Karamarko will Kroatien rocken
Bei der Parlamentswahl am Sonntag setzt der Oppositionschef alles auf die nationale Karte
Die Hände gehen ans Herz, die patriotischen Weisen schlagen aufs Gemüt: Arm in Arm wiegen sich die rund 3000 Besucher der Sporthalle von Osijek zu den vertrauten Liedern der 90er Jahre. Nur einer lächelt nicht: Regungslos und mit unbewegter Miene lässt Tomislav Karamarko, der Spitzenkandidat von Kroatiens »Patriotischer Koalition«, die Lobpreisungen seiner Vorredner über sich ergehen. Seine Partei gilt für die Parlamentswahlen am Sonntag als favorisiert.
»Für ein starkes Kroatien« prangt die Losung des von der Kroatischen Demokratischen Union (HDZ) geführten konservativen Oppositionsbündnisses auf blauen Windjacken und Schals. »Wir können dieses Spiel nicht verlieren, wir stehen vor dem Sieg!«, übt sich der HDZ-Kandidat Ivan Anusic in der Rolle des Einpeitschers: »Wir werden Kroatien ein für allemal von den Kommunisten befreien!«
Unversöhnlich stehen sich vor der Wahl der von dem sozialdemokratischen Premier Zoran Milanovic geführte Mitte-Links-Block und das rechtsnationale Wahlbündnis von HDZ-Chef Karamarko gegenüber. Weniger unterschiedliche Regierungskonzepte oder die Flüchtlingskrise als vielmehr Überzeugungen entzweien die Nation. Die Umfragen sagen einen Vorsprung von zwei bis drei Prozent für Karamarkos Oppositionsbündnis voraus. Die erhoffte Mehrheit dürften beide Lager verfehlen. Mit der Entscheidung über den Kurs des EU-Neulings ist erst im Koalitionspoker nach dem Urnengang zu rechnen: Die Abgeordneten der Regionalparteien, der Minderheiten und der Diaspora werden das Zünglein an der Waage sein.
Der Beifall steigert sich zum Orkan - und ebbt nach Beginn der Ausführungen des Spitzenkandidaten rasch wieder ab. Ein Volkstribun ist der frühere Geheimdienstchef keineswegs: Mit schleppender Stimme doziert der hoch gewachsene Karamarko über die Flüchtlingskrise, anvisierte Steuersenkungen sowie Investitionen in Kanäle und Schienen. Stimmung kommt nur auf, wenn der 56-jährige Oppositionschef mit dem Verweis auf den Kroatienkrieg auf die nationale Tube drückt: »Gemeinsam verteidigten wir das Vaterland. Und gemeinsam werden wir diese unfähige Regierung besiegen.«
Familie, Kirche, Vaterland: Je höher die vom Hallensprecher verkündete Anzahl ihrer Kinder, desto lauter prasselt der Applaus für die fast ausschließlich männlichen Kandidaten. Unter den 14 im Wahldistrikt IV nominierten Parlamentsanwärtern findet sich nur eine Frau. »Wir haben unser Land nicht geschaffen, damit wir verschwinden«, begründet Karamarko den Plan einer Geburtsprämie von umgerechnet 1000 Euro: »Wir wollen nicht weniger, sondern mehr werden.«
Obwohl 1989 einer der Mitbegründer der HDZ, zog der scheu wirkende Historiker aus Zadar in dem seit 1991 unabhängigen Kroatien meist im Schatten der Macht für andere die Fäden. Ob als Kabinettschef des Regierungs- oder Staatschefs, ob als Direktor des Geheimdienstes oder als Innenminister: Der Katholik machte sich als Strippenzieher im Hintergrund und Mann des Sicherheitsapparats einen Namen.
Nach dem Wahldebakel 2011 schien die tief in den Korruptionssumpf geschlitterte und zeitweise vom Gericht gar als »kriminelle Vereinigung« klassifizierte HDZ um ihre Existenz bangen zu müssen. 2012 übernahm Karamarko den Vorsitz und verpasste der Partei eine stramm national-klerikale Ausrichtung.
Allerdings hat die HDZ ihren politischen Höhenflug bei den jüngsten Urnengängen vor allem der kargen Erfolgsbilanz von Premier Milanovic zu verdanken.
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