Feindbild muslimischer Mann

Die Rechten wollen christliche Frauen vor muslimischen Männern retten - und findet bei Feministinnen fragwürdige Unterstützung, meint Thomas Gesterkamp

  • Thomas Gesterkamp
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Tageszeitung »Freie Presse« erreichte vor ein paar Wochen der Hinweis auf eine Straftat im sächsischen Reinsdorf. Eine Drogerieangestellte habe Asylbewerber beim Klauen erwischt und sei noch am selben Abend von sechs Männern überfallen und vergewaltigt worden. »Meines Wissens liegt sie im Koma im Krankenhaus«, so der Informant in seiner E-Mail. Doch die Nachricht war eine Ente. Weder die Polizei im Kreis Zwickau noch irgendein Hospital der Region konnte sie bestätigen. Dennoch bot die erfundene Geschichte in den sozialen Netzwerken Anlass für Hetze: gegen männliche Flüchtlinge.

Auf keiner Pegida-Demo und bei keinem Talkshowauftritt der AfD fehlt inzwischen der Hinweis, dass 70 Prozent der Neuankömmlinge Männer seien. Muslimische Männer unter 30, da weiß man doch, was da abgeht: Voller Hormone, gelangweilt und ohne sinnvolle Beschäftigung lungern sie vor den Wohnheimen herum - und kommen auf dumme Gedanken. Zum Beispiel, vorbeilaufende Frauen anzuquatschen, zu belästigen oder Schlimmeres. Jürgen Mannke, Vorsitzender des Philologenverbandes in Sachsen-Anhalt, spricht in seiner Mitgliederzeitung von »Immigranteninvasion« - und fordert Aufklärung, damit sich junge Mädchen nicht »auf ein oberflächliches Abenteuer mit sicher oft attraktiven muslimischen Männern einlassen«. Im Netz pöbeln Kommentatoren gegen »nordafrikanische Verbrecher, die aus den Gefängnissen nach Europa verschifft werden« und warnen vor Verhältnissen, wo sich Frauen »ihre blonden Haare schwarz färben müssen, um einer Vergewaltigung zu entgehen«.

Belege für solche Behauptungen sind Mangelware, statt seriöser Fakten kursieren vorwiegend Gerüchte. Selbstverständlich produzieren Not und Unsicherheit auch Aggressionen in den Heimen. Hilfsorganisationen warnen aber davor, Einzelfälle aufzubauschen und Panik zu schüren. AfD-Politiker wie Björn Höcke und Frauke Petry hält das ebenso wenig wie publizistische Scharfmacherinnen davon ab, auf Kosten männlicher Asylbewerber Stimmung zu machen. Da tun Rechtspopulistinnen plötzlich so, als seien sie Feministinnen - und umgekehrt werden Feministinnen zu Rechtspopulistinnen.

»Sie traute sich nicht mehr auf die Toilette. Die Männer, der Lärm, das war alles zu viel für sie.« So heißt es in einer aktuellen Reportage der Frauenzeitschrift »Emma«. Ihr zufolge sind in Flüchtlingsunterkünften »sexuelle Übergriffe an der Tagesordnung«. »Deutsche Frauen machen sich Sorgen«, schreibt unverhohlen nationalistisch das Magazin von Alice Schwarzer, die schon in den vergangenen Jahren ein - vorsichtig ausgedrückt - schablonenhaftes Bild vom Islam zeichnete. »Unsere Gleichberechtigung ist in Gefahr, weil jetzt Hunderttausende meist junger Männer in unser Land strömen«, behauptet »Emma«. Denn männliche Migranten seien »auf der Flucht nicht nur Opfer, sondern auch Täter«.

Die Redaktion hat inzwischen mitbekommen, dass die Debatte nicht in die gewünschte Richtung läuft. »Uns gefällt nicht, dass es Pegida gefällt - das macht aber nicht falsch, was wir fordern«, postet sie trotzig auf Twitter. Und auf Facebook: »Jedem denkenden Menschen müsste eigentlich klar sein, dass wir eine gänzlich andere Haltung vertreten als rechte Hetzer.« Die berufen sich auf eine »christlich geprägte Kultur, in der es Frauen am besten geht«: So formulierte es die erzkonservative Autorin Gabriele Kuby im Oktober auf einer Demonstration gegen die Bildungspläne zur angeblichen »Zwangssexualisierung« in Baden-Württemberg.

»Frauen als Freiwild?« nennt die selbst ernannte »Christin und Feministin« Birgit Kelle ihr Bedrohungsszenario. Sie lege »den Finger in die Wunde, nämlich den täglich wachsenden Überschuss tatendurstiger Männer im besten Alter, aber ohne Paarungschancen bei den deutschen Frauen«. Im christlichen Abendland gelte der Grundsatz »Frauen und Kinder zuerst« - bei den Flüchtlingen dagegen die Maxime »Junge Männer zuerst«. Für diese, die im Umgang mit dem weiblichen Geschlecht andere Regeln aufstellen wollten, hat sie ein einfaches Rezept parat: Abschiebung.

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