Mit dem Rücken zur Wand

Rainer Balcerowiak über den Kampf der Lufthansa gegen die Tarifmacht der Gewerkschaften

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 2 Min.

Es wäre ein kleines Wunder, wenn der angekündigte Streik bei der Lufthansa noch in letzter Minute ausgesetzt wird. Nach über zwei Jahren fruchtloser Verhandlungen will die unabhängige Flugbegleiterorganisation (UFO) jetzt Ernst machen und dem Konzern den Erhalt der bisherigen Übergangsversorgung abringen. Das klingt nach der Verteidigung von Privilegien, ist aber ein dringend notwendiger Abwehrkampf gegen den Abbau sozialer Standards bei der Lufthansa, die für die rund 19 000 Flugbegleiter existenzielle Bedeutung haben. Aufgrund der starken körperlichen Belastung ist kaum ein Angehöriger des fliegenden Personals in der Lage, seinen Beruf bis zum regulären Renteneintrittsalter auszuüben. Es besteht daher bislang die Möglichkeit, ab dem 55. Lebensjahr in den Ruhestand zu gehen und bis zum regulären Renteneintritt eine Betriebsrente zu erhalten. Diese soll nach dem Willen des Konzerns deutlich abgesenkt werden.

UFO und auch die Pilotengewerkschaft Cockpit stehen mit dem Rücken zur Wand. Denn nach dem Willen der Konzernführung soll der Flugbetrieb Schritt für Schritt in die neu gegründete Tochterholding Eurowings ausgegliedert werden, die in Österreich registriert ist. Der Konzerntarif findet dort keine Anwendung, Eurowings-Mitarbeiter verdienen bis zu 40 Prozent weniger als ihre Lufthansa-Kollegen und die Alters- und Vorruhestandsversorgung ist ebenfalls deutlich schlechter.

Die Beschäftigten wehren sich im Kern gegen diese Ausgliederung, bloß allzu laut sagen dürfen sie das nicht. Denn dann können Arbeitsniederlegungen verboten werden, wie zuletzt Cockpit am 9. September schmerzlich erfahren musste. Für die Richter des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist es ein »Kernbereich der unternehmerischen Freiheit«, wenn Konzerne ganze Bereiche in Billiglohntöchter ausgliedern und damit die Tarifbindung aushebeln. Und gegen diese Form der »unternehmerischen Freiheit« darf nicht gestreikt werden. Das Urteil hat nicht nur in der Lufthansa-Zentrale Jubelstürme ausgelöst, bei einigen Wirtschaftsverbänden war gar von einer erfreulichen Wende in der Rechtsprechung die Rede. Da die Airline bereits angekündigt hat, gegen einen Streik der Flugbegleiter sofort juristisch vorzugehen, besteht die Gefahr, dass sich diese konzernfreundliche verstetigt.

Entsprechend vorsichtig agiert jetzt UFO und betont sogar, dass man sich »moderaten Einschnitten« bei der Übergangsversorgung nicht verweigern werde. Doch dem Konzern, der in den ersten drei Quartalen 2015 einen Nettogewinn von 1,75 Milliarden Euro verbuchen konnte, reicht das nicht. Er will auf Biegen und Brechen nicht nur eine »konkurrenzfähige Kostenstruktur« durchsetzen, sondern auch die Tarifmacht der Gewerkschaften - UFO bei den Flugbegleitern, Cockpit bei den Piloten und ver.di beim Bodenpersonal - nachhaltig brechen.

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