Zwei tote Nazis im Wohnmobil
Vor vier Jahren flog das NSU-Terrortrio auf, aber viele Fragen sind bis heute nicht geklärt
In den Mittagsstunden des 4. Novembers 2011 fing ein Wohnmobil im thüringischen Eisenach plötzlich Feuer. In dem Bus der Marke Fiat Sunlight lagen die Leichen zweier gesuchter Neonazis. Was auf dem Parkplatz eines Baumarktes begann, weitete sich schnell zu einem der größten Skandale der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte aus. Die später als Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt identifizierten Nazis gehörten zum Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), auf dessen Konto zehn Morde, 15 Raubüberfälle und drei Bombenanschläge gehen. Während ihre Kumpane Feuer fingen, versuchte das dritte NSU-Mitglied Beate Zschäpe die Spuren in der gemeinsamen Zwickauer Wohnung zu vernichten. Dafür setzte sie alles in Brand. Im seit zwei Jahren laufenden Münchner NSU-Prozess wird ihr das als »bedingter Mordvorsatz« ausgelegt.
Es würde den Rahmen des Artikels sprengen, alle Ungereimtheiten dieses Falles aufzuzählen. Dass man sowohl in den Landesämtern als auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz unmittelbar nach Auffliegen der Terrorzelle zahlreiche Akten schredderte, spricht für die tiefe Verstrickung der Behörden.
Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau, die für die LINKE im ersten NSU-Untersuchungsausschuss saß, konstatierte am Mittwoch: »Auch vier Jahre danach gibt es zur NSU-Mord- und Anschlagsserie mehr Frage- als Ausrufezeichen. Von bedingungsloser Aufklärung, wie Angela Merkel es den Betroffenen versprach, kann keine Rede sein.« Nicht nur Pau sieht weiteren Aufklärungsbedarf. Nach langen Diskussionen beschloss der Bundestag Mitte Oktober die Einsetzung eines zweiten NSU-Ausschusses. Unter dem Vorsitz von Clemens Binninger (CDU) soll das Gremium ab Dezember auch die Verflechtungen zwischen Neonazi-Szene und organisierter Kriminalität genauer beleuchten. Zudem will man sich den V-Leuten und ihren Führern widmen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Uli Grötsch verwies am Mittwoch gegenüber tagesschau.de auf den Fall eines hochrangigen Neonazis, der Informationen an den Geheimdienst verkaufte. Später habe der Quellenführer sogar von einer Art »Vater-Sohn-Beziehung« gesprochen, so Grötsch, der als Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums intime Einblicke in die Arbeit der Geheimdienste bekommt.
Auch die Vertreter der Nebenklage im Münchener NSU-Prozess fordern, der Ausschuss müsse sich vor allem um die Frage kümmern, »welche Rolle das V-Leute-System für die Entstehung des NSU und dessen Unterstützungsstrukturen gespielt hat«. So sollte geklärt werden, was das Bundesamt für Verfassungsschutz wusste und ob Erkenntnisse, »die es ermöglicht hätten, die Morde zu verhindern, ignoriert worden sind«. Die Rechtsanwälte meinen, Anhaltspunkte dafür gefunden zu haben, »die ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit seinem sehr viel weiter reichenden Instrumentarium« verfolgen müsse.
Viel Zeit bleibt dem Ausschuss dafür nicht. Da sein Mandat an die laufende Legislatur gebunden ist, muss spätestens im Herbst 2017 ein Abschlussbericht vorliegen.
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