren.

Von dem Bericht gibt es mal wieder mehrere Fassungen. Eine streng geheime, eine geheime und eine zur Verschleierung der skandalösen Tatsachen. Grundsätzlich kommt der Jurist Kurt Graulich zu der Schlussfolgerung: Die National Security Agency (NSA) habe mit den Suchbegriffen, die sie dem BND gegeben hat, damit der damit kabel- und satellitengebundene Kommunikation durchsucht, klar gegen Regeln verstoßen. In einem sogenannte Memorandum of Agreement von 2002 war vereinbart worden, dass weder US-Amerikaner noch Deutsche eigene Bürger ausspähen.

Graulich ermittelte zudem, dass vor allem europäische Regierungseinrichtungen Spähziele der NSA gewesen sind. Fast 70 Prozent der vom BND im Verlaufe der Zusammenarbeit mit der NSA aussortierten Selektoren betrafen Regierungsstellen von EU-Ländern. Bei zwei Dritteln aller 28 EU-Mitgliedstaaten habe man Treffer gefunden, heißt es in dem Bericht. Ganze Mitarbeiterstäbe europäischer Regierungen seien Ziel der Ausspähung gewesen. Auch seien deutsche Ziele, die durch das Grundgesetz vor der Ausspähung eigener Nachrichtendienste besonders geschützt sind, in überraschend großer Anzahl auf der Wunschliste der NSA zu finden. 16 Prozent der Selektoren hätten Telekommunikationsteilnehmer in Deutschland betroffen. Darunter seien Wirtschaftsunternehmen aus oder mit Sitz in Deutschland gewesen.

Das alles wusste man, seitdem der Bundestags-Untersuchungsausschuss sich - angeregt von den Veröffentlichungen des einstigen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden - mit der geheimen Kooperation deutscher und US-Dienste intensiver befasst. Nun hat Graulich, der von der Bundesregierung beauftragt und mit den von ihr gewünschten Informationen durch Mitarbeiter des BND versorgt wurde, gewisse Details hinzugefügt.

Grundlage von Graulichs Untersuchung war eine Liste von gut 39 000 Suchbegriffen der NSA, die der BND im Zeitraum von 2005 bis März 2015 aus dem aktiven Betrieb genommen hatte. Nach Graulichs Einschätzung hat es dem BND an einem begründeten Misstrauen gegenüber dem US-Partner gemangelt. Eine Wertung, die verwundern muss. Immerhin hat der BND sehr bewusst von den Zulieferungen der NSA profitiert und damit zum Teil eigene Erkenntnisse gewonnen. Der Regierungssonderermittler sagt, die Zusammenarbeit zwischen NSA und BND sei weder transparent noch für die deutsche Seite steuerbar gewesen. Das klingt wie ein Persilschein für das Kanzleramt.

Am kommenden Donnerstag wird Graulich vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss seinen Bericht erläutern. Die Abgeordneten sind eine Art Zweitnutzer und zumindest die Opposition wird mit kritischen Fragen nicht geizen.

Während die Union den Bericht - bereits vor dem Studium - überwiegend positiv bewertet, kommt aber auch Kritik von der SPD. Deren Obmann im NSA-Ausschuss, Christian Flisek, verlangt weitere Aufklärung. Bei den Suchbegriffen der NSA seien bislang nur Stichproben untersucht worden, sagte er. Es sei längst überfällig, dass der Bundesnachrichtendienst eine vollständige Analyse vornehme.

Weiter geht die Kritik von Martina Renner. Die Obfrau der Linksfraktion meint auch, Graulichs Ergebnisse seien allenfalls kursorisch, denn es gebe rund 14 Millionen NSA-Selektoren - Graulich habe die 39 000 bewerten können, die dem BND selbst bei einer manuellen Prüfung negativ aufgefallen seien. Ihr Fraktions- und Ausschusskollege André Hahn, der zugleich Chef des Parlamentsgremiums zur Geheimdienstkontrolle ist, forderte nun Ermittlungen des Generalbundesanwalts. Sie sollten sich gegen verantwortliche BND-Mitarbeiter und möglichst auch gegen beteiligte Mitarbeiter des US-Geheimdienstes NSA richten, sagte der LINKE-Politiker.

Harsche Kritik kam auch vom Grünen-Obmann Konstantin von Notz. Grundsätzlich kritisierte auch er, dass Graulich nicht im Auftrage des Ausschusses gearbeitet habe und dass seine Sicht nicht die eigene Anschauung der Selektorenliste durch die mit der Untersuchung des NSA-Spionageskandals betrauten Personen ersetze. Zudem halten die Abgeordneten der Opposition das Graulich-Papier für methodisch fragwürdig.

Doch die Bundesregierung tut so, als sei nun alles klar. Man habe ein paar fachliche und technische Defizite entdeckt, nun werde man Schlussfolgerungen ziehen und alles ist gut. So ist geplant, das Auftragsprofil des BND zu überarbeiten. Neben einer internen Untersuchung der Strukturen und Abläufe in der BND-Abteilung Technische Aufklärung werde zusätzlich eine »umfassende externe Überprüfung bis Ende dieses Jahres initiiert«, sagte eine Regierungssprecherin. Geplant sei auch eine klarstellende gesetzliche Regelung zur strategischen Fernmeldeaufklärung des Auslandsgeheimdienstes. Um diese zu beheben, sei man bereits im Frühjahr tätig geworden. Weitere Schritte sollten nun folgen.

Auch das kennt man. Bereits im Juni hatte BND-Präsident Gerhard Schindler vor dem Untersuchungsausschuss entsprechende Maßnahmen angekündigt. Man kündigte an das Abgreifen von Kommunikationsdaten »besser zu regeln«. Das betreffe auch die im sogenannten G10-Gesetz geregelte geheimdienstliche Telekommunikationsüberwachung. Kurzum, die Regierung zieht eigene Schlussfolgerungen - bevor der Untersuchungsausschuss noch mehr aufdeckt und seinerseits gesetzliche und personelle Maßnahmen verlangt.

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