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Armut in der der »Vorstufe zum Paradies«

Im reichen Bayern wachsen die sozialen Gegensätze

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl CSU-Chef Horst Seehofer Bayern gerne als »Vorstufe zum Paradies« verkauft, geht es dort ziemlich irdisch zu: Eine kleine Minderheit verfügt über den Großteil des Vermögens, Hartz IV-Bezieher sind weniger zufrieden, der Anteil der Armen und der atypischen Jobs wird größer. Kapitalistischer Alltag also, wenn auch auf hohem Wohlstandsniveau. Und obwohl Bayern sich rühmt, bei Arbeitslosigkeit und Lebensstandard besser als der Rest der Republik dazustehen, sind dort 1,76 Millionen Menschen von Armut bedroht.

Während die seit mehr als 50 Jahren regierende CSU sich stets bemüht, Bayern als das Land darzustellen, in dem aufgrund ihres segensreichen Wirkens stetig Milch und Honig fließen, zeigt der jüngste Datenreport »Soziale Lage in Bayern 2014« des bayerischen Sozialministeriums auch die andere Seite. Zwar steht der Freistaat mit einer sogenannten Armutsgefährdungsquote von 11,3 Prozent (Deutschland: 15,5) am besten von allen Bundesländern dar, aber die Zahl der von Armut bedrohten Menschen hat sich zwischen 2006 und 2013 um 150 000 erhöht - heute ist jeder siebte Einwohner Bayerns betroffen. Als armutsgefährdet gilt, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren (medianen) Nettoeinkommens verfügt, die Grenze lag im Freistaat 2013 bei 973 Euro pro Monat für einen Ein-Personen-Haushalt.

Es wundert wenig, dass Hartz IV-Bezieher zu 89 Prozent von Armut betroffen sind. Und es wundert ebenso wenig, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit bei den Langzeitarbeitslosen am geringsten ausfällt und sich dort auch das geringste Vermögen findet. Im Jahresdurchschnitt waren 2013 rund 420 000 Menschen auf Hartz IV angewiesen, die meisten davon (53,5 Prozent) waren Alleinstehende. Auch hier gilt: Im Bundesvergleich steht Bayern am Besten da, was freilich für den betroffenen Einzelnen ein schwacher Trost ist.

Langzeitarbeitslose suchen oft händeringend nach einem Job, um aus der Armutsfalle herauszukommen, aber auch der Arbeitsmarkt in Bayern ist nicht mehr das, was er einmal war. Zwar nahm die Erwerbstätigenzahl von 2000 bis 2013 insgesamt um zehn Prozent zu, das Arbeitsvolumen - also die Summe der geleisteten Stunden - aber nur um rund vier Prozent. Die verfügbare Arbeit wurde also auf mehr Arbeitsplätze verteilt.

Dem entspricht der Anstieg von sogenannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen (etwa Leiharbeiter) im Zeitraum von 2001 bis 2013 von 24 auf 36 Prozent. Und immer weniger Beschäftigte kommen in Bayern in den Genuss eines Tarifvertrages. So ist die Zahl der Betriebe mit Tarifbindung seit 2001 bis 2013 deutlich von 50 Prozent auf 30 Prozent gesunken, der Anteil von Beschäftigten mit Tarifverträgen ging von 70 auf 59 Prozent zurück.

Vermehrt hat sich hingegen überproportional der Reichtum der Reichen. Diese »oberen« 30 Prozent der Gesellschaft verfügten über 81 Prozent des Vermögens in Bayern, während sich die »unteren« 50 Prozent mit gerade mal drei Prozent zufrieden geben müssen. Allerdings ist bei den Angaben zu Vermögen zu berücksichtigen, dass die Reichen in ihren Villen zwischen Tegernsee und Berchtesgaden sehr schmallippig sind, was den angehäuften Reichtum betrifft. »Insgesamt hat die Bereitschaft vermögensstarker Haushalte über ihre Vermögen Auskunft zu geben, im Laufe der Jahre abgenommen, so dass sich aus der verminderten Antwortbereitschaft derzeit nicht genau quantifizierbare Effekte ergeben«, heißt es im Sozialbericht. Geld hat man, aber man spricht nicht darüber.

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