Alles doppelt unter einem Dach
Bautzens Dom wird seit langem von Protestanten und Katholiken gemeinsam genutzt
Der Zaun ist geblieben - mitten im Bautzener Dom. Seit Jahrhunderten trennt er den evangelischen vom katholischen Teil der Kirche und umgekehrt. Auch nach der umfangreichen Innensanierung, die am 14. November mit einem ökumenischen Gottesdienst gefeiert wird, bleibt das so. »Wir haben uns nach langer Diskussion dazu entschieden«, sagt der evangelisch-lutherische Dompfarrer Christian Tiede. Es sei aber kein Trenngitter im Sinne von Abgrenzung, sondern »eine Herausforderung«. Dennoch: Über die Verschiedenheit soll nicht hinwegtäuscht werden. Nach wie vor gebe es keine Einheit zwischen den beiden Kirchen, sagt Tiede. Da sei diese Lösung nur allzu ehrlich.
Allerdings gibt es statt einem nun zwei Durchgänge, die einen Rundgang im frisch sanierten Kirchengebäude problemlos zulassen. Zudem sei das Gitter längst nicht mehr so hoch wie anfangs. Von früher 4,50 Metern wurde das ehemalige Lettnergitter auf gerade mal gut einen Meter reduziert. Der Blick in den hellen Kirchenraum ist frei. Ein Spruchband aus Messing auf dem Trenngitter zitiert Verse aus dem Johannesevangelium. Dort steht unter anderem: »Auf das sie alle ein seien.«
Der Dom wird von Protestanten und Katholiken seit 1524 gemeinsam genutzt. Bautzen hat damit die ältestes Simultankirche Deutschlands. Mit rund 1200 Plätzen - mehr als 900 im evangelischen Teil im Kirchenschiff und knapp 300 auf der katholischen Fläche im Chorraum - ist sie auch die größte ihrer Art. 1543 wurde der erste Vertrag geschlossen, der die Nutzung der Kirche durch beide Konfessionen regelte.
»Ökumene in Bautzen ist Alltagsgeschäft«, sagt Tiede. Dieser Ort rufe danach, etwas gemeinsam zu machen. Einige der Veranstaltungen werden seit Jahren ökumenisch angeboten, etwa Friedensgebete oder Gedenkveranstaltungen. Es gebe auch einige gemischt konfessionelle Paare, die Gottesdienste im Wechsel besuchen. Rein praktisch betrachtet hat jede Gemeinde ihre Nutzungszeiten. Über freie Zeitfenster wird abgestimmt. »Wir telefonieren ständig miteinander«, sagt Tiede. Theologische Debatten sind allerdings nicht vordergründig. »Bautzen ist nicht der innovative Keim für Ökumene«, sagt Tiede mit Blick auf Veränderungen wie etwa ein gemeinsames Abendmahl. Das würde den Ort überfordern, meint der evangelische Theologe. Doch an der Basis gelingt schon viel: So wird der Domladen wird gemeinsam betrieben. Dem Betreiber- Verein gehören Katholiken wie Protestanten an. Im Laden gibt es auch regelmäßig Gesprächsreihen.
Der katholische Dompfarrer Veit Scapan sieht die gemeinsame Nutzung des Doms ähnlich positiv. »Die Bautzener ticken anders«, sagt er. Es gebe »viele Dinge, die auf kurzen Wege besprochen werden«. Ökumene sei Alltag. Rund 4000 Mitglieder zählt seine Gemeinde. Die evangelisch-lutherische Domgemeinde beziffert ihre Mitglieder auf rund 5000.
»Bei uns gibt es alles doppelt«, sagt Tiede. Zwei Gemeinden, zwei Pfarrer, zwei Altäre, zwei Sakristeien. Auch zwei Bauherren gab es bei der zweijährigen Sanierung, die rund 2,1 Millionen Euro kostete - aber nur einen Architekten. Einmal im Monat kamen alle zur großen Bauberatung zusammen. »Das lief sehr gut«, sagt der leitende Dresdner Architekt Christian Schaufel.
Bei der Sanierung wurden neben dem Innenanstrich auch Figuren und Gemälde restauriert und die Bänke gereinigt. In den Chorraum konnten Glasfenster in Gelb und Blau nach einem Entwurf des Wernigeroder Künstlers Günter Grohs eingesetzt werden. »Das ist eine echte Bereicherung für den Dom«, sagt Schaufel. Der Glasgestalter aus dem Harz hat unter anderem auch die Fenster für den Dom in Halberstadt entworfen.
Tiede kennt den Dom vor allem als Baustelle. Als er in Bautzen als Dompfarrer anfing, begannen auch die Sanierungsarbeiten. Die Gemeinden mussten ausweichen. Nun freut er sich auf den neuen Raum: »Ich werde mich immer mal zurückziehen und mich an dem Gebäude erfreuen.« epd/nd
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