Pflegereform: Leichte Verbesserungen für Demenzkranke
Bundestag verabschiedet zweite Stufe / Neue Einteilung der Pflegegrade / Beiträge steigen / Opposition beklagt Personalmangel und unsolidarische Finanzierung
Berlin. Bessere Pflegeleistungen für Demenzkranke und mehr Hilfe für pflegende Angehörige: Das sieht die zweite Stufe der Pflegereform vor, die der Bundestag am Freitag verabschiedet hat. Sie wird zum 1. Januar 2017 wirksam. Demenzkranke erhalten damit künftig den gleichen Anspruch auf Pflegeleistungen wie körperlich beeinträchtigte Menschen. Um dies zu finanzieren, steigt der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung zum 1. Januar 2017 erneut um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent. Gewerkschaften und Sozialverbände kritisieren den weiterhin bestehenden starken Personalmangel in der Pflege, die schlechte Bezahlung des Pflegepersonals und ein fehlendes solidarisches Finanzierungskonzept.
Mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden die drei bisherigen Pflegestufen künftig durch fünf differenziertere Pflegegrade ersetzt. Bei der Einstufung wird zum Beispiel darauf geachtet, inwiefern sich der Pflegebedürftige noch selbst versorgen kann, wie mobil er ist und wie sein Sozialverhalten ist.
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärte, die Pflegebedürftigkeit werde künftig individueller erfasst und der Grundsatz »Reha vor Pflege« gestärkt. Zudem setze die Pflegeversicherung deutlich früher an, um Menschen zum Beispiel durch barrierefreie Umbauten in der Wohnung einen längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.
Angehörige von Pflegebedürftigen erhalten einen eigenen Beratungsanspruch und werden im Rentensystem besser berücksichtigt. »Heute bringen wir eine große Reform auf den Weg für 2,7 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland«, sagte Gröhe. In einem ersten Schritt waren bereits zum Jahreswechsel zahlreiche Leistungen für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige verbessert worden. Im gleichen Zuge war der Beitragssatz zu Jahresbeginn um 0,3 Punkte gestiegen.
Mit der Einführung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs werden die drei bisherigen Pflegestufen künftig durch fünf differenziertere Pflegegrade ersetzt. Bei der Einstufung wird zum Beispiel darauf geachtet, inwiefern sich der Pflegebedürftige noch selbst versorgen kann, wie mobil er ist und wie sein Sozialverhalten ist. Auch die umstrittenen Pflegenoten, mit denen Heime bislang bewertet werden, sollen grundlegend überarbeitet werden. Kritiker beklagen seit langem, dass die tatsächliche Qualität der Heime durch den »Pflege-TÜV« verschleiert wird und fast alle Heime sehr gut abschneiden.
Opposition und Sozialverbände: Pflegereform geht nicht weit genug
Der Opposition kritisiert das neue Pflegegesetz als unzureichend. Die Linke erklärte, das Gesetz sei »kein großer Wurf«. Vor allem Menschen in den unteren Pflegegraden würden benachteiligt. Katja Kipping, Vorsitzende der Linkspartei, kommentierte auf twitter, eine Altenpflegerin sei nachts im Durchschnitt für 52 Personen zuständig. »Wir brauchen dringend mehr Personal!« Bereits heute fehlten Pflegekräfte, sagte auch die Pflegeexpertin der Grünen, Elisabeth Scharfenberg im Bundestag.
Auch die Sozialverbände sehen zahlreiche Schwachpunkte. Der Sozialverband VdK erwartet keine wesentlichen Verbesserungen bei der Versorgungsqualität in der stationären Pflege. Auch sehe das Gesetz keine Aufstockung oder bessere Bezahlung des Personals vor, kritisierte Verbandschefin Ulrike Mascher.
Der Präsident des Sozialverbandes Deutschland (SoVD), Adolf Bauer, vermisst ein »solidarisches Finanzierungskonzept«. »Der dringend benötigte große Wurf ist diese Reform nicht«, erklärte auch AWO-Vorstandsmitglied Brigitte Döcker.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di forderte einen »deutlich besseren und verbindlichen Personalschlüssel« für Pflegeheime. Ohne dies sei die Reform nur »Stückwerk«. AFP/nd
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